DumpinglöhneStreik legt Telefone und Handys in Italien lahm

Lesezeit 3 Minuten
Telefonieren mit dem Handy soll in Italien wegen des Streiks unmöglich sein.

Telefonieren mit dem Handy soll in Italien wegen des Streiks unmöglich sein.

Die Telekommunikations-Branche ist in desaströsem Zustand, viele Kündigungen drohen. Nun sollen die Telefone einen Tag lang stillstehen - oft sogar bei Polizei und Feuerwehr.

Der Konkurrenzdruck unter den Telekommunikationsanbietern in Italien ist enorm. Es gibt einfach zu viele Anbieter, die versuchen, mit Unterbieten der Preise Kunden zu gewinnen. Die Umsätze sind in der Folge deutlich zurückgegangen. Gewerkschaftsführer Riccardo Saccone (CGIL) schätzt gegenüber der Tageszeitung „Il Fatto quotidiano“ ein, dass die Unternehmen in den vergangenen zwölf Jahren jährlich einen Umsatzrückgang von einer Milliarde Euro verzeichnen.

Massiver Stellenabbau droht

So hat sich die Privatisierung der einst staatlichen Telecom vor 25 Jahren zu einer „Katastrophe“ entwickelt, meint Saccone. Von den einst 130000 Mitarbeitern stehen heute nur noch 40000 in Lohn. Gegenwärtig planen alle im Lande agierenden Unternehmen, von den noch existierenden 120000 Stellen 20000 zu streichen, das beträfe jeden sechsten Arbeitnehmer in der Branche. TIM hat ebenso wie WindTre mit einem Stelleabbau in nicht genannter Höhe gedroht, Vodafon erklärte, 20 Prozent seiner Beschäftigten entlassen zu müssen. Wer noch am Arbeitsplatz verbleiben darf, muss mit stagnierenden Löhnen und Gehältern und sich ständig verschlechternden Arbeitsbedingungen rechnen.

Dieser Streik soll die betreffenden Institutionen anregen, über eine strategische Zukunft des gesamten Sektors nachzudenken.
Salvo Ugliarolo, Gewerkschafter

Die Arbeitnehmervertretungen klagen insbesondere über die Dumpinglöhne, die im Dienstleistungsbereich wie Callcenter gezahlt werden. Die Gewerkschaften sind sich einig: Für Dienstag rufen die Branchenvertreter von CGIL, CSIL und UIL zum ersten nationalen und einheitlichen Streik der Telekommunikationsarbeiter auf. Sowohl Festnetz- als auch Mobiltelefone werden heute schweigen. Callcenter und Servicestellen werden ebenso wenig erreichbar sein, wie die meisten Polizei- oder Feuerwehrdienststellen. Eine in Rom einberufene Großdemonstration soll die Regierung auf die Missstände aufmerksam machen und die Forderungen der Mitarbeitenden deutlich zu Gehör bringen.

Abweichend von den landesweiten Ausständen wird im Aosta-Tal und in Südtirol am 8. Juni gestreikt. Der Streik, so betonen die Gewerkschaften, war als notwendige Maßnahme erachtet worden, weil die Verhandlungen mit dem Unternehmerverband Assotelecomunicazione (ASSTEl) und dem zuständigen Ministerium für Arbeit ohne Ergebnisse verlaufen waren.

Auch ein Schlichtungsverfahren war aus Sicht der Arbeitnehmervertretungen unannehmbar. „Dieser Streik soll die betreffenden Institutionen anregen, über eine strategische Zukunft des gesamten Sektors nachzudenken“, erklärt Salvo Ugliarolo, Generalsekretär der UILCOM, der Branchengewerkschaft der UIL.

Die Gewerkschaften werfen der Politik – vor allem den Regierungen der vergangenen zwei Jahrzehnte – vor, keine oder zu geringe Kontrolle über die Privatisierungen des Telekommunikationssektors ausgeübt zu haben. Demonstriert wird dies am Beispiel der einst staatseigenen TIM, vormals Telecom: Hier konnte zum Beispiel der Mailänder Investor Marco Tronchetti Provera mit der Aufnahme Fremdkapitals große Anteile an der Telecom erwerben. Die anfallenden Schulden stellte er dem Unternehmen selbst in Rechnung, was den Beginn des wirtschaftlichen Niedergangs zu Folge hatte. Derzeit streiten die Hauptanlieger, nebst Tronchetti Provera die französische Vivendi und die italienische Regierung – die über die Cassa Depositi e Prestiti selbst an TIM beteiligt ist – über die (unsichere) Zukunft des Unternehmens. Mit ähnlichen Problemen sehen sich auch die Konkurrenten auf dem Markt konfrontiert. Deren Mitarbeiter jedenfalls sehen keine andere Lösung als den Ausstand, um auf ihre Misere aufmerksam zu machen.

Rundschau abonnieren