„Lust, Nacktfotos zu tauschen?“Immer häufiger werden Kinder in Chats zu Opfern

Nicht immer harmlos: In Internetchats, die vor allem Kinder besuchen, treiben manchmal auch Pädophile ihr Unwesen
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Düsseldorf – Es dauert kaum sechs Minuten, da erhält "Janina12" die erste anzügliche Anfrage: "Hi, hast du Lust, mit mir Nacktfotos zu tauschen?", fragt ein Nutzer, der sich Sweetboy19 nennt. Er hätte Bilder von sich, wo man alles sehen würde, schreibt er. Die könne er ihr zeigen, wenn sie wolle. Was "Sweetboy19" nicht weiß, ist, dass sich hinter dem Namen "Janina12" kein minderjähriges Mädchen verbirgt, sondern ein Administrator des Chats, der aufpasst, dass Kinder und Jugendliche nicht von Erwachsenen sexuell belästigt werden. "Leider passiert das ständig. Es ist wie ein Kampf gegen Windmühlen", sagt Stefan K. aus Moers, der als Administrator für einen der größten Chats Deutschlands arbeitet. "Die Perversen melden sich dann wieder unter einem anderen Namen an - da können wir nicht viel gegen machen", sagt er.
Das sogenannte Cybergrooming (englisch: anbahnen, vorbereiten), bei dem sich erwachsene Menschen, meist ältere Männer, in Internetchats als Jugendliche ausgeben und diese dann anschreiben, greift immer mehr um sich. Dabei versuchen die Täter, das Vertrauen ihrer Opfer zu gewinnen, gaukeln Freundschaft vor, sagen, dass es völlig normal sei, Nacktfotos von sich zu zeigen. Schnell werden diese dann verschickt. Gleichzeitig sorgen sie dafür, dass ihre Opfer niemanden davon erzählen. Das typische Opfer ist laut Polizei 14 und weiblich. Die Zielgruppe der Täter umfasst vor allem zwölf- bis 15-Jährige.
Nach Angaben der Polizei seien die oben geschilderten Handlungen als Vorbereitung zu sexuellem Kindesmissbrauch zu bewerten und somit strafbar. Täter können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Doch abschrecken lassen sich offenbar die wenigsten davon. "Sie fühlen sich in der Anonymität des Internets sehr sicher", sagt Claudia F., die als Teamleiterin für einen sogenannten "Fun-Chat" die Aktivitäten der Nutzer überwacht. Ihr zufolge käme es allein in NRW täglich hundertfach zu solchen Vorfällen. "Aber selbst wir bekommen davon nur einen Bruchteil von mit", sagt sie. Denn Cybergrooming spiele sich in privaten Chatfenstern ab. "Nur wenn ein User sich meldet und einen Alarmknopf drückt, können wir eingreifen."
Vergleichsweise selten kommt es zur Anzeige. "Viele Opfer trauen sich aus Schamgefühl nicht, zur Polizei zu gehen", erklärt Kriminalhauptkommissar Hans J. Hülsbeck, Experte für Cyberkriminalität des NRW-Landeskriminalamtes (LKA).
Die Polizei in Baden-Württemberg ist vor zwei Jahren mit einer konstatierten Aktion gegen die Sextäter im Internet vorgegangen. Ähnlich wie der Administrator aus Moers erstellten die Fahnder ein Fake-Profil. Binnen kürzester Zeit nahmen zahlreiche Männer Kontakt zu dem vermeintlichen Mädchen auf. Die Tatverdächtigen äußerten im Verlauf der Chats regelmäßig strafbare, eindeutig sexuell anstößige Absichten und setzten diese vor ihrer Webcam auch um. Ihre Aufforderung zu ihren Opfern lautete oft: "Zieh dich aus!" Dabei stellten die Ermittler fest, dass die Täter häufig routiniert vorgingen. Beispielsweise brachten sie unterhalb ihrer Computertische spezielle Halterungen für ihre Webcams an. Rund 80 Pädophile gingen der Polizei ins Netz.
Das LKA empfiehlt Betroffenen, Screenshots oder Fotos von Bildern und Chatverläufen zu machen. Damit Jugendlichen erst gar nicht in so eine Situation geraten, rät das LKA den Eltern zur Prävention: "Den Kindern muss beigebracht werden, worauf man im Internet achten muss und wo die Gefahren lauern", sagt der LKA-Ermittler. "Man darf ihnen nicht einfach den PC hinstellen und sagen: Macht mal."