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Betriebe vor dem Aus?Schlachthöfen gehen die Schweine aus und die Kosten steigen

Lesezeit 3 Minuten

800.000 Schweine pro Woche werden derzeit in Deutschland geschlachtet – ein deutlicher Rückgang, der die Betriebe finanziell belastet.

Berlin – Mit dem Schwein in Deutschland geht es bergab. Zuletzt bestätigte das die Versorgungsbilanz, die von staatlichen Stellen erhoben wird und zeigt, wie viel Fleisch gegessen wird. Das Ergebnis für das Jahr 2021: Auf den Tellern landeten pro Kopf etwa 31 Kilogramm Schweinefleisch. Das ist zwar immer noch viel. 2011 waren es aber noch mehr als 40 Kilogramm.

Deutschen vergeht zunehmend der Appetit auf Schwein

Den Deutschen ist der Appetit aufs Schwein vergangen. Das spüren auch die Schweine-Schlachter hierzulande. Der Absatz im Inland geht zurück. Zugleich stockt der Export aufgrund von Restriktionen, weil in Deutschland die Afrikanische Schweinepest grassiert. Und dann wird rund um den Ukraine-Krieg auch noch alles teurer, was für die Schlachtung benötigt wird: Arbeitskräfte, Energie, Logistik, Verpackung und, ja, auch das Wichtigste: das Schwein.

Branchenanalyst Klaus-Martin Fischer von der Beratung „Ebner Stolz“ kommt bei der Addition aller Probleme zu einem klaren Ergebnis: „Die Konsolidierung ist ein großes Thema in der Branche. Von Standortschließungen bis hin zu einzelnen Unternehmen, die bereits wackeln und den Markt verlassen, ist derzeit alles denkbar.“

Der Verband der Fleischwirtschaft (VdF), die Dachorganisation der Fleischproduzenten, teilt mit, man könne sich nicht zu den Plänen einzelner Mitgliedsunternehmen äußern. Aber dass entsprechende drastische Schritte bevorstehen könnten, dementiert der VdF nicht. Die Situation sei ausgesprochen angespannt, so Vorstand Hubert Kelliger.

Schlachtbetriebe zahlen bei Schweinefleisch-Preisen derzeit obendrauf

Und die Probleme werden immer größer, denn die Preise für Schweinefleisch erreichen immer neue Dimensionen. Damit gemeint ist der Preis, den Schlachthöfe an Bauern pro Kilo Lebendgewicht zahlen. Analyst Fischer sagt: „Im Moment legen die Schlachtbetriebe bei jedem Schwein Geld obendrauf.“

Momentan liegt der Preis pro Kilo Schlachtgewicht bei etwa zwei Euro. Tendenz steigend. Torsten Staack, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), sagt: „Wir stoßen jetzt in vollkommen unbekannte Regionen vor. Wir werden Preise von 2,50 bis 2,60 Euro pro Kilo sehen müssen. Das hat es noch nie gegeben.“ Der Bauernvertreter sagt, die Summe sei aber auch für Bauern dringend notwendig. Denn auch auf den Bauernhöfen sind die Kosten deutlich gestiegen – für Energie, für Futter und so weiter.

Die Folge: Aufgrund der hohen Kosten und weil einige Landwirte bereits spekulieren, dass der Schweinepreis weiter steigen wird, lassen sie ihre Ställe erst einmal leer. Andere Bauern sind entweder schon aus der Tierhaltung ausgestiegen oder stehen kurz davor. Es fehlt ihnen an Perspektive. ISN-Geschäftsführer Staack sagt: „Niemand sagt derzeit, wie genau der Stall der Zukunft aussehen, geschweige denn genehmigt oder finanziert werden soll. Trotz der gestiegenen Preise ist das vielen Schweinehaltern deutlich zu riskant.“

Betriebe schlachten weniger, Kosten für vorhandene Kapazitäten bleiben

Das hat Folgen für die Schlachthöfe. Branchen-Analyst Fischer bringt das so auf den Punkt: „Wo nichts ist, kann auch nichts geschlachtet werden.“ Derzeit würden noch um die 800.000 Schweine pro Woche in Deutschland geschlachtet. „Tendenz abnehmend.“ Bis vor wenigen Wochen seien es noch 1,1 Millionen Tiere gewesen. „Die Kapazitäten in den Betrieben werden derzeit nicht benötigt, verursachen aber enorme Kosten, da die führenden Schlachtbetriebe auf Menge kalkuliert sind“, sagt Fischer. Er geht davon aus, dass die Kapazitäten auf absehbare Zeit auch nicht mehr benötigt werden.

Was kann helfen? Hubert Kelliger vom VdF sagt: „Die Politik muss jetzt einen Strukturbruch in Deutschland verhindern, wenn wir auch weiterhin die Versorgung mit Fleisch aus eigener Erzeugung [...] sichern wollen.“ Er fordert Klarheit bei den künftigen Haltungsbedingungen der Schweine, damit Bauern wieder investieren. Und auch den Export von Schweinefleisch soll die Bundesregierung wieder ankurbeln.

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Analyst Fischer macht aber wenig Hoffnung, dass Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) den Unternehmen zur Seite springt: „Die Schlachtbranche hat keine politischen Fürsprecher mehr. Früher gab es von der Politik Rückenwind. Diese Zeiten aber sind vorbei – für immer.“ Es werde keine Hilfsprogramme geben, lautet seine Prognose.