Stauexperten setzen auf Corona-EffektKein Chaos zum Ferienstart in NRW erwartet

Zwölf Bildschirme hat Branco Seromenho in der Verkehrsleitzentrale in Leverkusen ständig im Blick.
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- Nur noch ein paar Tage bis zum Ferienbeginn in NRW.
- Traditionell setzten sich viele Familien gleich am Freitagmittag nach der Schule ins Auto.
- Diesmal haben sie gute Aussichten, ohne größeres Stau-Chaos an die Nord- und Ostsee oder nach Bayern zu kommen.
Leverkusen – Branco Seromenho (52) arbeitet an zwölf Bildschirmen in der fensterlosen NRW-Verkehrsleitzentrale in Leverkusen. Sein Job ist es, Staus in NRW zu verhindern. Kaum jemand kennt die 2200 Kilometer Autobahn im Land so gut wie der gebürtige Portugiese und seine Kollegen. Wenn am Freitag nach Schulschluss das bevölkerungsreichste Bundesland in die Sommerferien startet, rechnet der Experte nicht mit Stau-Chaos und Zusammenbruch: „Ich glaube nicht an Vollstau, die Leute bleiben lieber vor Ort“, sagt er.
Eineinviertel Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown spüren die Fachleute immer noch deutlich die Folgen der Pandemie. „Wir haben jetzt wieder 90 bis 95 Prozent der Vor-Corona-Belastung“, sagt Seromenhos Chef, der Abteilungsleiter Verkehrssteuerung bei der Autobahn-Gesellschaft, Thomas Wietholt. „Aber das bedeutet nur etwa 50 Prozent Stau.“ Denn Verkehrszusammenbrüche entstünden eben vermehrt bei Vollauslastung oder Überlastung der Strecken – und das sei derzeit eher nicht zu erwarten.
Bei Seromenho zeigt sich das auf den zwölf Bildschirmen: Fast überall in NRW grünes Licht an den Strecken und das an einem Werktag im Nachmittagsberufsverkehr. „Vor Corona hätten wir jetzt um die 200 Kilometer Stau in NRW gehabt“, sagt der Operator. Aktuell sind es an diesem Donnerstagnachmittag 81.
Neuralgische Punkte sind die Baustellen
Neuralgische Punkte sehen die Verkehrsexperten natürlich trotzdem, vor allem da, wo gebaut wird. Beispiele sind die Brückenbauarbeiten an der A 1 zwischen Volmarstein und Dortmund/Unna, ein „stauanfälliger Engpass“, sowie die wichtige Nord-Süd-Autobahn A3 unter anderem wegen der Arbeiten an Lärmschutzwänden in Köln und die A2 am Kreuz Bad Oeynhausen, wo schon seit Sommer 2020 bis zum Ende der diesjährigen Sommerferien die Weserbrücke repariert wird.
Viele Staus 2020
20 000
Staumeldungen gab es laut ADAC im vergangenen Jahr in den Sommerferien, Gesamtlänge mehr als 23 000 Kilometer. Dabei gab es die höchsten Belastungen in der letzten Ferienwoche.
A1, A2, A3, die „Sauerlandlinie“ A45, die A 61 und die Autobahnen rund um Köln - das sind die Klassiker bei den alljährlichen Ferien-Stauwarnungen des ADAC. Doch auch der ADAC ist optimistisch. „Wir rechnen mit vollen Autobahnen, ein Stau-Chaos wie in den Jahren vor der Corona-Pandemie erwarten wir aber nicht“, sagt ADAC-Nordrhein-Verkehrsexperte Professor Roman Suthold. Schließlich hätten in fünf Bundesländern die Ferien bereits begonnen.
Wenn es in diesem Sommer doch wieder stockt und sich die Streckensymbole auf den Rechnern in der Leverkusener Zentrale rot einfärben, hat Stau-Manager Seromenho mehrere Möglichkeiten: Er kann an 570 Streckenkilometern im Land auf Anzeigetafeln über der Autobahn das Tempolimit herabsetzen. Das lässt die Fahrzeuge gleichmäßiger fließen und verhindert die Gefahr von Auffahrunfällen.
Daneben gibt es dynamische Wegweiser – steuerbare Anzeigetafeln – auf denen die Zentrale den Autofahrern Umleitungen anzeigen kann. Und wenn alle Stricke reißen, kann Seromenho an einigen Stellen im Netz – an der A 3, A 4, A 57 und A 45 – vorübergehend den Seitenstreifen für den Verkehr freigeben. „Vorher gucken wir aber über Kameras am Straßenrand genau, ob da nichts im Weg steht oder auf der Straße liegt“, sagt der Stau-Bekämpfer. (dpa)