Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Fragen und AntwortenKleiner Waffenschein birgt Gefahren

Lesezeit 4 Minuten
Bild Waffenschein

Berlin – Gestiegene Einbruchszahlen, die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln und eine diffuse Angst vor Terroranschlägen: Viele Menschen in Deutschland sind verunsichert. Immer mehr wollen scheinbar in der Lage sein, sich notfalls selbst zu verteidigen - und besorgen sich etwa Pfefferspray oder eine Schreckschusswaffe. Für die Schreckschusswaffe benötigen sie einen von einer Behörde ausgestellten Kleinen Waffenschein. Ohne Risiken ist diese Art von Selbstschutz allerdings nicht.

Wie viele Menschen besitzen aktuell einen Kleinen Waffenschein?

Im November 2015 besaßen laut Nationalem Waffenregister (NWR) rund 275 000 Menschen in Deutschland einen Kleinen Waffenschein. Wenige Monate später stieg die Zahl: Ende Januar 2016 waren bereits rund 300 000 Kleine Waffenscheine im NWR gespeichert. Die Steigerungsrate ist etwas höher - verglichen mit der Entwicklung der Einträge in den Jahren 2013 bis 2015.

Wann braucht man einen Kleinen Waffenschein?

Grundsätzlich kann jeder in Deutschland ab 18 Jahren Schreckschuss-, Gas- oder Signalwaffen frei erwerben. Vorausgesetzt diese Arten von Waffen haben das Siegel der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Dann dürfen Besitzer diese Waffen in ihren eigenen vier Wänden aufbewahren - auch ohne behördliche Genehmigung.

Wer hingegen unterwegs eine der genannten Waffen bei sich trägt, braucht einen Kleinen Waffenschein. Er gilt nur in Verbindung mit einem gültigen Personalausweis oder Pass. „Selbst das Mitführen einer solchen Waffe im Handschuhfach eines Pkw kann ein Mitführen im Sinne des Waffengesetzes darstellen“, erklärt Frank Scheulen vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen.

Unter welchen Voraussetzungen bekommt man einen Kleinen Waffenschein?

Wer einen Kleinen Waffenschein beantragen will, muss mindestens 18 Jahre alt sein. Weitere Voraussetzungen sind Zuverlässigkeit und persönliche Eignung - dazu gehört etwa, dass man keine Vorstrafen haben darf. Ein Sachkunde- oder ein Haftpflichtversicherungsnachweis seien allerdings nicht nötig, sagt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin.

Wo kann man ihn beantragen?

Je nach Kommune stellt den Schein das Ordnungsamt, die Polizei oder die Kreisverwaltung aus. Interessenten sollten sich bei ihrer Stadtverwaltung erkundigen. Die bearbeitende Stelle gleicht die Angaben des Antragstellers mit eventuellen Eintragungen im Bundeszentralregister und bei der Staatsanwaltschaft ab. Für den Antrag fällt eine Gebühr an - diese kann je nach Bundesland variieren. In Nordrhein-Westfalen liegen die Kosten bei 55 Euro, andernorts kann es teurer sein.

Was passiert, wenn die waffenrechtliche Erlaubnis fehlt?

Das ist eine Straftat und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. „Man sollte sich bei Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen sehr sicher sein, dass der Erwerb und der Besitz im Sinne des Waffengesetzes auch erlaubnisfrei ist“, betont Scheulen. Er rät davon ab, solche Waffen im Ausland zu erwerben und in Deutschland zu verwenden. Oft erfüllen sie nicht die deutschen gesetzlichen Normen zum erlaubnisfreien Erwerb und Besitz. „Ist ein PTB-Zeichen nicht vorhanden, dann wird die Waffe nach dem Waffengesetz erlaubnispflichtig“, sagt Scheulen. Das bedeutet: Ohne Erlaubnis ist bereits der Erwerb der Waffe strafbar - der Besitz sowieso. Das gilt auch, wenn an einer zugelassenen Waffe Veränderungen vorgenommen - etwa die Laufsperren ausgebaut - wurden.

Was ist Besitzern eines Kleinen Waffenscheins untersagt?

Bei Veranstaltungen wie Volksfesten, Sportfesten, Messen oder Ausstellungen dürfen Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen nicht mitgeführt werden - auch nicht mit einem Kleinen Waffenschein, erklärt der Ministeriumssprecher. Auch außerhalb von Schießstätten ist das Schießen verboten - es sei denn, es liegt ein Fall der Notwehr und des Notstands vor. Ansonsten ist das Schießen strafbar.

Welche Risiken gibt es?

Es kann schnell zu Überreaktionen kommen, warnt der Angstforscher Prof. Borwin Bandelow. Der stellvertretende Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Göttingen nennt ein Beispiel: Unter Umständen ist jemand in einer Gefahrensituation gar nicht in der Lage, etwa Pfefferspray zielgerichtet gegen einen Täter zu richten. So kann man sich in einem Gerangel unter Umständen versehentlich selbst verletzen. Wird jemand anderes geschädigt - etwa durch den Einsatz von Pfefferspray gegen eine Person - kann das eine strafrechtliche Prüfung sowie ein Ermittlungsverfahren nach sich ziehen, fügt Scheulen hinzu.

Auch Missverständnisse könnten gefährlich werden: Etwa wenn die Polizei jemanden mit einer Waffe sieht und aber nicht weiß, dass diese nicht scharf ist, wie Bandelow sagt. „Letztendlich wird durch eine Zunahme von Leuten, die mit unscharfen Waffen unterwegs sind, die Unsicherheit eher größer als kleiner“, ist Bandelow überzeugt.

Welche Alternativen gibt es?

Vorausschauendes Verhalten ermöglicht es, Gefahren zu erkennen und ihnen frühzeitig aus dem Weg zu gehen. „Wenn man pöbelnde Personen sieht, dann könnte es die bessere Entscheidung sein, einen weiten Bogen um sie zu machen“, erklärt Scheulen. Wer sich in einer bedrohlichen Situation befindet, sollte durch Schreien oder Trillerpfeifen auf sich aufmerksam machen. Oder man spricht jemanden gezielt an: „Sie mit der blauen Jacke! Ich brauche Hilfe!“ - auch das kann ein Weg sein. (dpa)