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AGB-CheckMuss ich das Kleingedruckte ganz lesen?

6 min

Klein, aber oho: Für Online-AGB gibt es formale Vorschriften.

Den Text schnell nach unten gescrollt, das Häkchen gesetzt, den Button geklickt - und schon ist das Kleingedruckte akzeptiert. Was vielen nicht immer bewusst ist: Diese Klicks zählen wie eine Unterschrift auf Papier. Daher sollte man auch am Monitor zumindest die wichtigsten Passagen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) überfliegen.

Doch selbst gestandene Juristen tun sich die oft umfangreichen Bedingungen privat nicht an. „Ich lese auch nicht alle AGB durch“, bekennt IT-Fachanwalt Hagen Hild aus Augsburg. „Sonst würde ich wahrscheinlich nichts anderes mehr machen.“ Und auch Rechtsanwalt Thomas Bradler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf gibt Entwarnung: „Man kann relativ ruhigen Gewissens darauf verzichten, sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Detail durchzulesen.“

Für die Gelassenheit der Juristen gibt es einen einfachen Grund: Unternehmen haben nur wenig Möglichkeiten, in das Recht der Verbraucher einzugreifen. „Man kann von den gesetzlichen Regelungen nur ganz wenig abweichen“, erklärt Julia Rehberg, Juristin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. „Der Verbraucherschutz ist schon ganz gut.“ Außerdem haben Klauseln, die nicht dem Gesetz entsprechen, keinen Bestand, erklärt Thomas Bradler. „Regelungen in den AGB, die den Verbraucher unangemessen benachteiligen, sind stets unwirksam.“

Bei Reiseangeboten im Internet gibt es viele Fallstricke. Nutzer sollten deshalb bei jedem Klick genau hinschauen, warnt die Zeitschrift „Computerbild“ (Ausgabe 7/2013), die 15 Online-Reisebüros getestet hat. So zeigt die Suche vieler Portale zum Beispiel zunächst eine große Zahl unschlagbar günstiger Angebote an. Erst bei einem Klick darauf zeigt sich, dass einige der Schnäppchen gar nicht mehr verfügbar sind.

Ist die Wunschreise ausgewählt und noch erhältlich, lauern weitere kleine Gemeinheiten: So sind Versicherungen, über die die Anbieter per Gesetz informieren müssen, bei einigen Reisebüros schon vorausgewählt. Entfernt der Nutzer das Häkchen nicht, wird seine Reise schlagartig teurer. Andere Portale schlagen nicht nachvollziehbare Servicegebühren auf, vor allem wenn Kunden statt einer Pauschalreise nur einen Flug buchen.

Beliebt sind außerdem Tricks mit der Zahlungsart: Ohne Zusatzkosten bezahlen können Urlauber meist nur per Rechnung und Überweisung. Für Kreditkarten- und Lastschriftzahlung werden teils heftige Gebühren fällig. In Einzelfällen werden diese sogar erst nach Abschluss der Buchung aufgeschlagen. Verbraucher sollten daher darauf achten, dass sie die Zahlungsart schon vor dem finalen Klick auswählen können und die Transaktion ansonsten lieber abbrechen.

Betreiber von Online-Buchläden sammeln zahlreiche Daten über ihre Kunden und Besucher - oder räumen sich zumindest entsprechende Rechte ein. „Da wird die gesamte Nutzung protokolliert“, sagt Christian Gollner von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Welche Daten das genau sind, verrät ein Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und Datenschutzbestimmungen der Händler.

Viele Anbieter speichern demnach zum Beispiel nicht nur Titel und Verfasser gekaufter Bücher, sondern auch das dafür genutzte Gerät, Markierungen und Lesezeichen. Aus den gesammelten Daten können die Buchhändler Profile erstellen, etwa für personalisierte Werbung.

Wer nicht so viel über sich verraten will, sollte vor dem Kauf das Kleingedruckte eines Anbieters gründlich studieren. Wichtig ist dabei unter anderem, ob der Händler die Daten weitergeben darf. Oft können Kunden im E-Book-Reader oder einer App auch selbst auswählen, welche Daten gespeichert werden sollen. Markierungen oder Lesezeichen sind oft abschaltbar.

