Präsident der Forstwirtschaft im Interview„Windkraft im Wald ist geradezu geboten“

Staatliche Unterstützung für die deutschen Wälder fordert Georg Schirmbeck.
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- Angesichts von Trockenheit, Schädlingen und Stürmen steht es um den Wald in Deutschland vielerorts nicht gut.
- Der Präsident der Forstwirtschaft, Georg Schirmbeck, fordert im Gespräch mit Dirk Fisser staatliche Unterstützung.
- Zudem bringt er Windräder als weitere Einnahmequelle ins Gespräch.
Herr Schirmbeck, in den vergangenen Wochen hat es in Teilen Deutschlands kaum geregnet. Mancherorts wird schon vor Waldbränden gewarnt. Wie sehr fürchten die Waldbesitzer ein weiteres Dürrejahr?
Zwei oder drei Wochen kein Regen und dann noch so ein warmer Wind, der die Feuchtigkeit aus den Wäldern zieht – ja, da kann man schon mal nervös werden. Die Gefahr eines weiteren Dürrejahres hängt über den Waldbesitzern. Nach den vergangenen drei Jahren sind wir da hochsensibel. Aber um nicht alles schwarz zu malen: Es ist keinesfalls deutschlandweit zu trocken. Wir reden hier eher über regional ausgeprägte Trockenheit. In Ostniedersachsen oder Brandenburg ist das Problem aber sicherlich schon ausgeprägt.

Georg Schirmbeck
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Zur Dürre kam in den Vorjahren der Borkenkäfer, der die Wälder mancherorts regelrecht plattgemacht hat. Wird der Schädling auch dieses Jahr wieder Thema sein?
Die Borkenkäfer-Brut ist nach wie vor in einem gewissen Umfang in den Wäldern. Also, ja: Trotz aller Bemühungen der vergangenen Jahre werden wir auch 2022 wieder entsprechende Schäden in den Wäldern beobachten, die über dem Schnitt vergangener Jahrzehnte liegen.
Dürre, Borkenkäfer… das hat Spuren hinterlassen. Kann man den Schaden eigentlich beziffern?
Wir reden von einem materiellen Schaden in Höhe von 12,5 Milliarden Euro, verteilt über drei Krisenjahre. Da sind Vermögenswerte regelrecht vernichtet worden. Hinzu kam ja die desolate Situation am Holzmarkt im vergangenen Jahr. Da wächst ein Baum 80 oder 100 Jahre lang, und dann müssen Sie das Holz für 30 Euro pro Kubikmeter regelrecht verramschen. Das tat schon weh. Mittlerweile hat sich die Lage aber stabilisiert, was den Holzmarkt angeht.
Wie wird der Wald denn nach der jetzt anstehenden und politisch geforderten Generalüberholung aussehen?
Sicherlich bunter, aber dabei brauchen die Waldbesitzer Hilfe. Ich will betonen: Wenn wir jetzt Unterstützung fordern, dann geht es nicht um den Ausgleich des Milliardenschadens. Dann geht es um Hilfe bei der Wiederaufforstung. Der Umbau des deutschen Waldes wird, sehr vorsichtig geschätzt, 50 Milliarden Euro kosten. Würden wir gar nichts machen, dann würden auf den Flächen mit toten Fichten-Monokulturen bald wieder genau solche wachsen. Die Samen sind noch im Boden. Da ist also richtig Arbeit notwendig für einen nachhaltigen Wandel im Wald. Und da muss der Staat helfen, nicht mit 50 Milliarden Euro, aber schon mit spürbarer Unterstützung, meine Vorstellung: eine Milliarde Euro pro Jahr.
Die Fichten haben sich als zu anfällig erwiesen. Was wird denn jetzt an ihrer Stelle gepflanzt?
Ich höre immer: ,Pflanzt mehr Buchen!“ So einfach ist das natürlich nicht. Die Standorte sind sehr unterschiedlich. Und wir müssen den weiteren Klimawandel bedenken. Es wird insgesamt sicherlich bunter im Wald, Monokulturen wird es in der jetzigen Form nicht mehr geben. Wie es künftig aussieht, müssen wir sehr genau überlegen.
Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg auf die Holzmärkte?
Auf Verbraucherseite werden die großen Auswirkungen erst noch kommen. Aber ein guter Krisenindikator ist das Kaminholz. Wenn Gas-, Öl-, oder Kohlepreise steigen, steigt auch immer der Preis fürs Kaminholz an. Die Leute heizen eben mit dem Kamin und lassen die Gasheizung aus. Der Preissprung im Vergleich zur Zeit vor dem Krieg in der Ukraine liegt bei mehr als 20 Prozent. Und das wird erst einmal so weitergehen mit dem Anstieg – zumal sich die Marktsituation durch den im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarten Einschlagstopp für Buchenwälder eher noch verschärfen wird. Ich gehe davon aus, dass sich der Kaminholzpreis zum Ende dieses Jahres verdoppelt haben wird.
Parallel müssen Kamine stillgelegt werden, weil sie Grenzwerte nicht einhalten.
Wir begrüßen das Emissionsschutzgesetz und die damit verbundene Verbesserung der technischen Voraussetzungen für die energetische Nutzung von Holz. Andererseits fordere ich etwas mehr Fingerspitzengefühl von Behörden und Politik. Die Umstände sind derzeit außergewöhnlich. Sollen die Menschen stricken, um warm zu bleiben? Wir könnten uns für den Umstellungsprozess dagegen bessere Förderanreize für den Austausch von Ofenanlagen vorstellen.
An vielen Stellen fallen derzeit einstige Tabus. Wie steht es um Windkraft im Wald? Ist das eine Option für Sie?
Windkraft im Wald ist auf den durch Dürre und Borkenkäfer geschädigten Waldflächen geradezu geboten. Es ist vertretbar, dass wir für eine Generation auch im Wald Windstrom erzeugen – natürlich nur dort, wo es sinnvoll ist. Die Einnahmen könnten die Waldbesitzer dann auch in den Umbau ihres Waldes stecken. Technisch jedenfalls ist es möglich, Windräder so zu errichten, dass dabei nur wenig Wald zerstört werden muss. Es ist an der Zeit, nicht nur auf die Bedenkenträger zu hören, sondern nach gangbaren Lösungen zu suchen.