Rundschau-Debatte des TagesWie lassen sich Wassernotstände verhindern?

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Ein Traktor fährt über trockenes Feld.

Die Dürrejahre haben Spuren hinterlassen.

Die verheerende Flut von 2021 und die Dürren der vergangenen Jahre haben gezeigt, wie ungleich das Wasser in Deutschland verteilt ist. Eine neue Strategie soll Notlagen verhindern. Doch wie soll das gehen?

Wasser ist Leben, heißt es. Doch sowohl zu viel als auch zu wenig davon führt kann zu gefährlichen Problemen führen, wie Flut und Dürren eindrücklich gezeigt haben. Kann die neue Wasserstrategie aus dem Umweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) gegen derartige Notstände helfen?

Im weitgehend grau-nassen März in Deutschland erscheint der Gedanke an Wasserknappheit weit weg, doch die Versorgung mit der Ressource muss gut organisiert werden. Insbesondere, weil das natürliche Wasserangebot in der Bundesrepublik sehr ungleich verteilt ist: So ist dem Umweltbundesamt zufolge in den Gebirgsregionen Süddeutschlands zehn- bis zwanzigmal mehr Wasser verfügbar als etwa im trockenen Brandenburg. Ein Wassermanagement scheint sinnvoll.

Wie kann das aussehen?

Die Ausgangslage Umweltministerin Steffi Lemke hat sich das Thema der Wasserversorgung nun auf ihre Agenda gesetzt. So will sie künftig unter anderem vermehrt mit Verbundnetzen und Fernleitungen Wasser aus nassen Regionen Deutschlands in trockene Gegenden bringen. „Die vergangenen Dürrejahre haben deutliche Spuren in unseren Wäldern, Seen und Flüssen und in der Landwirtschaft hinterlassen“, sagte die Grünen-Politikerin.

Die Strategie

Als Teil einer Nationalen Wasserstrategie, die das Kabinett in Berlin am Mittwoch beschlossen hat, will das Umweltministerium gemeinsam mit den Ländern evaluieren, wo Verbundnetze und Fernleitungen nötig sind, um regionale Unterschiede in der Wasserverfügbarkeit auszugleichen. Erste Fernleitungen gibt es bereits, beispielsweise in Stuttgart oder Hessen. Lemke will dies nun mit der Wasserstrategie bündeln. „Zwar herrscht in Deutschland im Mittel kein Wasserstress“, schreibt das Umweltbundesamt, „jedoch gibt es regionale und saisonale Unterschiede.“ Der Niederschlag sei sehr ungleich verteilt: Im Osten und Nordosten fällt im Durchschnitt weniger als im Westen und Süden.

Diverse Probleme

Wenn mehr als 20 Prozent des verfügbaren Wassers vom Menschen genutzt wird, spricht man von Wasserstress. Dann kommt es nach Expertenangaben zu Problemen für Umwelt und Wirtschaft: Moore und Feuchtgebiete können austrocknen, Wälder können unter der Trockenheit ächzen. Aber nicht nur Trockenheit kann zum Problem werden. Die Wassermassen im Ahrtal und in Nordrhein-Westfalen hatten vor zwei Jahren eine Flutkatastrophe verursacht. „Extremwetterereignisse treten immer häufiger auf und stellen Kommunen und Länder vor große Probleme“, sagte Lemke. Daher sollen Kommunen und Länder künftig gesetzlich verpflichtet werden, Gefahren- und Risikokarten für Starkregen zu erstellen und bei der Bebauungsplanung zu berücksichtigen. Ein weiteres Ziel der Strategie ist sauberes Wasser in Flüssen und Seen, denn die Verschmutzung der Gewässer durch Pestizide, Mikroplastik oder Rückstände von Medikamenten ist hoch. „Sauberes Wasser muss immer und überall in Deutschland ausreichend verfügbar sein“, sagte die Umweltministerin.

Hersteller in der Pflicht

Um das zu erreichen will Lemke die angestrebte EU-Regelung zur erweiterten Herstellerverantwortung unterstützen und schnellstmöglich einführen. Danach gilt: Wer wasserschädliche Produkte oder Wirkstoffe herstellt oder in den Verkehr bringt, muss auch verstärkt zur Beseitigung von Schäden in den Gewässern beitragen.

Thermale Belastung

In Deutschland verwenden Energiewirtschaft, Bergbau und Industrie einen Großteil des Wassers dazu, ihre Produktions- und Stromerzeugungsanlagen zu kühlen. Häufig wird es danach wieder in Flüsse oder Seen geleitet. Das im Kühlprozess erwärmte Wasser kann Gewässer aber thermisch belasten. Von den deutschlandweit genutzten 20 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2019 entfielen dem Umweltbundesamt zufolge 44,2 Prozent auf den Energiesektor. Bergbau und verarbeitendes Gewerbe entnahmen zusammen 26,8 Prozent – genauso viel die öffentliche Wasserversorgung. 2,2 Prozent wurden für die Beregnung landwirtschaftlicher Flächen genutzt.

Reaktionen

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund begrüßte den Vorstoß der Bundesregierung. „Gerade mit Blick auf zunehmende Hitze- und Dürreperioden müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam klare Leitlinien für den Umgang mit Wasserknappheit entwickeln“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem „Handelsblatt“. Lob kam auch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, der darauf hinwies, dass die Wasser-Infrastruktur bereits jetzt „bei stark steigender Trinkwassernachfrage an heißen Sommertagen an einigen Orten an ihre Grenzen“ komme. Von Gewerkschaftsseite kam der Hinweis, dass die Strategie auch die Lebensmittel- und Getränkeproduktion beeinflussen werde. Hier sei mehr Transparenz nötig: Die Strategie der Bundesregierung habe hier eine „nicht nachvollziehbare Leerstelle“, kritisierte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). (dpa/mit afp)


Leitlinien sollen möglichen Notstand regeln

Sollte in Deutschland das Trinkwasser knapp werden, will die Bundesregierung vorbereitet sein. Daher enthält die Nationale Wasserstrategie auch die Ausarbeitung einer Leitlinie für das Vorgehen in Fällen von regionaler Wasserknappheit. Diese Leitlinie soll die zuständigen Behörden bei der Entscheidung unterstützen, wer im Fall einer Knappheit vorrangig Wasser nutzen darf. „Wenn es dann tatsächlich zu einer problematischen Situation kommt, hätte Trinkwasser Vorrang“, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) im NDR. Die Arbeit an dieser Krisenleitlinie hat begonnen, ist aber noch nicht beendet. Aktuell sei die Trinkwasserversorgung gesichert, so das Ministerium. „Doch die Auswirkungen der Klimakrise verändern langfristig auch die Verfügbarkeit von Trinkwasser“, hieß es. (afp)

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