RWE und EonDas sind die Gewinner und Verlierer des Innogy-Deals

Die Unternehmenszentrale des Energieversorgungsunternehmens Innogy in Essen.
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Essen – Seit Langem sucht RWE-Chef Rolf Martin Schmitz nach einer Lösung für seine Tochter Innogy. Immer wieder hat er in den vergangenen zwölf Monaten betont, man prüfe alle Optionen. Sonntagfrüh um 1.23 Uhr ließ er dann die Katze aus dem Sack, nachdem offenbar Investmentbanker in den USA geplaudert hatten: RWE will seine 77-Prozent-Beteiligung an Innogy nun an den Konkurrenten Eon verkaufen. Eon wird damit zum Konzern für Netze und Vertrieb, RWE zum größten Erzeuger von Kohle- und Ökostrom. Der deutsche Energiemarkt wird völlig neu aufgestellt. Das sind die Gewinner und Verlierer.
Gewinner RWE
Aus der strategischen Sicht von RWE macht der Deal viel Sinn: RWE-Chef Rolf Martin Schmitz wird das Klumpenrisiko los, das die 77-Prozent-Beteiligung an Innogy bislang bedeutet hat. Zudem wird RWE zu dem großen Erzeuger in Deutschland: RWE hat bereits den größten Kraftwerkspark bei Braun- und Steinkohle.
Da RWE im Zuge des Deals das Ökostrom-Geschäft von Innogy zurücknimmt und auch noch das Ökostromgeschäft von Eon bekommt, wird der Konzern jetzt auch bei den Erneuerbaren zur entscheidenden Größe. Ausgerechnet RWE wird damit der große deutsche Grünstrom-Anbieter. Bei Innogy allein war das Ökostrom-Geschäft bisher zu klein und kam auch nicht voran. Zudem wird RWE größter Einzelaktionär bei Eon, man bekommt 16,7 Prozent der Eon-Aktien. Diese Beteiligung sichert den RWE-Gewinn ab.
Gewinner Eon
Auch aus Sicht von Eon ist der Deal sehr attraktiv. Schon jetzt kommen zwei Drittel des Eon-Gewinns aus den Netzen, künftig werden es 80 Prozent sein. Das Netz ist der sicherste Gewinnlieferant im Energiemarkt, es bringt zwar keine maximalen, aber stabile und planbare Renditen. Solche Unternehmen sind an der Börse derzeit beliebt. Die Kartellbehörden werden kaum einschreiten, da der Staat ohnehin das Netzgeschäft reguliert und die Vergütung für die Durchleitung von Strom festlegt. Eon-Chef Johannes Teyssen erhält zudem dauerhaft die Krone zurück, den wertvollste deutschen Energiekonzern zu führen.
Nach dem Börsengang war Innogy zwischenzeitig die Nummer eins. Die Eon-Aktionäre müssen zunächst allerdings noch in einen sauren Apfel beißen: Denn um RWE an Eon beteiligen zu können, gibt Eon im Rahmen seines genehmigten Kapitals 20 Prozent neue Aktien aus, entsprechend verwässert sich der Anteil der alten Eon-Aktionäre. Künftig müssen sie sich den Eon-Gewinn also mit dem neuen Anteilseigner RWE teilen.
Verlierer Innogy
Der junge Innogy-Konzern verschwindet damit nach nur wenigen Jahren wieder von der Bühne. RWE hatte in Innogy seine Geschäfte Netze, Ökostrom, Vertrieb 2016 an die Börse gebracht. Doch der damalige Innogy-Chef Peter Terium hatte kein Konzept, verfolgte vor allem esoterische Ideen - und musste vor Weihnachten gehen. Nun wird der junge Konzern Geschichte. Das Ganze erwischt Innogy in einer Schwächephase. Personalvorstand Uwe Tigges führt den Konzern interimsmäßig, Finanzvorstand Bernhard Günther liegt seit der Säure-Attacke im Krankenhaus.
Verlierer Mitarbeiter
Schon jetzt hat Innogy einen großen Personalüberhang, weil Terium es nicht geschafft hatte, den Konzern nach den Umbauten der vergangenen Jahren sozialverträglich schlank zu machen. Nun dürfte es erheblichen Stellenabbau geben, fürchten Arbeitnehmervertreter. Das US-Analysehauses Bernstein erwartet, dass durch den Deal rund 500 Millionen Euro eingespart werden, insbesondere durch den Abbau von Arbeitsplätzen. Wenn das Netz- und Vertriebsgeschäft nun komplett zu Eon geht, dürften Hunderte Stellen allein in der Verwaltung wegfallen. Schließlich werden Innogys Zentralfunktionen wie Vorstand, Kommunikation, Strategie, aber auch Verwaltungsfunktionen in Netz und Vertrieb überflüssig.
