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Interview mit Chef von National ExpressWas man aus der Abellio-Pleite lernen kann

Lesezeit 3 Minuten
RRX Zug

Ein RRX Zug (hier im Düsseldorfer Bahnhof)

  1. Die Abellio-Pleite hat den Regionalverkehr in NRW erschüttert, erstmals mussten wichtige Linien per Notvergabe am Leben gehalten werden.
  2. Den RRX fährt ab 1. Februar der National Express durchs Ruhrgebiet. Geschäftsführer Marcel Winter sprach mit Michael Kohlstadt und Stefan Schulte über die Chancen und Schwierigkeiten, die sich im Zuge der Übernahme ergeben.

Hat Sie die Abellio-Krise und ihr unrühmliches Ende überrascht?

In der Schärfe ja. Die Probleme, mit denen Abellio zu kämpfen hatte, sind freilich Themen, die die gesamte Branche betreffen. Personalengpässe, die durch die riesige Baustellenwelle im NRW-Schienennetz ausgelösten Strafzahlungen, die zunehmenden Unwetter – viele dieser Komplikationen waren zum Zeitpunkt der Ausschreibung der Verkehrsverträge vor einigen Jahren einfach nicht vorhersehbar. Es gab damals zum Beispiel keinen Lokführermangel, der aber ist heute ein ganz großes Problem.

Also hat Abellio gar nichts falsch gemacht?

Abellio hatte zusätzlich das Pech, mit dem RRX und der S-Bahn zwei prestigeträchtige Verkehrsverträge erfüllen zu müssen, bei denen die Vertragsstrafen auf Grundlage der Erwartung an Zuverlässigkeit und Qualität besonders hoch waren – und so offensichtlich die Preise am Ende nicht auskömmlich. Wenn man dann noch einen Gesellschafter hat, der wie die niederländische Konzernmutter irgendwann nicht mehr bereit war, die Verluste langfristig zu kompensieren, wird es am Ende eng.

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Warum glauben Sie, es besser machen zu können als Abellio?

Die Verträge werden sich ändern müssen. Darauf setzen wir. Um Risiken besser abfedern zu können, muss das Vertragswerk flexibler gestaltet werden. Wir bekommen von den Aufgabenträgern, also den NRW-Verkehrsverbünden, bereits erste positive Signale, dass bei den langfristigen Ausschreibungen der ehemaligen Abellio-Linien hier nachgebessert werden soll. Unter anderem muss es darum gehen, dass mehr Personal eingepreist wird. Wir brauchen eine Mitarbeiterreserve von zehn Prozent vor allem beim fahrenden Personal.

Das bedeutet, es wird für die Verbünde als Auftraggeber teurer?

Ja, die neuen Verträge werden teurer. Aber dafür gibt es auch eine bessere Qualität. Denn es muss ja unser Ziel sein, den Nahverkehr attraktiver zu machen.

Die Abellio-Krise hat ein regelrechtes Loch in den Regionalfahrplan gerissen. Zahlreiche Züge fallen aus, bis Ende Februar fahren fast alle Abellio-Linien im Notfall-Modus. Wie läuft die Übernahme?

Sehr kooperativ. Abellio tut alles für einen bestmöglichen Betriebsübergang. Und wir, die anderen Bahnunternehmen und die Verkehrsverbünde tun es auch. Denn allen Beteiligten ist klar: Es geht um den Fahrgast. Die Abellio-Krise darf sich nicht zur Vertrauenskrise im NRW-Bahnverkehr auswachsen. Das ist jedem in der Branche klar. Deshalb herrscht auch keinerlei Schadenfreude darüber, dass nun ein Wettbewerber vom Markt verschwindet.

Kann der Notfahrplan tatsächlich am 27. Februar enden?

Stand jetzt gehe ich davon aus. 90 Prozent der Abellio-Mitarbeiter haben bisher dem Betriebsübergang auf die neuen Betreiber zugestimmt. Die Schulungen laufen. Vieles hängt noch an individuellen Entscheidungen. Noch bis zum Ende dieser Woche kann jeder Abellio-Beschäftigte dem Betriebsübergang widersprechen. Und wer nach diesem Zeitpunkt noch gehen will, den können wir ebenfalls nur schwer aufhalten. Bauchschmerzen habe ich deshalb, was die Zahl der Lokführer angeht. Wenn zehn Prozent abspringen, haben wir ein Problem. Solch ein Verlust ließe sich vielleicht kurzfristig, zum Beispiel durch viele Überstunden, aber nicht dauerhaft kompensieren.

Auch Ihr NRW-Mitbewerber Keolis-Eurobahn ist finanziell in Schieflage geraten. Die französische Staatsbahn SNCF hat sich als Eigner aus dem Unternehmen zurückgezogen, ein neuer Investor wird gesucht. Interesse?

Ich würde nie nie sagen. Aber zur Zeit konzentrieren wird uns ganz auf die Übernahme der Abellio-Strecken. Damit haben wir alle Hände voll zu tun.