Ein Tiermedizin-Professor will mit seinem Buch „Geschundene Gefährten“ aufklären über die Irrwege in der Rassezucht und Lösungen aufzeigen.
Schwere GendefekteIrrwege der Rassezucht – Vom Leiden der kranken Modehunde

Viele Hunde entwickeln rassebedingt gesundheitliche Probleme.
Copyright: dpa
Kind-Ersatz, Statussymbol, Accessoire für stylishe Instagram-Bilder: Hunde spielen heute vielfach eine ganz andere Rolle für ihre Besitzer als noch vor wenigen Jahrzehnten. Gefragt sind zum Beispiel Mini-Varianten von Pudel, Zwergspitz oder Australian Shepherd, die niedlich aussehen und in die Handtasche passen.
Zunehmend beliebt sind auch extravagante Farben: Labradore mit silbernem Fell, bläuliche Französische Bulldoggen oder Chihuahuas. „Diese verdünnten Farben sehen sehr hübsch aus, aber es handelt sich nicht einfach um Varianten, sondern um echte Missbildungen, um schwere Gendefekte“, sagt der Tierpathologe und Autor Achim Gruber. Diese Tiere litten aufgrund der genetisch bedingten Pigmentstörung oft unter Hauterkrankungen und Haarausfall.
„Konzept ist menschengemacht“
Der Professor am Institut für Tiermedizin der Freien Universität (FU) Berlin will mit seinem Buch „Geschundene Gefährten“ aufklären über die Irrwege in der Rassezucht und Lösungen aufzeigen. „Wir haben viele Hunderassen total krank gezüchtet“, kritisiert der 57-Jährige. „In der Natur gibt es keine Rassen, das Konzept ist menschengemacht.“
Gruber sieht zwei fatale Fehlentwicklungen. Zum einen bemängelt der Wissenschaftler die Zucht hin zu krankmachenden Äußerlichkeiten, wie zum Beispiel die Kopf- und Schnauzenform von Möpsen, die schwer atmen und schlecht hecheln können. Kurzköpfige Hunde haben laut Deutschem Tierschutzbund oft mit Haut-, Ohren- und Augenproblemen sowie Kiefer- und Zahnfehlstellungen zu kämpfen. Der Großteil leide unter Atemnot, vertrage Hitze nicht gut und habe Schlafprobleme.

Tierpathologe Achim Gruber posiert mit einem Hund.
Copyright: dpa
„Wir kennen heute weit über 80 verschiedene Krankheitsneigungen, Leiden und Sinnesstörungen, die als ,Nebenwirkungen' der gewünschten extremen Zuchtziele entstanden sind“, sagt Gruber. So erhielten nach Daten einer US-Studie mit krebskranken Hunden reinrassige Tiere diese Diagnose in einem deutlich jüngeren Alter als Mischlinge.
Qualzuchten per Gesetz verboten
Darüber hinaus sind dem Tierpathologen zufolge rund 500 bis 800 Erbkrankheiten beim Hund bekannt. Dies habe mit Inzucht zu tun. Eine Lösung sei zum Beispiel der sogenannte Retromops, bei dem andere Rassen eingekreuzt werden, damit die Tiere wieder eine längere Nase und weniger gesundheitliche Probleme bekommen.

Eine Deutsche Dogge kühlt sich in einem See ab. Einer US-amerikanischen Studie von 2023 zufolge bekommen besonders groß gezüchtete Rassen wie Mastiff, Bernhardiner und Dogge tödlichen Knochenkrebs im Alter von fünf bis sechs Jahren, dagegen verschiedene kleine Hunderassen erst mit zehn bis elf Jahren.
Copyright: dpa
Sogenannte Qualzuchten sind laut Tierschutzgesetz eigentlich verboten. Das Gesetz werde aber kaum umgesetzt, kritisiert Gruber.„Viele Züchter ignorieren es, und die zuständigen Veterinärbehörden schauen zumeist tatenlos zu.“ Der Deutsche Tierschutzbund fordert ein Gesetz, das klar definiert, was Qualzucht ist. „Was viele Halter niedlich finden, ist für die Tiere eine Qual“, erläutert Verbandssprecherin Lea Schmitz.
Zudem habe der illegale Welpenhandel in der Corona-Zeit aufgrund des Haustier-Booms floriert, sagt Lea Schmitz. Beim illegalen Tierhandel seien zuletzt Französische Bulldoggen, Zwergspitze und Chihuahuas Spitzenreiter gewesen – also Rassen, die unter Qualzuchtmerkmalen leiden. Dies habe eine Auswertung des Tierschutzbundes ergeben. „Nach meinem Eindruck verwechseln viele Menschen Hunde und Katzen mit Markenprodukten wie Autos oder Mode“, kritisiert Gruber. Das Riesenproblem sei: „Die Varianten bei Hunden und Katzen sind Missbildungen und genetische Störungen, die mit teils schwerem Leid und Schäden einhergehen können.“ (dpa)