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TikTok-MusikerinDas jähe Ende von Jillians und Michaels Beziehung

Lesezeit 6 Minuten
Jillian war geschockt von der Trennung - da ist Herzschmerz vorprogrammiert.

Jillian war geschockt von der Trennung - da ist Herzschmerz vorprogrammiert.

Die Musikerin Jillian Lavin ist geschockt, als ihr Freund sich per Brief von ihr trennt. Sie veröffentlicht ein Video darüber – und macht nun als Sängerin Karriere.

Dass „es irgendwann besser wird“, will niemand hören, der gerade verlassen wurde. Bei dem es sich anfühlt, als ramme ihm jemand ein Messer in die Brust, immer und immer wieder, oder als habe sich der Magen in einen unauflösbaren Knoten verwandelt. Der keinen Tag durchsteht, ohne in Tränen auszubrechen, keiner Unterhaltung folgen kann, ohne daran zu denken, wie sehr die andere Person fehlt. Wie allein man sich fühlt, weil niemand versteht, was man gerade durchmacht. Wie endlos die Dinge sind, die einen an den Menschen erinnern, den man so sehr liebt und der einen nicht zurückliebt. Nicht mehr. So geht es Jillian Lavin als sie im September 2024 von ihrem Freund verlassen wird – plötzlich, ohne Vorwarnung, und kurz nachdem sie für ihn ans andere Ende des Landes gezogen ist. Hätte ihr damals jemand gesagt, dass sie über die Trennung nicht nur irgendwann hinweg sein, sondern aus ihr sogar Profit schlagen würde, sie hätte es wohl nicht geglaubt. Die Geschichte von Jillian und Michael, der eigentlich anders heißt, beginnt wie in einem Jugendroman. Die beiden lernen sich als Teenager übers Internet kennen, werden Freunde, ohne sich je persönlich zu treffen. Michael lebt in Texas, Jillian in New York. Eine Weile sind sie heimlich ineinander verliebt. Irgendwann verlieren sie den Kontakt. Mit Mitte 20 zieht Jillian nach Los Angeles. Auf dem Weg dorthin kommt sie an Michaels Heimatstadt vorbei. Sie haben kurz vorher wieder angefangen, miteinander zu schreiben – und sehen sich nun zum ersten Mal in echt. Sie werden ein Paar, er zieht zu ihr nach L.A.

Eine Liebe wie aus dem Buche

Für etwa zwei Jahre leben sie glücklich zusammen in L.A. Jillian macht Musik, Michael arbeitet in der Tech-Branche. Sie verbindet die Leidenschaft für ihren jeweiligen Beruf, aber auch ein ähnlicher Humor und gleiche Werte. „Er war einfach mein Seelenverwandter“, sagt Jillian. Doch plötzlich verändert sich Michael. Er ist oft schlecht drauf, deprimiert, und sagt, dass es vielleicht besser wäre, wenn sie sich trennten. Außerdem will er zurück nach Texas ziehen, um näher bei seinem Vater zu sein und ein einfacheres, bodenständigeres Leben zu führen. Jillian versteht die Welt nicht mehr. Sie bittet Michael, noch mal darüber nachzudenken, sagt, dass sie bereit ist, an allen Problemen zu arbeiten.

Plötzlich will Michael nach Texas

Michael ist einverstanden, aber will, dass Jillian mit ihm nach Texas kommt. Doch für sie steht viel auf dem Spiel: Los Angeles ist eine internationale Musikstadt, außerdem hat sie hier Freunde und eine Impro-Gruppe. Sie bittet ihn, erst mal eine Paartherapie zu beginnen. Um alle Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen. „Die Therapie lief super“, sagt Jillian, „wir sind als Paar gewachsen und kamen uns – aus meiner Sicht – noch näher.“ Auch über ihre Zukunft sprechen sie in dieser Zeit viel. Sie wollen sich ein gemeinsames Leben aufbauen. Kinder sind kein Thema, wichtiger ist ihnen Freiraum, um kreativ zu sein und Dinge zu erschaffen. Letztlich willigt Jillian ein, nach Texas zu ziehen. Um ihre finanziellen Einbußen auszugleichen, die durch den Wegzug entstehen würden, kauft Michael das Haus, kündigt an, den Großteil der laufenden Kosten zu übernehmen. „In dieser Zeit waren wir sehr glücklich und ich dachte, wir verbringen den Rest unseres Lebens zusammen, heiraten irgendwann“, sagt Jillian.

