Revolution im Zeichen der MützeWarum die Mao-Mütze eine modische Renaissance erlebt

Ein bemützter Diktator, Mao Zedong.
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- Viele Gegenstände gibt es nicht, die seit der Gründung der Volksrepublik vor 70 Jahren auch heute noch Bestand hat.
- Eine Ausnahme: die Mao-Mütze.
- Sie erlebt eine Renaissance als Mode-Accessoire.
„Mütze grün, mit rotem Stern“. Oder: „Nur die besten Mützen, echt getragen von Rotgardisten“ – mit diesen Slogans bewirbt Taobao, Chinas größter Online-Verkaufsplattform, in diesen Tagen groß die Mao-Mütze. Abgebildet ist sie in allen nur erdenklichen Varianten. Es gibt sie klassisch in grün, blau, grau und schwarz, aber auch modisch zweifarbig oder gar bunt.
Und auch die Form ist unterschiedlich. Mal ist der Schirm lang, bei anderen kurz, bei der Männer-Version sitzt sie weniger ballonförmig auf dem Kopf als bei der Version für Frauen. Aber auf keinen von ihnen fehlt er: der rote Stern. Bei der günstigeren Variante ist er aus Plastik, bei der etwas teueren aus Blech. Aus letzterem bestand einst das Original.
70 Jahre Volksrepublik China
Dass die Mao-Mütze derzeit wieder vermehrt in Peking zu sehen ist, hat sicherlich mit dem 1. Oktober zu tun, dem Nationalfeiertag, den die chinesische Führung anlässlich des 70. Jahrestags der Gründung der Volksrepublik mit großer Militärparade dieses Mal besonders feierlich begehen will. Reliquien, die an den „großen Steuermann“, dem Langen Marsch und an die Roten Garden erinnern, finden zu solchen Anlässen in China regelmäßig Abnehmer.

Ein Mann trägt die Mao-Mütze und verkauft in der Provinz Hunan Souvenire.
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Doch das ist es dieses Mal nicht allein. Die Mao-Mütze ist auch als Mode-Accessoire wieder angesagt. „Sie ist praktisch und cool“, sagt Gao Nan. Die 26-jährige Studentin besitzt eine grau-blaue Version, die etwas bauchiger wirkt als das Original. „Im Dutt zusammengebunden kriege ich sogar meine langen Haare drunter.“ Mit einem Baseball-Cap sei das nicht möglich.
Kommunistischer Diktator als modischer Trendsetter
Die Volksrepublik China wird in diesen Tagen 70. Am 1. Oktober 1949 hatte Kommunistenführer Mao Tsetung auf dem berühmten Tor vor dem Platz des Himmlischen Frieden in Peking die Volksrepublik ausgerufen. Die nach ihm benannte Mütze ist aber schon um einiges älter.
Genau genommen handelt es sich um eine klassische Schieber- und Ballonmütze, wie sie seit dem Zeitalter der Industrialisierung auch in Europa und anderswo von der Arbeiterklasse lange Zeit getragen wurde. Sie war Teil der typischen Arbeiterkleidung. Was sie so praktisch machte: Selbst lange Haare ließen sich praktisch verstauen, damit sie bei der Arbeit etwa nicht ins Räderwerk von Maschinen gerieten. Die Kommunisten sahen ihre Basis in der Arbeiterklasse. Und dort, wo kommunistische Parteien an die Macht kamen, wurde die Arbeitermütze entsprechend geadelt, so ab 1949 mit Maos Machtergreifung auch in China.

Der Personenkult um den Diktator hält noch heute in China an.
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In China selbst war die Mao-Mütze lange Zeit gar nicht nach dem kommunistischen Diktator benannt. Die Mütze war lediglich Teil eines Outfits, das wiederum nach Sun Yat-sen benannt war, dem Gründer der Republik China von 1912.
Der westliche Anzug kam spät nach China
Zu jener Zeit hielt auch der westliche Kleidungsstil Einzug in China. Beamte, Generäle und Geschäftsleute brachen mit der klassischen Kleidung der Qing-Dynastie. Bei Männern war es ein langes Gewand, dazu eine Kappe auf den zu einem langen geflochtenen Zopf gebunden Haaren. Der Kopf war an der Seite geschoren. Frauen trugen den traditionellen Qipao, ein eng sitzendes ebenfalls langes Gewand mit hochgeschlossenem Kragen und Schlitze an der Beinseite. Beide Gewänder waren unpraktisch für den Alltag.

Demonstranten in Hongkong sehen die Regierungschefin, Carrie Lam, als verlängerten Arm der kommunistischen Partei Chinas.
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Um nach dem Sturz des Kaiserhofs der Republik ein neues Gesicht zu geben, beauftragte Republik-Gründer Sun Schneider mit der Erstellung eines neuen Anzugs. Dieser war im Unterschied zum westlichen Jacket bis nach oben zugeknöpft ist und hatte einen Stehkragen. Das Outfit wurde als Zhongshan Zhuang bekannt, benannt nach seinem Auftraggeber Sun, der auf chinesisch Zhongshan heißt. Sun machte in seiner Amtszeit den Anzug zum Pflichtkleidungsstück der chinesischen Beamten.
Modische Gleichstellung
Auch Mao mochte diesen Anzug. Er passte aus seiner Sicht bestens zum Kommunismus: Die Uniform ist einfach geschnitten und aus solider, preiswerter Baumwolle. Sie besteht aus einer bequemen Hose und einer Jacke mit vier Außentaschen. Um dem Ganzen noch einen proletarischen Anstrich zu verpassten, ergänzte Mao das Outfit mit eben jener Arbeitermütze.
Während der Anzug ohne Mütze unter dem Republikgründer Sun für den Umbruch nach dem Kaiserreich stand, wurde der Anzug unter Mao mit Mütze zum Symbol der Revolution. Sie passte zu allen Anlässen, zur Arbeit ebenso wie zur Hochzeit. Zudem symbolisierte sie Gleichheit, Bodenständigkeit und kleidete sowohl Männer als auch Frauen. Während der Kulturrevolution hatte fast die gesamte Bevölkerung diesen Dress an. Mao machte das Outfit auf diese Weise weltweit bekannt, so dass der Anzug ihm in der westlichen Welt seinen Namen verdankt – und damit auch die Mütze.
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Mao selbst soll der Legende nach die nach ihm benannte Mütze aber gar nicht so oft getragen haben. Wozu auch – möchte man meinen. Schließlich hatte er schon in frühen Jahren nur noch lichtes Haar, viel zu schützen etwa vor einem Räderwerk von Maschinen gab es also nicht. Ein anderes Gerücht klingt aber plausibler. Er soll sich nicht gern gewaschen haben. Und jedes zusätzliche Kleiderstück hätte seinen Körpergeruch nur verstärkt.