Die Gewerkschaften waren gestern sprachlos und müssen nun durch ordentliche Sozialpläne besänftigt werden. Immerhin können sie darauf verweisen, dass Innogy nicht an einen ausländischen Konzern geht, der womöglich weniger Skrupel beim Jobabbau hätte. In der Vergangenheit war auch spekuliert worden, das RWE seine Tochter an Konkurrenten wie die spanische Iberdrola oder die französische Engie verkaufen könnte.
Verlierer Kommunen
Die Kommunen vor allem aus dem Ruhrgebiet halten knapp 25 Prozent an RWE. Als Aktionäre dürfen sie sich womöglich freuen. Denn nun hat RWE eine neue Perspektive. Doch aus der Sicht als Standort sehen sie die Sache skeptisch. Der drohende Kahlschlag dürfte insbesondere Dortmund und Essen treffen. In Essen haben alle drei Konzerne ihren Sitz, in Dortmund sitzen zudem wichtige Vertriebsabteilungen. "Ich mache mir Sorgen um die Standorte und Mitarbeiter", sagte Guntram Pehlke, Chef der Stadtwerke Dortmund, dem "Handelsblatt". "Bei den Teilen, die Eon übernehmen soll, arbeiten zehntausende Mitarbeiter. Da gibt es bestimmt viele Doppelfunktionen. Speziell um den Standort Dortmund mache ich mir Sorgen."
Verlierer Stromkunden
Bisher waren Innogy und Eon erbitterte Konkurrenten, nun verschwindet Innogy. "Der deutsche Strommarkt leidet immer noch unter zu wenig Wettbewerb. Deshalb ist es eine schlechte Nachricht, wenn Wettbewerber verschwinden", warnte Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Kartellexperte Justus Haucap ist dagegen zuversichtlich: "Aus Wettbewerbssicht ist der Deal ziemlich unproblematisch. Die Netze unterstehen ohnehin der Regulierung durch die Bundesnetzagentur oder Landesregulierungsbehörden."
Auch auf dem eigentlichen Strommarkt herrsche anders als vor zehn Jahren Wettbewerb: "Vor zehn Jahren hätte ich eine solche Fusion anders beurteilt und die Kartellbehörden hätten ein solches Vorhaben wohl auch kaum genehmigt. Inzwischen ist die Marktmacht der ehemals "großen Vier" aber fast völlig zerbröselt und die Fusion daher auch nicht kritisch", sagte Haucap.
Verlierer Innogy-Management
Der große Verlierer ist auch das Management von Innogy. Die Vorstände dürften sich nun einen neuen Job suchen. Es wird gemutmaßt, das Hildegard Müller (aktuell Netzvorstand bei Innogy) zu RWE geht. Sie gilt als eine Vertraute von RWE-Chef Schmitz. Auch gibt es Mutmaßungen im Konzern, der geschasste Innogy-Chef Peter Terium habe vor Weihnachten mit seiner umstrittenen Gewinnwarnung sein Unternehmen "hässlicher" gemacht als es ist, um die Übernahme durch Eon zu verhindern. So oder so: Teriums Werk löst sich nun in Luft auf.
Reaktionen
Der Ökostrom-Anbieter Lichtblick warnte vor einem "Megakonzern mit großer Marktmacht". Das gefährde den Wettbewerb der Energielieferanten und könnte auf Dauer zu höheren Strompreisen für Verbraucher führen: "Diese Fusion muss das Kartellamt sehr kritisch prüfen."
Ebenfalls Bedenken hat der Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Michael Kreuzberg. "Ich hoffe, dass sich diese Entscheidung nicht negativ auf das Revier auswirkt und der Strukturwandel planmäßig und nachhaltig vorangetrieben wird." Die Nachricht sei für ihn völlig überraschend.Der SPD-Kreisparteivorsitzende und Landtagsabgeordnete Guido van den Berg sieht durchaus Chancen: "Vielleicht kann es eine Perspektive sein, wenn RWE sich vom Netz trennt und auf die Stromerzeugung konzentriert."