Der Außenminister hatte nach einem Besuch in Syrien Abschiebungen dorthin in Zweifel gezogen. Aus der CDU gibt es nun Gegenwind.
„Wir schieben ab“Wadephul löst mit Syrien-Äußerung Kontroverse in eigener Partei aus

Johann Wadephul (M., CDU) während seines Besuchs eines humanitären Projekts in Harasta in Syrien (Bild vom 30. Oktober).
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In der Debatte über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat sieht sich Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) Kritik aus den Reihen seiner eigenen Partei ausgesetzt. „Der syrische Bürgerkrieg ist vorbei und in weite Teile des Landes ist für die allermeisten ausgereisten Syrer eine Rückkehr nun möglich und zumutbar“, sagte Unions-Fraktionsvize Günter Krings (CDU) der „Bild“-Zeitung (Montagsausgabe).
Der Zerstörungsgrad eines Landes sei als Argument gegen eine freiwillige oder pflichtgemäße Rückkehr selbstverständlich „denkbar ungeeignet“, sagte Krings. „Denn wer soll ein zerstörtes Land wieder aufbauen, wenn das nicht seine eigenen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen tun?“
Wadephul hatte bei einem Syrien-Besuch vergangene Woche Abschiebungen dorthin in Zweifel gezogen. Verhaltene Zustimmung für den Außenminister kam vom Koalitionspartner SPD.
Ähnlich wie Krings äußerte sich Sachsen-Anhalts CDU-Chef und Wirtschaftsminister Sven Schulze, der auch dem CDU-Präsidium angehört. „Der Fluchtgrund für hunderttausende Syrer war der mittlerweile beendete Bürgerkrieg. Somit muss jetzt ganz gezielt an einer Strategie zur schnellen Rückkehr dieser Menschen gearbeitet werden.“ Ein in Teilen zerstörtes Land und schlechtere Lebensbedingungen als in Deutschland seien „kein Grund, daran nicht zu arbeiten“.
Linnemann: „Wir schieben ab“
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann versuchte im „Bericht aus Berlin“ der ARD am Sonntagabend den Eindruck von Zerstrittenheit zu zerstreuen. Er sprach von einem „Scheinkonflikt“. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) Dobrindt und Wadephul seien der gleichen Meinung: „Wir schieben ab, wir müssen abschieben, natürlich die Straftäter. Und alles weitere, sobald es rechtlich möglich ist, werden wir auch angehen, und dazu zählen weitere Abschiebungen.“
Linnemann äußerte sich ganz ähnlich wie sein Parteikollege Krings: Die Menschen vor Ort müssten ihr Land wieder aufbauen, so der CDU-Generalsekretär. Dazu zählten auch diejenigen Menschen, die in Deutschland seien und zurück müssten. „So ist es doch für Syrien viel besser und deswegen sind sich da alle einig“, ergänzte Linnemann.
Zuvor hatte bereits das Bundesinnenministerium mitgeteilt, man arbeite derzeit an einer Vereinbarung mit Syrien, damit Rückführungen möglich werden. Im Koalitionsvertrag habe man sich schließlich auf die Wiederaufnahme von Rückführungen nach Syrien geeinigt, beginnend mit Straftätern. Innenminister Dobrindt selber gab keine Stellungnahme zu den Äußerungen seines CDU-Kollegen ab. Er verkündete am Sonntag sinkende Asylzahlen und sagte: „Unsere Migrationswende wirkt“.
Grüne bezeichnet Lage in Syrien als „schockierend“
Vom außenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion Adis Ahmetovic kam unterdessen Zustimmung für Wadephul. „Die SPD-Fraktion teilt die Einschätzung des Außenministers Wadephul, dass eine Rückführung nach Syrien zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich ist“, so der 32-Jährige zur „Bild“.
Sonja Eichwede, stellvertretende Fraktionschefin der SPD, betonte in der „Welt“, „Straftäter und Gefährder“ sollten nach Syrien zurückkehren. Alle weiteren Entscheidungen müssten nach Bewertung der Lage vor Ort erfolgen.
Die Grünen schätzen die Lage ähnlich ein. Die Abgeordnete Lamya Kaddor war Mitglied der Wadephul-Delegation im Nahen Osten. Sie schrieb bei X, es könne aus ihrer Sicht bis auf Weiteres keine massenhaften Abschiebungen nach Syrien geben, die Lage sei „schockierend“.
Wadephul bestürzt über Situation in Syrien
Wadephul hatte sich bei einem Besuch in Syrien am Donnerstag zurückhaltend über eine mögliche Rückkehr syrischer Flüchtlinge aus Deutschland geäußert. Diese sei „zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich“, da in Syrien „sehr viel an Infrastruktur“ zerstört sei. Mit Blick auf die Abschiebung syrischer Straftäter sprach der Außenminister von „ganz wenigen Ausnahmefällen“, die „natürlich“ auch durch eine Rückführung nach Syrien zu lösen seien.
Der CDU-Außenminister hatte sich sichtlich bestürzt beim Besuch von Harasta, eines vom Bürgerkrieg völlig zerstörten Vorortes der Hauptstadt Damaskus, gezeigt. Ein solch großes Ausmaß an Zerstörung habe er persönlich noch nicht gesehen, sagte der Minister. „Kurzfristig können sie nicht zurückkehren“, sagte Wadephul. „Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben.“
Kritik an Merz wegen erneutem Konflikt innerhalb der Regierung
Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich bislang noch nicht selber zur Kontroverse um die Abschiebungen nach Syrien geäußert, die diesmal nicht mit dem Koalitionspartner SPD entstanden ist, sondern die eigene Partei betrifft. Beobachter sprechen von einem erneuten „kommunikativen Chaos“, mit dem sich die Regierung präsentiere. Der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger sieht eine „schwankende Politik“, die aus einer „unklaren Zweckbestimmung“ resultiere.
Andere Stimmen sehen die strategischen Fehler bei Kanzleramtsminister Thorsten Frei, andere bei Merz selber, dem jegliche Erfahrung in der Exekutive fehle. (afp/cme)
