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Softwareentwickler eines Kölner Start-upsDieser 17-Jährige lebt seit 2022 in Zügen

Lesezeit 4 Minuten
Immer unterwegs: Lasse Stolley lebt seit August 2022 im Zug.  Lasse Stolley; Lasse Stolley; ; ; ;;

Immer unterwegs: Lasse Stolley lebt seit August 2022 im Zug.

Lasse Stolley ist ununterbrochen auf Achse. Seit eineinhalb Jahren arbeitet, schläft und wohnt der 17-Jährige aus Fockbek bei Rendsburg im Zug.

Mit der Bahncard 100 kann Lasse Stolley deutschlandweit unbegrenzt viele Fahrten machen – und reizt das bis zum Maximum aus: Bislang hat Stolley 572000 Kilometer zurückgelegt und saß dabei 5894 Stunden im Zug.

Dabei hat der 17-Jährige einen genauen Überblick über all seine Touren. Mit gleich zwei Tracking-Apps erfasst er jede einzelne Fahrt. Auf einem persönlichen Blog sowie bei Instagram und dem Netzwerk X berichtet er über sein Leben auf der Schiene, gibt zum Beispiel Schlaftipps für verschiedene Zugtypen.

Beitrag aus dem Frühstücks-TV als Inspiration

Wie es dazu kam? Nach seinem Realschulabschluss im Sommer 2022 wollte er eigentlich eine Ausbildung machen. Als diese dann spontan platzte, brauchte er einen Plan B. Da kam ihm ein Youtube-Beitrag vom Sat.1-Frühstücksfernsehen in den Sinn, den er gesehen hatte: über einen Mann, der ein Jahr lang im Zug lebte. Seitdem ist der 17-Jährige nahezu pausenlos in Bewegung. Während die Fahrgäste um ihn herum nervös werden, wenn ein Zug sich verspätet oder ein Anschluss verpasst wird, kann er sich entspannt zurücklehnen. Für ihn ist es nicht wichtig, zu einer bestimmten Zeit irgendwo anzukommen. Hauptsache, er ist unterwegs: „Wenn eine Strecke gesperrt ist, fahre ich halt woanders hin.“

Und die regelmäßigen Streiks bei der Bahn? Was bedeuten die derzeitigen Arbeitsniederlegungen der Lokführer für den Fockbeker? Sollten einmal alle Verbindungen ausfallen, könne er immer noch bei Bekannten unterkommen: „Ich habe ziemlich viele Freunde in ganz Deutschland verteilt.“ Bei vergangenen Bahn-Streiks ist es aber auch schon vorgekommen, dass der 17-Jährige gestrandet ist. Diese Nächte verbrachte er dann am Flughafen – „auf einer Bank im Abflugbereich. Das machen sehr viele Leute, die einen frühen Flug gebucht haben. Da fällt man gar nicht auf.“

Softwareentwickler für ein IT-Start-up aus Köln

Seine Arbeit kann der Fockbeker ganz einfach während der Fahrt erledigen: Er ist Softwareentwickler für ein IT-Start-up aus Köln. Immer wieder steuert er auch gezielt Orte für Wanderungen und Stadtbesichtigungen an. So ist der 17-Jährige beispielsweise regelmäßig in Westerland auf Sylt zu Gast.

Ständig dabei: seine Fahrkarte. Die Bahncard 100 kostet für Stolley im Jugendtarif 5888 Euro. Insgesamt zahlt er für seinen Lebensunterhalt zirka 10000 Euro im Jahr.

Fast 6000 Stunden verbrachte der Fockbeker mittlerweile in Zügen, er ist deutschlandweit unterwegs. „Ich hab jetzt einen gewissen Erfahrungsschatz.“ Gerne würde er seine Erkenntnisse gegen eine Vergütung mit der Bahn teilen: „Es gibt einige Sachen, die man ändern könnte.“

Viel Verbesserungspotenzial bei der Bahn

Als Beispiel nennt er die Kommunikation gegenüber den Fahrgästen: Diese müssten früher informiert werden, wenn Verbindungen ausfallen oder sich verspäten. Bleibt ein Zug auf offener Strecke stehen, gebe es oftmals überhaupt keine Durchsage mit einer Begründung. Vor allem in Bezug auf digitale Information bestehe Nachholbedarf. Als Beispiel nennt der 17-Jährige die Kommunikation zum nun beendeten 35-Stunden-Streik: Diese erfolgte am vergangenen Dienstag in Berlin, wo sich Stolley zum Zeitpunkt des Gesprächs mit unserer Redaktion gerade befand, per Whiteboard. „Das ist nicht ganz mit der Zeit.“

In Sachen Pünktlichkeit sei die Bahn übrigens insgesamt besser als ihr Ruf, versichert er. Doch auch er habe schon Tage erlebt, an denen nichts funktionierte. In Erinnerung geblieben ist ihm eine Tour, die ihn eigentlich von Frankfurt nach Hamburg führen sollte. Doch dann endete der Zug plötzlich am Düsseldorfer Flughafen. Lasse Stolley legte anschließend einen dreistündigen Fußmarsch zum Bahnhof Düsseldorf ein, um dort wieder in einen Zug zu steigen.

Immer in Bewegung ist der 17-Jährige überall und nirgends zu Hause. Doch ein Fixpunkt bleibt: Alle vier bis fünf Wochen steuert er den Rendsburger Bahnhof an, um seine Eltern in Fockbek zu besuchen. Diese waren übrigens erst skeptisch, doch mittlerweile unterstützen sie ihn.

Wie lange will Lasse Stolley noch auf der Schiene leben? „Es ist eine tolle Phase, aber auch die wird irgendwann ein Ende haben. Das kann in einem Jahr sein. Oder auch in fünf Jahren. Aktuell macht es sehr viel Spaß.“