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Lückenhafte KontrollenWas passiert mit geschlachteten Pferden?

Lesezeit 3 Minuten

Gulasch aus Pferdefleisch

Pferdefleisch statt Rind im Burger, in der Lasagne, in der Bolognese-Sauce: Ein neuer Lebensmittelskandal erschüttert Europa. Im Dickicht immer neuer Nachrichten über Pferdefleisch-Funde in Supermarkt-Fertiggerichten bleiben viele Fragen unbeantwortet. Die vielleicht wichtigste: Wo sitzen eigentlich jene, die kriminell gehandelt haben?

Pferdefleisch wird zumindest in manchen Regionen Mittel- und Südeuropas gern gegessen. Die Falschdeklaration von Lebensmitteln dagegen bedeutet einen klaren Verstoß gegen Vorschriften. Der britische Umweltminister Owen Patterson spricht von "kriminellen Machenschaften". Behörden und Politik tappen bei der Suche nach den Übeltätern bisher weitgehend im Dunkeln - oder geben zumindest ihre Erkenntnisse nicht preis.

Deutlicher Anstieg an Schlachtungen

Tatsache ist, dass in den vergangenen Jahren europaweit deutlich mehr Pferde für die Produktion von Nahrungsmitteln getötet wurden als noch ein paar Jahre zuvor. Allein in Irland, wo das Pferd für viele ein Statussymbol ist, endete 2012 für 24 000 Pferde das Leben beim Metzger, wie das Landwirtschaftsministerium in Dublin mitteilte. Drei Jahre zuvor waren es nur 3000 Tiere. Im benachbarten Großbritannien stieg die Zahl im selben Zeitraum von 3000 auf 9000 Schlachtpferde.

Rund 300 Euro bekommt ein Ire, wenn er sein Pferd schlachten lässt. 300 Euro muss er zahlen, wenn er es vom Tierarzt einschläfern lässt. Die Finanzkrise auf der grünen Insel hat sicher das Problem verschärft und möglicherweise viele Iren zum Verkauf getrieben. Aber ist das der einzige Grund für die plötzliche Explosion der Schlachtzahlen bei Pferden? "Ich habe keine Ahnung", gibt Peter Hardwick von der britischen Organisation der Rind- und Lammfleischproduzenten (EBLEX) offen zu. Ein möglicher Grund könnte sein, dass die Rinderpreise anhaltend hoch sind und der weltweite Bedarf kaum noch gedeckt werden kann. Rindfleisch kostet etwa fünfmal so viel wie Pferdefleisch.

Was passiert mit geschlachteten Pferden?

Doch was passiert mit all den geschlachteten Pferden? Als sicher gilt, dass das Fleisch fast ausschließlich in den Export etwa nach Frankreich oder Italien geht - mangels Abnehmern in den pferdeverrückten Ländern Irland und Großbritannien. Auf den britischen Inseln ist der Verzehr von Pferdefleisch praktisch ein Tabu. "Der Markt mit Pferdefleisch in Großbritannien ist unglaublich klein, ich kenne nicht einmal die Zahlen", sagt Richard Stevenson vom britischen Verband der Fleisch- und Lebensmittelhändler (NFMFT).

Unangenehmer Nebeneffekt: Wenn die Schlachtung von Pferden eigentlich unüblich ist, gibt es auch weniger Regeln dafür.

Zwar müssen die Pferde laut EU-Verordnung mit einem Equidenpass (Identitätsdokument) ausgestattet sein und werden tierärztlich für die Fleischverwertung gesperrt, wenn bestimmte Medikamente verwendet werden. Die Einhaltung dieser Vorschrift scheint aber kaum überprüft zu werden. So musste der britische Agrarminister David Heath gestern zugeben, dass Fleisch, das mit dem für Menschen verbotenen Rheumamittel Phenylbutazon belastet war, aus Großbritannien nach Frankreich verkauft wurde und vermutlich in die Nahrungskette gelangte.

Phenylbutazon war bislang vor allem Züchtern und Landwirten geläufig: Die Substanz ist ein starker Entzündungshemmer für Pferde. Er wird bei Gelenkproblemen verabreicht oder, verbotenerweise, als Doping im Galopprennsport.

Weil Phenylbutazon potenziell krebserregend ist und die gesunde Balance der Blutzusammensetzung schädigen kann, ist die Behandlung mit diesem Mittel bei Tieren, die der Fleischgewinnung dienen, verboten. Sally Davies, oberste Amtsärztin Großbritanniens, betonte gestern zwar, dass eine Gesundheitsgefährdung durch verseuchte Pferdekadaver unwahrscheinlich sei: "Ein Mensch müsste pro Tag 500 bis 600 reine Pferdefleisch-Frikadellen essen, um eine riskante Dosis dieses Mittels zu konsumieren." Doch auf viele andere, möglicherweise ebenfalls gesundheitsschädliche Substanzen werden die Schlachttiere gar nicht geprüft. (dpa/EB)