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Heizkraftwerk muss schließenEnergiewende macht konventionelle Kraftwerke unrentabel

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kraftwerk gera

Im Jahr 1996 sind die Gaskraftwerke Gera-Nord und Gera-Süd ans Netz gegangen und sollten rund 30 Jahre Strom und Fernwärme liefern.

Gera – Vom Gewinnbringer zum Sorgenkind: Durch die Energiewende sehen sich etliche Stromkonzerne gezwungen, konventionelle Kraftwerke einzumotten. Der Trend macht auch vor kommunalen Energieversorgern nicht Halt.

Im Heizkraftwerk Gera-Nord gibt es einiges doppelt: Zwei Essen ragen an der Autobahn 4 in die Höhe und zwei gasbetriebene Turbinenblöcke liefern Strom und Wärme. „Das sind die Herzstücke des Kraftwerks“, sagt Torsten Reinhold von der Energieversorgung Gera (EGG). An diesem Sommertag schlägt das Kraftwerk aber nur mit einem Herz und selbst das nur mit deutlich reduzierter Kraft. Wie so oft in letzter Zeit. Denn der enorme Zubau von Solar-, Wind- und Biogasanlagen hat den Strommarkt durcheinander gewirbelt. Die Folge: Einstige Gewinnbringer wie das Kraftwerk in Gera sind kaum noch rentabel.

1996 sind die beiden Gaskraftwerke Gera-Nord und Gera-Süd ans Netz gegangen und sollten rund 30 Jahre Strom und Fernwärme liefern. Doch angesichts des veränderten Marktes werden ihre Herzen bald vorzeitig aufhören zu schlagen: 2018 werden sie abgeschaltet. Und das ist kein Einzelfall. Viele Energieversorger haben in den vergangenen Jahren Millionenabschreibungen auf konventionelle Kraftwerke vornehmen müssen - nicht nur Großkonzerne, sondern auch kommunale Unternehmen. „Hauptproblem ist der gesunkene Börsenstrompreis“, erklärt ein Sprecher des Verbandes Kommunaler Unternehmen.

Nur noch halb so lange in Betrieb

Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung wie in Gera haben das Plus, dass sie mit dem Verkauf von Wärme ein zweites Standbein haben. Und selbst im Sommer, wenn wenig Wärme benötigt wird, konnte der Verkauf von Strom einst die Betriebskosten decken. Doch unter heutigen Bedingungen seien solche großen Anlagen nicht flexibel genug und nur noch begrenzt wirtschaftlich zu betreiben, erklärt EGG-Geschäftsführer André Grieser. Die Betriebsdauer habe sich von einst rund 5500 Stunden pro Jahr vor der Energiewende mittlerweile in etwa halbiert, rechnet er vor.

Auch der Absatz von Fernwärme ist in Gera seit 1997 fast um die Hälfte geschrumpft. Grund seien vor allem der Bevölkerungsrückgang und die geringe Wirtschaftskraft in der Stadt, sagt Grieser. So hat auch sein Unternehmen hohe Sonderabschreibungen auf die Kraftwerke vornehmen müssen. Allein 2013 seien es 19,6 Millionen Euro gewesen - ein Grund für die Misere des Geraer Stadtwerke-Verbundes.

Aus dem Geschäft aussteigen will man in Gera aber nicht. Stattdessen plant EGG-Mutter ENGIE mehr als 39 Millionen Euro in 9 kleinere Blockheizkraftwerke zu investieren, die die beiden Großen ersetzen sollen. „Die Flexibilität steigt dadurch enorm“, betont Grieser. Denn mit den kleineren Anlagen kann das Unternehmen einfacher auf den Strom- und Wärmebedarf reagieren und bei geringer Nachfrage - etwa im Sommer - viele von ihnen ganz abschalten. Zugleich geht damit aber Kapazität für die Stromproduktion vom Netz: Die Spitzenleistung bei elektrischer Energie wird sich auf gut 40 Megawatt etwa halbieren.Wermutstropfen des Vorhabens: Künftig wird weniger Personal benötigt, wie Grieser einräumt. „Es werden Mitarbeiter betroffen sein und dafür müssen wir sozialverträgliche Lösungen finden.“ EGG und die Betriebsgesellschaft der Kraftwerke hatten seinen Angaben nach zuletzt rund 230 Beschäftigte.

Auf das Modell, das in Gera nun umgesetzt wird, setzen auch andere kommunale Energieversorger - etwa in Dortmund und Kiel, heißt es beim Stadtwerkeverband. Letztlich gehe es jeweils um „hochindividuelle betriebswirtschaftliche Entscheidungen“. Anfang der 2020er Jahre sei auch wieder eine Erholung am Strommarkt möglich, weil dann viele große konventionelle Kraftwerke vom Netz gingen. „Es besteht die Hoffnung, dann wieder bessere Preise zu erzielen.“ Manch kommunales Unternehmen mit jüngeren Kraftwerken setze deswegen auch auf das Prinzip Durchhalten. (dpa)