Post-Chef im Interview„Wir werden grüneres Wachstum haben, aber nicht weniger“

Ein Briefkasten der Post.
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- Frank Appel, Vorstandschef der Post, plädiert für eine CO2-Steuer
- Spätestens 2050 wolle die Post als Konzern gänzlich ohne CO2-Emissionen auskommen
- Ein Interview
Post-Vorstandschef Frank Appel ist ein Verfechter des Klimaschutzes. Allerdings plädiert er auch dafür, keine voreiligen Entscheidungen zu treffen. Mit ihm sprachen sprachen Reinhard Kowalewsky und Claudia Mahnke.
Herr Appel, die Post als größter Logistikkonzern Europas verbraucht ja auch viel Energie. Was halten Sie von der Schülerbewegung „Friday for Future“?
Es ist gut, wenn junge Leute konsequenten Klimaschutz fordern. Ich habe mich schon früher dafür ausgesprochen, bei politischen Entscheidungen mehr an die Interessen der künftigen Generationen zu denken statt sie beispielsweise mit immer höheren Umlagen für die Rente zu belasten. Allerdings fände ich gut, wenn solche Aktionen nicht während der Schulzeit stattfinden. Als ich hier in Bonn 1981 gegen die „Nachrüstung“ demonstrierte, war das am Wochenende.
Wären Sie dafür, sehr schnell alle deutschen Kohlekraftwerke abzuschalten?
Nein, das ginge nicht. Eigentlich ist es wie in den 80er Jahren: Der Wunsch von uns als damaliger Jugend nach Abrüstung war nachvollziehbar. Trotzdem war es am Ende klug, dass die Regierungen entgegen unserer Kritik Stärke gegen den Osten zeigten: Der Eiserne Vorhang in Europa fiel. Und jetzt ist das Ziel des Klimaschutzes eben sehr wichtig, aber wir müssen die richtigen Schritte gehen.
Und die wären?
Wir brauchen in Europa oder in allen Industriestaaten eine CO2-Steuer, die berechenbar langfristig steigt. Dann können sich Konsumenten und Unternehmen in ihrem Verhalten anpassen und gezielt in Anlagen investieren, die den Ausstoß von CO2 begrenzen.
Der Verband der Maschinenbauer fordert eine Abgabe von 100 Euro pro Tonne ausgestoßenem CO2.
Ich will mich da nicht festlegen. Aber etwa diese Größenordnung einer CO2-Steuer könnte es laut einer Studie mittelfristig lohnend machen, Kerosin und andere Treibstoffe künstlich mit regenerativer Energie zu erzeugen. Dann hätten wir einen perfekten Kreislauf: Die gleiche Menge CO2, die beim Betrieb eines Autos oder Flugzeugs ausgestoßen wird, wird bei der Produktion des Treibstoffes der Atmosphäre wieder entnommen.
Werden Schritte zum Klimaschutz das allgemeine Wirtschaftswachstum und insbesondere das Wachstum der Logistikbranche bremsen?
Wir werden grüneres Wachstum haben, aber nicht weniger. Weniger Wachstum wäre ja nur zu erwarten, wenn Menschen verboten wird, bestimmte Waren zu kaufen oder irgendwohin zu reisen. Wohin die Entwicklung geht, zeigt die Post-Branche: Wir haben uns verpflichtet, zu wachsen und dabei die CO2-Emissionen pro Einheit zu senken. Und das ist uns gelungen. Spätestens 2050 wollen wir als Konzern ohne CO2-Emissionen auskommen.
Die Innenstädte werden durch Lieferverkehr für im Internet bestellte Waren belastet. Kann das so weitergehen?
Wir setzen ja gezielt und zunehmend den elektrisch betriebenen Streetscooter ein – von uns aus wäre wünschenswert, wenn manche Städte nur noch elektrisch betriebenen Lieferverkehr zulassen. Zweitens ersetzt die Zustellung durch uns ja oft nur die individuelle Einkaufsfahrt. Drittens können auch die Städte selbst etwas tun, indem sie das unmittelbare Zustellen auf der letzten Meile mit einer Ausschreibung nur an eine Firma vergeben.
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2018 gab es bei der Bundesnetzagentur 12 600 schriftliche Beschwerden gegen Unternehmen der Postbranche, sechsmal mehr als einige Jahre davor. Schlimm?
Gemessen an der Zahl von täglich fünf Millionen versandten Paketen und 57 Millionen Briefen sind die davon auf uns entfallenden Beschwerden eher gering, aber wir sind über den Trend besorgt. Darum steuern wir seit mindestens einem Jahr entschlossen gegen. Unsere internen Zahlen zeigen bereits, dass die Qualität der Zustellung deutlich gestiegen ist.
Welche Schritte gehen Sie?
Wir haben zum Beispiel das Prinzip „First-In, First-Out“ konsequent ausgeweitet. Zuerst erhaltene Pakete oder Briefe müssen immer zuerst ausgeliefert werden. Auch bei einem Eingang von extrem vielen Sendungen darf nichts zwischengelagert werden. So ist praktisch ausgeschlossen, dass Kunden länger als nötig auf eine Ware oder einen Brief warten.
Was planen Sie noch?
Wir werden die Prognosegenauigkeit für Pakete deutlich verbessern. Unsere Kunden sollen zuerst per Email eine ungefähre Zeit erhalten, zu der der Zusteller kommt. Und zum Beispiel 15 Minuten vor Ankunft gibt es dann eine erneute Mail mit der genauen Zeit, die wir anhand der per GPS erfassten Position des Lieferwagens berechnen. Das testen wir nun in einigen Regionen.
Die Regierung will das Postgesetz reformieren. Auf Ihrem Wunschzettel steht das Ende der Zustellpflicht für Briefe am Montag?
Das neue Postgesetz sollte uns ermöglichen, unternehmerischer und flexibler zu handeln. Das Wertversprechen sollte bleiben, wie die Mindestvorgabe der Briefe, die am nächsten Werktag ankommen und die heute bei 80 Prozent liegt. Viele Briefe werden ja im sogenannten Verbund gemeinsam mit Paketen ausgeliefert. Daher gibt es in diesen Gebieten ohnehin automatisch montags die Zustellung. Aber dort, wo es eine reine Briefzustellung gibt, ist montags immer häufiger sowieso sehr wenig zu tun: Briefe werden am Wochenende selten eingeworfen. Daher entfallen auf den Montag inzwischen nur noch weniger als zwei Prozent der Wochenmenge.