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Brenzlige AngelegenheitFirma aus Lünen ist spezialisiert auf Entsorgung von Akkus

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Geschäftsführer Robert Sonnenschein sieht großes Potenzial für die Remondis-Marke Retron auf dem Batterie-Markt. 

Lünen/Köln – Das Visier ist unten. Die Hände stecken in schweren Schutzhandschuhen. Der Griff geht zur hydraulischen Schere. Neben dem Feuerwehrmann ein Hochsicherheitsbehälter: dicke Wände, schwere Riegel, Ventile zum Entgasen. Alles ist bereit. Bereit um eine Batterie aus einem E-Scooter zu trennen und zu entsorgen.

Eine Szene aus Köln, als im vergangenen September der erste dieser elektrischen Leihroller aus dem Rheinauhafen gefischt wurde. Was für ein Aufwand. Für einen eher kleinen Akku aus einem Roller. Wie soll das erst werden, wenn ab 2030 die großen Autohersteller wirklich auf E-Motoren umstellen, die Mobilität in der Republik tatsächlich zum großen Teil von Batteriezellen angetrieben werden soll? Was passiert eigentlich mit den Akkus, wenn sie ihren Geist aufgeben?

Die Rundschau macht sich auf den Weg nach Lünen, zum Hauptsitz des Unternehmens Remondis, das mit seiner Marke Retron deutschlandweit führend ist, wenn es um das Entsorgen und Recyceln von Batterien geht. Mag es ein Akku aus einem Handy sein oder aus einem Mercedes EQS.

Gefahr der Überhitzung bei Akkus

Robert Sonnenschein macht einen entspannten Eindruck. Warum sollte er auch nicht? Vielleicht weil der Diplomingenieur in einer der umtriebigsten Geschäftssparten des Unternehmens Remondis arbeitet. Als Mitglied der Geschäftsführung für den Industrie Service ist er unter anderem zuständig für die Marke Retron. Deren Renner auf dem Markt: Sicherheitsbehälter, wie einer davon am Rheinauhafen stand.

„Vor sechs Jahren haben wir Retron ins Leben gerufen“, erzählt Sonnenschein. „Da gab es die ersten Brände bei Batterien aus E-Bikes. Das mit den Lithium-Ionen-Akkus ging da gerade erst los.“ Und mittlerweile geht es ab. „In den vergangenen beiden Jahren ist sehr viel in Bewegung gekommen. Wöchentlich gibt es neue Entwicklungen“, sagt der Ingenieur.

Was den Markt für die Batterie-Transporte „befeuert“: „Die Gefahr der Überhitzung“, erklärt Sonnenschein. Starke Sonneneinstrahlung, Feuer oder ein Kurzschluss und es kann zu einer Kettenreaktion kommen. Der Ingenieur spricht von einem „thermischen Durchgehprozess“. Die in Reihe geschalteten Batteriezellen zünden, eine nach der anderen. „Wenn das schnell geschieht, kommt das einer Explosion gleich.“ Ob schnell oder langsam, auf jeden Fall wird es brenzlig: „Das Elektrolyt, nichts anderes als ein Lösungsmittel, hat eine hohe Brenntemperatur.“

Akku-Transportbehälter muss Temperaturen bis 1000 Grad aushalten

Damit sind die Parameter für die Entwicklung eines sicheren Transportbehälters vorgegeben. „Er muss eine Temperatur in der Spitze von 1000 Grad innen aushalten und insgesamt drei Tage lang brandsicher sein. Das Elektrolyt verdampft bei 90 Grad. Das kann zu einer Explosion führen.“, so der Experte. „Es braucht also Ventile zur Entgasung.“ Damit eine mögliche Explosion nicht zu viel freien Raum zur Entfaltung findet, gibt es feuerfeste Kissen, die das Volumen verringern.