„Video on Demand“-Anbieter schicken Spielfilme und TV-Serien über die DSL-Leitung direkt zum Fernseher. Das ist bequem, aber auch teuer. Auf jeden Fall lohnt sich vor dem Videoabend ein Blick in die Geschäftsbedingungen der Online-Videotheken. Zwar lässt sich ein Vertrag zum Beispiel meistens komfortabel online per Mausklick abschließen. Die Kündigung muss dagegen per Post beim Anbieter eingehen.

Es gibt viele Beispiele für unrechtmäßige und damit ungültige Regelungen. „Ein Klassiker der unwirksamen AGB-Klauseln sind ausufernde Kündigungsvorbehalte, durch die sich der Anbieter vorbehält, bei missbräuchlicher Nutzung einer Leistung den Vertrag sofort außerordentlich zu kündigen“, erklärt Bradler. Das sei nicht zulässig. Grundsätzlich müsse der Nutzer zuerst abgemahnt werden, bevor der Vertrag gekündigt werden darf.

Außerdem sei der Begriff der missbräuchlichen Nutzung zu unbestimmt, sagt Bradler. „Da müsste in den AGB konkret bestimmt werden, was darunter zu verstehen ist.“ Unzulässig sei es auch, wenn in den Geschäftsbedingungen überraschende Zusatzkosten versteckt werden: „Über alle anfallenden Kosten muss der Kunde transparent informiert werden.“

Fachanwalt Hild stößt immer wieder auf viele unwirksame Klauseln in AGB. „Bei einem Shop-Anbieter hatten wir sogar einmal den Fall, dass fast alle Klauseln in den AGB unwirksam waren, insgesamt 40“, berichtet der Jurist. Auch bei den Verbraucherzentralen gibt es viele Beschwerden über mangelhafte Geschäftsbedingungen. „Die Anbieter schießen oft über das Ziel hinaus“, erzählt Thomas Bradler. „Die Verbraucherzentralen haben dann die Möglichkeit, die Kunden bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen und die Unternehmen wegen fehlerhafter AGB abzumahnen.“

Rechte nur schwer durchsetzbar

Allerdings ist es nach Erfahrung von Hagen Hild gar nicht so einfach, gegen unwirksame AGB-Regelungen vorzugehen: „Verbraucher tun sich wahnsinnig schwer, ihre Rechte durchzusetzen. Oft gehe es um Streitwerte, die den wirtschaftlichen Totalschaden bedeuten könnten.

Es gibt auch AGB-Klauseln, die zwar gesetzlich zulässig, aber ziemlich verbraucherunfreundlich sind. „Insofern macht es schon Sinn, da reinzugucken“, sagt Verbraucherschützerin Rehberg. Das ist besonders dann wichtig, wenn es um einen Vertragsabschluss bei Dienstleistungen geht, also etwa um einen Stromvertrag oder ein Zeitungsabo, erklärt Anwalt Hild. „Dort sollte man sich vor allem die Kündigungsbedingungen anschauen beziehungsweise, ob sich der Vertrag automatisch verlängert.“

Wie verbraucherfreundlich oder -unfreundlich die Geschäftsbedingungen von Online-Größen wie Facebook, Google, Microsoft oder Amazon sind, prüft die englischsprachige Seite „Terms of Service; Didn't Read“. Vollständig geprüfte AGB werden in Kategorien von A (sehr gut) bis B (sehr schlecht) eingeteilt.

Wichtige Passagen überfliegen

Für Online-AGB gibt es formale Vorschriften. So muss der Kunde die Möglichkeit haben, die Geschäftsbedingungen beim Abschluss zur Kenntnis zu nehmen, wie Thomas Bradler erklärt: „Das kann dadurch geschehen, dass diese ihm angezeigt werden oder sie über einen entsprechenden Link aufrufbar sind.“

Damit die AGB dann auch wirksam werden, muss der Verbraucher auf ihre Einbeziehung hingewiesen werden, erklärt Bradler. In der Praxis geschieht das durch das Setzen eines Häkchens. Nach Vertragsabschluss müssen dem Kunden die AGB zugeschickt werden, wobei eine Mail reicht.

Auch wenn man die AGB nicht komplett lesen mag, zumindest die wichtigsten Passagen sollte man vor Vertragsabschluss überfliegen. Denn oft sind die Geschäftsbedingungen zu sehr aus Unternehmenssicht formuliert. „AGB sind kein Wunschzettel“, sagt aber Anwalt Hild. „Der Anbieter kann darin nicht einfach festlegen, was ihm gefällt. Da müssen Kunden aufpassen, dass sie nicht zu gutgläubig sind.“ (dpa)