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Rundschau-Debatte des TagesWie viel Schummelei verträgt ein Lebenslauf?

Lesezeit 3 Minuten
Baerbock Lebenslauf

Ein prominentes Bespiel mit „Ungenauigkeiten“ im Lebenslauf: Annalena Baerbock

Köln – Bei Politikern fällt es inzwischen auf: Immer wieder stolpern sie über ihre Doktorarbeiten oder Lebensläufe. Ob Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, SPD-Abgeordnete Petra Hinz, oder zuletzt Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock − in ihren Vitae fanden sich Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten, Fehler, die korrigiert werden mussten. „Auf dem Arbeitsmarkt herrscht ein großer Konkurrenzkampf um interessante und gut dotierte Stellen“, sagt Jürgen Zech, Geschäftsführer der Bewerbungs- und Coaching-Agentur Make-it-better. „Außerdem fordern die Arbeitgeber und Personaler in den Stellenanzeigen ein so hohes Kompetenzniveau, das fast niemand erfüllen kann.“ Doch wie sehr darf man Erfahrungen, Fähigkeiten und Kompetenzen frisieren?

Wo fängt das Schummeln an?

Grundsätzlich ist es zulässig, den Lebenslauf bei einer Bewerbung für ein Arbeitsverhältnis an der einen oder anderen Stelle etwas aufzuhübschen, ohne rechtliche oder auch nur tatsächliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Allerdings kommt es darauf an, in welchem Umfang hier geschummelt oder schöngefärbt wird. „Schummelei fängt meiner Meinung nach schon sehr früh an, nämlich dann, wenn Angaben gemacht werden, bei denen sich der Bewerber nicht mehr sicher ist, ob diese zu 100 Prozent zutreffen“, sagt Ashkan Saljoughi, Fachanwalt und Leiter der Kanzlei Chevalier Rechtsanwälte, die ausschließlich Arbeitsrecht für Arbeitnehmer anbietet. „Ist das aber schon in irgendeiner Form relevant? Ich denke eher nicht.“

Dem Arbeitsrechtsexperten zufolge sind Schönfärberei, Schummeln und Täuschung im Grunde gleich: Es wird versucht, durch bewusstes Auslassen oder Hinzufügen von Informationen einen Irrtum auf der Gegenseite zu erwecken. „Ob etwas dann aber als irrelevante Schönfärberei oder Schummeln oder als durchaus sehr relevante Täuschung eingeschätzt wird, hängt davon ab, in welcher Form dieser Irrtum beim Gegenüber erzeugt werden soll und worauf sich dieser Irrtum bezieht.“

Ab wann macht man sich strafbar?

Durchaus legitim und ohne rechtliche Konsequenzen sind kleine Schönfärbereien bei Softskills und Hobbies. So darf etwa behauptet werden, großer Fußballfan zu sein, weil bekannt ist, dass der zukünftige Chef es auch ist. Im Rahmen des Legalen ist auch zu sagen, kritikfähig zu sein, obgleich dies nicht zutrifft; oder englische Sprachkenntnisse mit „sehr gut“ anzugeben, auch wenn diese vielleicht nur mittelmäßig bis gut sind – rechtliche Konsequenzen drohen daraus nicht. „Hier handelt es sich sicherlich schon um eine Schummelei, aber meiner Meinung nach um keine relevante“, sagt Saljoughi. „Natürlich muss aber immer berücksichtigt werden, dass, sofern die behaupteten Leistungen nicht erbracht werden, Unannehmlichkeiten mit dem Arbeitgeber zu befürchten sind.“

Anders ist die Situation bei für den Arbeitsvertrag zwingend erforderliche Fähigkeiten, wenn die Tätigkeit zum Beispiel ein konkret definiertes Sprachniveau verlangt. Dann handelt es sich nicht mehr nur um Schönfärberei, sondern eher um eine Täuschung. Diese liegt beispielsweise vor, wenn nicht nur behauptet wird, sehr gute Englischkenntnisse zu haben, sondern auch noch wahrheitswidrig angegeben wird, diese etwa im Rahmen einer besuchten Sprachschule oder eines längeren Sprachaufenthaltes bei einem professionellen Anbieter erworben zu haben.

„Eine solche Täuschung kann zu erheblichen Nachteilen führen. Es droht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses – auch noch nach vielen Jahren. Je nach Schwere und Art der Täuschung und den damit verbundenen Folgen für den Arbeitgeber können sich auch Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers und im schlimmsten Fall sogar strafrechtliche Sanktionen ergeben“, sagt Saljoughi. „Stellt der Bewerber auch noch ein Zertifikat oder ein Zeugnis über den vermeintlichen Besuch der Sprachschule oder des Sprachaufenthaltes aus, kommt noch ggfs. Urkundenfälschung hinzu.“

Sind Lügen unter bestimmten Bedingungen erlaubt?

Der Arbeitsrechtsexperte rät davon ab, ungefragt und ohne Not proaktiv in einem Lebenslauf zu lügen. Im Bewerbungsgespräch hingegen sind Lügen unter bestimmten Bedingungen erlaubt. „Hier kann es durchaus sein, dass der potenzielle zukünftige Arbeitgeber Fragen stellt, auf die Bewerber nicht antworten müssen und sogar lügen dürfen, ohne irgendwelche rechtlichen Nachteile befürchten zu müssen“, sagt Saljoughi. Dazu zählen Fragen nach der Religion, der sexuellen Orientierung, einer Schwangerschaft, einer Gewerkschaftszugehörigkeit, der Familienplanung und einer Schwerbehinderung.