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Ruhr-Uni BochumWas hinter der Legende vom ewigen Studenten steckt

Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann geht durch die Gänge des Gebäudes der Geisteswissenschaften an der Ruhruniversität Bochum.

Ein Mann geht durch die Gänge des Gebäudes der Geisteswissenschaften an der Ruhruniversität Bochum. Nach Recherchen des Sagenforschers D. Sondermann soll es dort spuken.

In der Ruhruniversität Bochum kann man echten Halloween-Grusel erleben: Neuerer Überlieferung zufolge schwebt der Ewige Student durch die Katakomben der Geisteswissenschaften. Das Gespenst hat eine höchst interessante Biografie.

Erstsemester schlendern durch die Gänge, Dozenten streben ins Seminar. Der Hochschulbetrieb in der Betonarchitektur der Ruhruniversität Bochum, abgekürzt RUB, wirkt nüchtern. Wer würde da auf die Idee kommen, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen könnte? Und doch ist dieser unwahrscheinliche Ort vielleicht die perfekte Halloween-Destination: Denn hier soll es spuken. Wie es heißt, geistert der Ewige Student durch die Katakomben und Treppenhäuser. Hin und wieder sieht ihn jemand vorbeihuschen, aber im nächsten Moment scheint er sich schon wieder in Luft aufgelöst zu haben.

Jede Uni hat ihren „Ewigen Studenten“

Den Typus des ewigen Studenten kennt man wohl an allen Universitäten. Er ist ein meist etwas nachlässig gekleideter Typ, der seit Menschengedenken immatrikuliert ist, häufig auf seinem Stammplatz in der Unibibliothek anzutreffen ist, aber einfach nicht zu Potte kommt. Die Bochumer Ausgabe dieses ewigen Studenten – Kennzeichen lange Haare, ungepflegte Erscheinung und muffiger Geruch – ist allerdings extrem. Sagenforscher Dirk Sondermann hat seine Geschichte vor 41 Jahren erstmals für die Nachwelt festgehalten, nachdem sie ihm ein Examenskandidat aus Bochum erzählt hatte: Demnach arbeitet der Ewige Student schon seit Jahrzehnten an seiner Doktorarbeit. Leider ist ihm bereits vor langer Zeit das Geld ausgegangen und die Wohnung gekündigt worden. Seitdem ist er heimlich in die Gebäude der Geisteswissenschaften gezogen.

In der spröden Betonarchitektur geht der „Ewige Student“ um.

In der spröden Betonarchitektur geht der „Ewige Student“ um.

Er übernachtet in den Fachschaftsräumen und Kellernischen des labyrinthischen Hochschulkomplexes, lagert seine Habseligkeiten in einem Schließfach und putzt sich morgens in einem der Toilettenräume die Zähne. Jeden Tag fürchtet er, von einem der Angestellten oder vom Hausmeister entdeckt zu werden. Erst wenn der Lehrbetrieb ab 8.30 Uhr allmählich losgeht, fühlt er sich sicher. So weit die Ursprungsversion von 1982. Inzwischen hat sich die Sage weiterentwickelt: Demnach geht der Ewige Student nunmehr als Geist um.

In Bochum heißt das Gespenst „Hajo“

Als solcher hat ihn die RUB vor einigen Jahren sogar mal in einem Wimmelbild verewigt. Das Gespenst hat demnach auch einen Namen: Es heißt Hajo. Dieser Name leitet sich ab von dem Studenten, auf den die Sage wohl zurückgehen dürfte: Hajo Mulsow, geboren um 1935, gestorben 1996. Walter Neumann, der als weißbärtiger Inhaber des Schallplattenladens im Campus Center eine feste RUB-Institution ist, hat ihn noch gekannt.

Dirk Sondermann, Sagenforscher, steht vor dem Gebäude der Geisteswissenschaften an Ruhruniversität.

Dirk Sondermann, Sagenforscher, steht vor dem Gebäude der Geisteswissenschaften an Ruhruniversität.

Bis zu seinem Tod sei Hajo an der Uni eingeschrieben gewesen, habe ständig unter Geldsorgen gelitten und zeitweise wirklich kein Dach über dem Kopf mehr gehabt, berichtet Neumann. Der AStA habe ihm netterweise Essensmarken für die Mensa spendiert. Politisch war Hajo klar links zu verorten, sprengte auch schon mal das ein oder andere Seminar mit einer Flugblattaktion oder rief zum Streik auf. Dennoch habe ihm Kurt Biedenkopf, der spätere CDU-Ministerpräsident von Sachsen, in seiner Zeit als RUB-Rektor öfter Geld zugesteckt, erinnert sich Neumann.   Immerhin habe Hajo sein Publizistik-Studium irgendwann beendet. Daran habe er eine Dissertation über Flaschenpost anschließen wollen, doch da sei sein Professor nicht mitgegangen. „Danach hat er nicht mehr den Dreh gekriegt.“

Walter Neumann, Besitzer eines Plattenladens an der Ruhruniversität spricht über den „Ewigen Studenten“ von Bochum.

Walter Neumann, Besitzer eines Plattenladens an der Ruhruniversität spricht über den „Ewigen Studenten“ von Bochum.

Dass Hajo, der fast sein ganzes Leben an der Uni verbrachte, nun angeblich als Geist für immer dort weiterexistiert, hält Dirk Sondermann für eine konsequente Weiterentwicklung zur Sagengestalt.Der Autor zahlreicher Bücher wie „Ruhrsagen“, der es bis zur erfolgreichen Promotion auch auf mehr als 30 Semester gebracht hat, sammelt seit vielen Jahren Sagen aus dem Revier. „Ich habe wirklich Massen von Sagen gesammelt - aber die vom Ewigen Studenten erzielt ohne jeden Zweifel die größte Aufmerksamkeit, bis hin nach Österreich.“

So ist Hajo trotz allem doch noch unsterblich geworden. (dpa)