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Insolvenz von AvPJede fünfte Apotheke der Region in Not

3 min
Apotheke

Eine Apothekerin steht in einer Apotheke vor einer ausgezogenen Medikamenten-Schublade.

  1. Die Insolvenz des Abrechnungsdienstleisters AvP trifft Pharmazeuten durch hohe Zahlungsausfälle.
  2. 20 Prozent der Apotheken sehen sich nach Angaben der Apothekerkammer Nordrhein mit einer teils existenzbedrohenden Situation konfrontiert.
  3. Wir zeigen, wie sich die Insolvenz auf die Apotheken der Region auswirkt.

Siegburg – Es muss ein seltsamer Anruf gewesen sein, den Raimund Löffelholz am 7. September erhielt: „Hast du die Abrechnung bekommen?“, fragte einer seiner Apotheker-Kollegen. Davon ging Löffelholz aus, musste aber feststellen, dass es ihm wie seinem Kollegen ging: Ihm war kein einziges Rezept von August bezahlt worden. Der Abrechnungsdienstleister AvP Deutschland, der das Zahlungsgeschäft der Apotheken mit den Krankenkassen abwickelt, ist insolvent. Laut Apothekerkammer Nordrhein nehme die Insolvenz für einige Pharmazeuten existenzbedrohende Züge an, wodurch die Medikamentenversorgung gefährdet sein könnte.

Löffelholz betreibt die St. Rochus Apotheke in Siegburg – seinem Betrieb fehlen 157.000 Euro. Dank des Einspringens der Bank durch einen Kredit sei die Existenz der Apotheke jedoch nicht unmittelbar bedroht. Doch so geht es längst nicht jedem Betrieb. Die AvP kümmert sich um die Rezeptabrechnung von etwa 3500 Apotheken und Krankenhaus-Apotheken in ganz Deutschland. Gerade Pharmazeuten in NRW sind betroffen, da das Unternehmen seinen Sitz in Düsseldorf hat.

20 Prozent in heikler Situation

20 Prozent der Apotheken sehen sich nach Angaben der Apothekerkammer Nordrhein mit einer teils existenzbedrohenden Situation konfrontiert. Durch die Insolvenz seien demnach zwischen 250 und 300 Millionen Euro auf AvP-Konten eingefroren. Die Deutsche Presse-Agentur berichtet, dass der Abrechner seinen Kunden im Durchschnitt schätzungsweise 120 000 Euro schulde. In Einzelfällen sollen Apotheker sogar auf mehr als eine Million Euro Umsatz warten. Die AvP teilte Mitte September mit, dass das Amtsgericht Düsseldorf den Rechtsanwalt Jan-Philipp Hoos zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt habe.

AvD

Das Firmenschild von AvP hängt vor dem Eingang des Gebäudes.

Schon vor Stellung des Insolvenzantrags hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) Ralf Bauer als Geschäftsleiter der AvP ernannt. In einer E-Mail vom 13. September, die dem GA vorliegt, hieß es zunächst, dass „technische Probleme mit Hard- und Software“ der Grund für die fehlenden Auszahlungen seien – zwei Tage später stellte die AvP den Insolvenzantrag beim Amtsgericht Düsseldorf. Der Insolvenzverwalter stand in den vergangenen Tagen nicht für Fragen bereit.

Viele offene Fragen

Tatsächlich bleiben noch viele Fragen ungeklärt. Ob die Gelder sich geschützt auf Treuhandkonten befinden, bleibt bisher unklar. Und auch, ob die Apotheker sich noch Hoffnung auf eine Auszahlung machen können, ist deshalb ungewiss.

„Ich denke – auch wenn viele Kollegen versuchen werden, mit Krediten durchzuhalten –, dass das Apothekensterben dadurch beschleunigt wird“, sagt Jan Möller-Holtkamp, Inhaber der beiden Holtkamp-Apotheken in Sankt Augustin. Auch er betont, dass er keine Panik verbreiten wolle. Sein Unternehmen sei zum Glück nur in einem Teilbereich betroffen, sodass die fehlenden Zahlungen nicht existenzbedrohend seien. Genauso wie sein Kollege Löffelholz ärgert er sich, dass es außer ein „paar warmen Worten“ bislang keine Initiative vonseiten des Staates zur Unterstützung in diesem Katastrophenfall gebe. „Wir Apotheken erfüllen einen gesetzlich und vom Staat definierten Auftrag, die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Da sollte der Staat auch eine gewisse Sorgfaltspflicht uns gegenüber erfüllen und nicht nach dem Motto verfahren: Die Großen fängt man auf, die Kleinen und der Mittelstand gehen uns nichts an“, so der Apotheker aus Sankt Augustin. Dabei sei es der Mittelstand, der einen großen Anteil am Zusammenhalt und Funktionieren der Gesellschaft trage.

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Er hofft auf eine Umgestaltung im Vertragswesen und eine Verbesserung der Aufsicht in den Rechenzentren. „Ich wünsche mir, dass das Abrechnungssystem vereinfacht wird“, findet auch Löffelholz.

Die Verfahren seien vom Gesetzgeber so kompliziert gestaltet, dass es externe Firmen brauche, um die Arbeit zu erledigen. Zeit und Nerven habe er in den vergangenen Wochen bereits genug verloren. Für ihn habe der Vorfall eine psychische Belastung dargestellt. Er habe schlecht geschlafen und sich betrogen gefühlt.