Das Gas muss raus, aber die Flammen müssen drin bleiben. „Dafür sorgen Flammdurchschlagssicherungen“, erklärt Sonnenschein. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung hat die Kisten abgenommen, die Remondis in sechs verschiedenen Größen vorhält. In die kleinste können Handy-Akkus „reingeschüttet“ werden, in der größten findet eine Batterie aus einem Pkw Platz.

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Millionen von Akkus und für jeden braucht es diese Behälter? Nein. Nur wenn es kritisch wird. Wenn eben nicht sichergestellt werden kann, dass die Batterie unversehrt ist. Dafür kann es jedoch reichen, die Batterie fallen zu lassen. Bewertet wird der Zustand in drei Kategorien. Grün: Der Akku hat einfach nur sein Lebensende erreicht. Gelb: Er ist defekt, aber nicht kritisch. Rot: Er ist kritisch, die Box muss her. „Bei der Einordnung müssen wir uns auf die Angaben unserer Kunden verlassen“, sagt Sonnenschein. Darüber hinaus liegt es im Ermessen des Unternehmens, ob eine Gefahr für die „elektrisch unterwiesenen“ Transporteure besteht.

Aus Rhein gefischt: Scooter-Batterien kommen in Spezialbehälter

Auf Rot standen die Signale bei den aus dem Rhein gefischten Scooter-Batterien. In einem Sicherheitsbehälter traten sie den Weg nach Lünen an. Remondis befreite sie von ihren Ummantelungen und Kabeln. Soweit reicht bisher der Geschäftsbereich der Batterieentsorgung des Unternehmens. Bisher. „Für das weitere Recycling der Akkus arbeiten wir noch mit Partnern zusammen. Wir denken aber darüber nach, in den Markt einzusteigen“, sagt Sonnenschein.

Das Unternehmen wird sich dann wohl für eines der beiden Recyclingverfahren entscheiden, die heute angewandt werden. Variante eins: In einem thermischen Prozess werden mit einer Schmelze von 1500 Grad die Metalle Nickel, Kobalt, Mangan und Lithium aus der Kathode der Batterie gelöst und anschließend in einem chemischen Prozess sauber von einander getrennt. Variante zwei: Nach dem Schreddern der Batterie werden die Metalle durch eine Vakuumdestillation zurückgewonnen und dann wiederum durch eine chemischen Prozess voneinander getrennt. Der Vorteil an dieser Methode: Dabei kann auch das Graphit aus der Anode der Batterie wiedergewonnen werden.

Lithium ist das Gold der Batterie-Branche

Es braucht keinen Ingenieur, um zu erkennen, die Verfahren sind energie- und kostenintensiv. „Das trifft vor allem für die Aufarbeitung des Lithiums zu“, bestätigt Sonnenschein. Für die Hersteller ist es in der Regel preiswerter, auf abgebautes Lithium zurückzugreifen, anstatt recyceltes zu verwenden. Noch. Denn Lithium ist endlich. Sein Abbau steht wegen der Schäden für Mensch und Umwelt in der Kritik. Und die Politik macht Druck: „Die EU-Kommission hat entschieden, dass ab 2026 der Anteil von wiedergewonnen Metallen in den Batterien sukzessive steigen muss, nicht zuletzt der von Lithium“, sagt Sonnenschein.

Ein Grund, warum Remondis damit liebäugelt, die ganze Verwertungskette abzudecken. Ein anderer: „Eine Studie bestätigt, 97 Prozent der Batterie ist bereits recycelbar – und das geschieht auch“, sagt der Geschäftsführer. Und es geht noch mehr: „Unter Versuchsbedingungen ist es auch schon gelungen, eine neue Batterie aus 100 Prozent recyceltem Material zu produzieren“, ist der Ingenieur elektrisiert. Und er weiß, es wird nicht all zulange brauchen, bis das Stand der Technik ist. Denn so atemberaubend die Beschleunigung eines E-Motors sein kann, so rasant entwickelt sich der Markt um die Aggregate.