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RAF-TerroristenProf. Dr. Straßner: „Sie nicht zu finden, kommt nicht ungelegen“

Lesezeit 5 Minuten
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Seit mehr als 30 Jahren sind die ehemaligen RAF-Terroristen Burkhard Garweg, Daniela Klette und Ernst-Volker Staub untergetaucht. Im Interview mit Marie Busse erklärt der Regensburger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Alexander Straßner, warum er an ein Unterstützer-Netzwerk glaubt und warum die Behörden vom Nicht-Finden profitieren.

Herr Prof. Dr. Straßner, seit mehr als 30 Jahren sind die ehemaligen RAF-Mitglieder Burkhard Garweg, Daniela Klette und Ernst-Volker Staub abgetaucht. Die Polizei tappt im Dunkeln. Wie kann das sein?

Ich gehe davon aus, dass die drei auf Netzwerke aus der linken Szene zurückgreifen können. Sie brauchen schließlich eine medizinische Versorgung. Außerdem können sie keine Kreditkarten benutzen oder Handys nutzen, weil sie dann zurückverfolgt werden können. Sie benötigen also Bargeld, an das sie durch Überfälle gelangen, und Menschen, die ihnen helfen. Wahrscheinlich gibt es Helfer im In- und Ausland. Möglich ist, dass ihnen diese Menschen falsche Identitäten besorgt haben, mit denen sie unerkannt leben.

Das zuständige Landeskriminalamt Niedersachsen hat mehr als 2000 Hinweise geprüft und 2017 aktuelle Fahndungsfotos veröffentlicht – bislang erfolglos. Wie schätzen Sie die Arbeit der Behörden ein?

Die Fahndung nach den RAF-Terroristen ist kein Ruhmesblatt für die Behörden. Es wurden früher mutmaßliche RAF-Mitglieder festgenommen, denen man vor Gericht nur wenig nachweisen konnte und die zu geringen Strafen verurteilt wurden. Die Behörden wollen keine erneute Niederlage riskieren. Das könnte passieren, wenn sie Garweg, Klette und Staub tatsächlich fassen. Sie nicht zu finden, kommt daher nicht ungelegen. Heute liegt der Fokus nicht mehr auf Linksterrorismus, sondern auf Islamismus und Rechtsterrorismus.

Dritte Generation

Burkhard Garweg, Ernst-Volker Staub und Daniela Klette (von links) sind vor mehr als 30 Jahren untergetaucht. So könnten Sie heute aussehen.

Die sogenannte dritte Generation der Roten Armee Fraktion (RAF) wollte den Terrorismus internationalisieren. Beweise dafür sind gemeinsame Erklärungen und Aktionen der RAF mit französischen und italienischen Terrorgruppen. Dieser Generation werden unter anderen die Morde an Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen 1989 und am Treuhand-Chef Detlev Rohwedder 1991 vorgeworfen.

Das Trio Burkhard Garweg, Daniela Klette und Ernst-Volker Staub ist seit 30 Jahren untergetaucht. Es soll zwischen 1999 und 2016 mehrere Geldtransporter und Kassenbüros von Supermärkten überfallen haben. Beim letzten Raub 2016 soll das Trio mit einer Panzerfaust und einem Sturmgewehr bewaffnet einen Geldtransport im niedersächsischen Cremlingen überfallen haben. Die Beute: 600000 Euro. Das zuständige Landeskriminalamt Niedersachsen prüfte erfolglos etwa 2400 Hinweise. (mbu)

Die Polizei ging Spuren nach, die in die Niederlande führten. Wo vermuten Sie die ehemaligen Terroristen?

Da gibt es die verschiedensten Theorien. Einige glauben, sie leben in Frankreich auf einem alten Bauernhof. Andere vermuten das Trio in der Nähe der Tatorte, also in Norddeutschland oder den Beneluxstaaten. Eine weitere These lautet, dass die drei fernab von Deutschland – im Nahen Osten – leben und nur für Überfälle zurückkehren.

Was ist über das Verhältnis der drei untereinander bekannt?

Ernst-Volker Staub und Daniela Klette waren ein Paar, als sie untertauchten. Vielleicht sind sie das immer noch. Burkhard Garweg ist ein deutlich jüngerer Freund, der irgendwie mit ihnen unterwegs ist.

Welche Rolle spielten Garweg, Klette und Staub bei der Roten Armee Fraktion?

Das Trio gehört zur sogenannten dritten Generation der RAF. Über die personellen Strukturen dieser Generation ist nichts bekannt, an den Tatorten fanden sich außerdem nur wenige Spuren. Garweg, Klette und Staub könnten zur Führungsebene gehört haben, an Mordtaten wie beispielsweise an Alfred Herrhausen beteiligt gewesen sein oder Bekennerschreiben formuliert haben. Es ist schlicht nicht bekannt.

War die dritte Generation professioneller als die ersten beiden?

Ja, das auf jeden Fall. Es galt nicht mehr das Credo der ersten beiden Generationen: Wer gefasst wird, ist ein Märtyrer. Sie hinterließen kaum Fingerabdrücke an den Tatorten. Außerdem erhielten sie Unterstützung vom Geheimdienst der DDR, das hat zur Professionalisierung beigetragen. Zudem reisten Mitglieder oder Unterstützer aus anderen Ländern gezielt für Anschläge ein.

Ernst-Volker Staub und Daniela Klette gehen auf die 70 zu, Burkhard Garweg ist 54 Jahre alt, die RAF hat sich vor 24 Jahren aufgelöst. Warum gibt das Trio nicht auf?

Terrorismus hat immer etwas mit Narzissmus zu tun. Die Rote Armee Fraktion hat sich immer als Speerspitze einer Weltbürgerkriegsarmee gesehen. Diese Selbstwahrnehmung der eigenen Außergewöhnlichkeit wird stärker, je kleiner die Gruppe ist. Das hat die Radikalisierungsforschung gezeigt. Die Mitglieder reden sich gegenseitig ein, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Mittlerweile kommt in meiner Wahrnehmung auch Selbstschutz hinzu. Die drei haben ihr Leben in Fundamental-Opposition verbracht. Da kann man mit über 60 Jahren nicht sagen, mein Leben war vergeudet.

Rechnen Sie mit weiteren Überfällen?

Ab einem gewissen Alter kann man das einfach nicht mehr machen. Ich denke, sie sind abhängig von Almosen aus der Szene, und mittlerweile müssen wir uns ernsthaft die Frage stellen, ob überhaupt noch alle drei leben.

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Glauben Sie, sie werden noch gefasst?

Die Frage lautet eher: Wem würde das nützen? Ich halte es für ausgeschlossen, dass sie etwas über das Innenleben der Organisation erzählen. Die Frage ist, ob man ihnen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nachweisen kann. Es gibt schließlich kaum Beweise. Dann könnten sie nur wegen einfacher Gewaltkriminalität verurteilt werden. Daher dürfte auch die Motivation der Behörden gering sein.