„Wir passen einfach nicht zusammen“

Also packt sie ihre Sachen, ihre Musikausstattung und ihre Katze, zieht nach Texas. Streicht Wände, baut Möbel, richtet sich in ihrem neuen Leben ein. Einen Monat nach dem Einzug fährt Michael mit seiner Familie in den Urlaub. Als er nach ein paar Tagen zurückkommt, überreicht er Jillian einen Zettel. Auf dem steht: „Es tut mir leid, aber wir passen einfach nicht zusammen und wir haben nichts gemeinsam.“ Jillian kann nicht fassen, was da gerade passiert. „Wir haben einen Tag vorher noch ein Sofa zusammen ausgesucht“, sagt sie. Sie fragt Michael, was er damit meint, dass sie nicht zusammenpassen – und bekommt keine wirkliche Antwort. Nur, dass er auf der Zugfahrt nach Hause Zeit gehabt habe, nachzudenken, und ihm dabei klar geworden sei, dass es für sie zusammen keine Zukunft gebe. „Ich verstehe das nicht“, sagt Jillian immer wieder, „ich verstehe das nicht. Ich verstehe das nicht. Ich bin für dich nach Texas gezogen. Ich verstehe das nicht.“ – „Ich weiß“, sagt Michael nur. Zwei Tage später sitzt Jillian mit ihrer Katze und ihren Sachen im Auto und fährt zu ihrer Mutter nach Florida, 18 Stunden lang. Sie weint und weint und stellt alle möglichen Theorien auf, warum Michael sie verlassen haben könnte. „Am Ende glaube ich, dass er einfach kalte Füße bekommen hat“, sagt sie heute.

Trennungs-Video geht viral

In Florida angekommen, zieht Jillian wieder bei ihrer Mutter ein. Schließlich hat sie in L.A. alles aufgegeben, ihr komplettes Erspartes aufgebraucht, um nach Texas zu ziehen. Um nicht völlig durchzudrehen, fängt sie an, Kostüme zu basteln, schreibt Songs, macht Musik. Und nach ein paar Wochen auch ein Video, das alles verändert. Sie schneidet Fotos und kurze Videos aus ihrer Beziehung mit Michael zusammen (ihn macht sie dabei mit einem Alien-Emoji unkenntlich) und unterlegt diese mit einem nölend-schief gesungenem Song, in dem sie ihre Geschichte erzählt. Das Video, das Jillian unter ihrem Künstlernamen Spritely postet, geht viral – mehr als 60 Millionen Menschen sehen es auf Tiktok und Instagram, Jillian wird in Morning Shows im Fernsehen und Podcasts eingeladen. Schon vor dem „Texas Break-up Video“ hatte Spritely eine fünfstellige Followerzahl und verdiente etwas Geld damit, lustige Videos in den sozialen Medien hochzuladen. Doch nun vervielfacht sich die Zahl der Menschen, die ihr folgen, die sich für ihre persönliche Geschichte interessieren. Sie kommentieren die Videos, in denen Jillian über ihren Herzschmerz und den Umgang mit ihrem Ex spricht, erzählen ihre eigenen Trennungsgeschichten oder sprechen einander Mut zu. Sie verbünden sich zu einer Art internationaler Heartbreak-Community, in der man einander unterstützt und durch den Trennungsschmerz hilft. Und die Jillian ermutigt, weiter an ihrer Musikkarriere zu arbeiten.

Trostpreis für die Trauer

„Das ist schon ein ziemlich absurder Trostpreis für all die Trauer, die ich durchgemacht habe“, sagt sie. „Trotzdem würde ich es mittlerweile nicht mehr ungeschehen machen, wenn ich könnte. Ich bin als Künstlerin jetzt viel stärker als vorher, als ich mich für ihn klein gemacht habe.“ Dass sie öffentlich über das unschöne Beziehungsende spricht, gefalle ihrem Exfreund gar nicht, sagt Jillian. „Aber er wollte nicht mit mir sprechen, also habe ich mir einen anderen Weg gesucht, mit meinen Gefühlen umzugehen.“

Ganzes Album in der Mache

Einen Plattenvertrag hat ihr die Geschichte zwar noch nicht eingebracht. Aber vor Kurzem hat sie den Song „Before I Fall Apart“ veröffentlicht, der in den ersten Tagen nach der Trennung entstanden ist. Bald soll ein Album folgen. Außerdem sucht sie gerade nach einer Wohnung in Nashville, der anderen großen Musikstadt der USA. Es ist eine Gemeinheit, dass man in Momenten des größten Herzschmerzes nicht wissen kann, was daraus in der Zukunft erwachsen wird. Man kann nur versuchen, denjenigen zu glauben, die aus Erfahrung versprechen: Es wird besser.

Dieser Artikel erschien zuerst im „Tagesspiegel“ in Berlin.