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Rundschau-Debatte des TagesGelingt Schwarz-Rot im Herbst die Wende?

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Die Stimmung soll wieder besser werden: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, r) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD). dpa

Die Stimmung soll wieder besser werden: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU, r) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD). 

Vertrauensprobleme prägen die derzeitige Stimmung zwischen Union und SPD. Eine Klausurtagung in Würzburg Ende dieser Woche soll dabei helfen, das Verhältnis zu stabilisieren. Das wird nötig sein, denn es stehen schwierige Reformentscheidungen an.

Nach nicht mal vier Monaten im Amt plant die schwarz-rote Koalition einen Neustart: Am Montag hat Kanzler Friedrich Merz (CDU) zunächst mit den Unionsspitzen über die nächsten Regierungsvorhaben beraten. Am Donnerstag und Freitag dann wollen die Spitzen der Fraktionen von Union und SPD bei einer Klausur in Würzburg den Fahrplan für die kommenden Monate festlegen – ein richtiger „Herbst der Reformen“ soll es werden. Dem Herbst der Reformen ging allerdings ein Sommer des Missvergnügens voraus. In Würzburg geht es deshalb auch um Vertrauensbildung.

Die Stimmungslage

Ein kritischer Befund aus der CDU-Zentrale: „Die Stimmung ist derzeit nicht so gut, wie wir uns das gewünscht haben“, schrieb CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann vor wenigen Tagen in einem Brief an die Parteimitglieder. „Ob etwa bei der Stromsteuer oder bei der Wahl der Bundesverfassungsrichter: Die Abstimmungen zwischen Partei, Fraktion und Regierung waren nicht gut.“

Misstrauen und Verdruss prägen das Klima zwischen Union und SPD. Bei der SPD sitzt der Ärger tief. „Das Nichteinhalten von Zusagen hat den Gang in die Sommerpause belastet“, sagt deren parlamentarischer Geschäftsführer Dirk Wiese. Würzburg solle dazu beitragen, „wieder in einen vernünftigen Arbeitsmodus zu kommen“. Anfang September soll dann ein Grillabend der Fraktionen folgen, um ein geselliges Kennenlernen zu ermöglichen.

Die Führungsebene

Die Koalition ist nur ein Zweckbündnis, denn Union und SPD liegen in vielen Fragen auseinander. Umso wichtiger wäre eine Führung, die fest im Sattel sitzt – und die absehbar schwierige Kompromisse der Koalition in den eigenen Reihen durchsetzt. Doch in den Führungsebenen von CDU und SPD sind Zeichen der Schwäche erkennbar, die Fragen nach der Durchsetzungsfähigkeit aufwerfen.

Der SPD-Parteitag bestätigte Vizekanzler Lars Klingbeil mit nur 65 Prozent als Parteichef. Hat der angeschlagene Vorsitzende noch genug Macht, die von der Union geforderten Sozialreformen in der SPD durchzusetzen? Die Jusos drohen bereits mit Widerstand. Auf Unionsseite wirft das Debakel um die Richterwahl die Frage auf, ob Fraktionschef Jens Spahn (CDU) seine Fraktion wirklich im Griff hat. Und Kanzler Merz verärgerte Teile der Union durch seine einsam getroffene Entscheidung zum Waffen-Lieferstopp für die Israelis.

Die Außenwirkung

Die Umfragewerte sind schlecht, in manchen Erhebungen liegt die AfD jetzt vor der Union auf Platz eins. „Bei Merz ist von einem Kanzlerbonus nichts zu spüren“, resümiert Forsa-Chef Manfred Güllner in einer aktuellen Analyse. „Union und SPD verlieren an Bindekraft.“ Der Plan der Koalition, durch gutes Regieren die Kräfte der Mitte zu stärken und die AfD zu schwächen, geht bislang nicht auf. Güllners Bilanz: „Die von der ‚Ampel‘ verursachte Erosion des Parteiensystems wird durch die neue schwarz-rote Koalition nicht gemildert, sondern weiter verstärkt.“

Der Reformdruck

Die Ausgangslage ist also herausfordernd: Eine Koalition, die noch nicht richtig Tritt gefasst hat, muss in einem von Krisen geprägten Umfeld schwierige Entscheidungen treffen – und dies bei knappen Kassen. Finanzminister Klingbeil rechnet für 2027 bis 2029 mit einer Haushaltslücke von insgesamt 172 Milliarden Euro. An welchen Stellen soll gespart werden? Hier sind koalitionsinterne Konflikte programmiert. Wie weit die Gestaltungskraft der Koalition reicht, dürfte sich bereits im Herbst zeigen, wenn die Weichen für die geplante Sozialstaatsreform gestellt werden sollen.

Die Union verlangt Einschnitte beim Sozialen – auch als Gegenleistung dafür, dass sie der Aufweichung der Schuldenbremse zugestimmt hat. Für die SPD hingegen berührt das Thema den ideologischen Kernbestand: Sie will sich als Sozialstaatspartei profilieren und steht Einschnitten kritisch gegenüber. Die Finanzprobleme will sie durch Steuererhöhungen lösen – ein Tabu für die Union. (afp)