CDU-Chef Friedrich Merz attestiert den Bürgern zu wenig Leistungsbereitschaft und sieht den Wohlstand im Land in Gefahr. Als Teil des Problems will die Partei zudem die Erhöhung des Bürgergeldes ausgemacht haben.
Rundschau-Debatte des TagesScheuen die Deutschen Leistung und Arbeit?

Kritik an der Ampel: Friedrich Merz und Alexander Dobrindt wollen in Schmallenberg ein Gegenpol zur Regierung bielden.
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Die Union um Friedrich Merz sieht den Wohlstand in Deutschland in Gefahr. Der Parteichef will nun auch einen Grund ausgemacht haben: Den Deutschen mangele es an Leistungsbereitschaft. Außerdem lohne sich Leistung immer weniger. Liegt er mit dieser Einschätzung richtig?
Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat angesichts schlechter Wirtschaftsdaten eine Grundsatzdebatte über die Leistungsbereitschaft in Deutschland gefordert. „Wir müssen über die grundsätzliche Haltung in unserem Land reden: Sind wir noch bereit, uns für unseren Wohlstand und unsere Alterseinkommen anzustrengen“, sagte Merz, der auch CDU-Vorsitzender ist, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Er ergänzte: „Eines ist jedenfalls klar: Unser Wohlstand lässt sich nicht mit bedingungslosem Grundeinkommen und 4-Tage-Woche bei vollem Gehalt aufrechterhalten.“
Lohnt sich Leistung nicht mehr?
Merz antwortete auf den Einwurf, ob er frage, ob die Deutschen faul geworden seien: „Das ist keine Frage der Faulheit.“ Deutschland habe eine schlechte Regierung, die Leistung bestrafe. „Wer den Eindruck bekommt, dass es keinen Unterschied macht, ob er mehr oder weniger arbeitet, wird sich weniger anstrengen.“ Das Ergebnis sei eine abnehmende Wirtschaftsleistung. „Wir müssen also mehr über Leistungsgerechtigkeit reden“, verlangte Merz. „Uns geht es darum, dass diejenigen belohnt und nicht bestraft werden, die sich mehr anstrengen wollen.“ Deswegen schlage die CDU auch vor, Überstunden steuerfrei zu stellen. Am Montag habe der CDU-Vorstand bei seinen Beratungen auch über den Sport gesprochen, sagte Merz. „Die Männer scheitern bei der Fußball-WM, die DFB-Frauen scheiden auch früh aus, und von der Leichtathletik-Weltmeisterschaft bringt Deutschland zum ersten Mal keine Medaille nach Hause. Für mich ist das symptomatisch.“
Schätzt die Ampel die Lage falsch ein?
Die CDU-Spitze um Merz hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei ihrer Sitzung eine Fehleinschätzung der Wirtschaftslage vorgeworfen. Zwar stimme die Analyse, dass es einen Fachkräftemangel gebe, hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag gesagt. „Aber daraus den Rückschluss zu ziehen, dass deshalb alles in Ordnung ist und wir nicht härteren Zeiten entgegentreten, ist hochgradig gefährlich.“ Wenn schon der Internationale Währungsfonds (IWF) sage, dass Deutschland unter allen großen Volkswirtschaften das schlechteste Wachstum habe, „zeigt das, dass wir nicht nur der kranke Mann Europas, sondern der Welt sind“. Es reiche nicht aus, Abschreibungsregeln zu verbessern, vielmehr brauche es ein Gesamtkonzept, forderte Linnemann.
Fördert das Bürgergeld Ungerechtigkeit?
Nicht nur Merz kritisiert, dass sich Leistung nicht mehr lohne. Jüngst hat auch CDU-Wirtschaftspolitiker Jens Spahn die geplante Bürgergeld-Erhöhung als „falsches Signal“ bezeichnet. Nach seinen Worten soll eine vierköpfige Familie, die Bürgergeld bezieht, derzeit genauso viel Geld zur Verfügung haben wie eine Familie mit Durchschnittsverdienern. „Nach heutiger Rechtslage erhält eine vierköpfige Familie im Schnitt 2311 Euro an Bürgergeld. Damit hat sie faktisch so viel zur Verfügung wie eine Durchschnittsverdiener-Familie in Deutschland“, sagte Spahn in der „Bild“-Zeitung. Diese Rechnung stimmt aber nur teilweise.
Die von Spahn genannte Zahl findet sich tatsächlich in einer Tabelle des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Stand: 1. Januar 2023). Dort sind zur Einführung des Bürgergelds in diesem Jahr exemplarische Berechnungen dargestellt. In einem der Szenarien ist die Rede von einem „(Ehe-)Paar“, das zwei Kinder im Alter von 4 und 12 Jahren hat – und 2311 Euro erhält (inklusive Kindergeld). Die vier Personen erhalten der Tabelle zufolge aktuell zusammen 1568 Euro an Bürgergeld. Dazu kommen 743 Euro für Kosten der Unterkunft. Addiert sind das genau die 2311 Euro, von denen Spahn sprach.
Doch wie sieht es bei Durchschnittsverdienern aus? Ein Paar mit mindestens einem Kind erhält im Schnitt (Stand: 2021) in Deutschland ein Bruttoeinkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 5809 Euro. Das geht aus den 2022 veröffentlichten Wirtschaftsrechnungen des Statistischen Bundesamtes hervor. Sind beide Arbeitnehmer verheiratet und verdienen in etwa das Gleiche, käme das Paar gemeinsam auf etwa 4000 Euro netto, wenn beide in der Steuerklasse IV sind. Dazu erhält die Familie monatlich Kindergeld in Höhe von 500 Euro bei zwei Kindern. Für Wohnen und Energie gibt das Statistische Bundesamt für Paare mit einem Kind und mehr 1226 Euro im Monat an. Nach Abzug dieser Kosten blieben der vierköpfigen Familie mehr als 3000 Euro.
Anders sieht es natürlich bei Menschen mit geringem Einkommen aus. Etwa bei einer vierköpfigen Familie mit Alleinverdiener, der Mindestlohn bekommt. Auf den ersten Blick hat solch eine Familie scheinbar keinen finanziellen Vorteil im Vergleich zu Bürgergeldempfängern. Allerdings können Menschen mit geringem Einkommen und dabei insbesondere Familien unterschiedliche staatliche Zuwendungen erhalten. Dazu gehören etwa Wohngeld oder Kinderzuschlag. (dpa)
Unions-Klausur
Die Spitze der Unionsfraktion im Bundestag will Deutschland angesichts der schlechten Wirtschaftslage mit einer Investitionsoffensive für Wirtschaft, Klima und Energie aus der Krise führen. Die Antworten auf die Krise dürften „nicht nur einseitig auf den Klimawandel setzen“, sondern müssten „Wirtschaft, Energie und Klima zu einer Einheit verbinden und dies auch als Einheit verstehen“, forderte CDU-Chef Friedrich Merz am Donnerstag bei einer Klausur der Fraktionsspitze in Schmallenberg im Sauerland. Merz zeigte sich grundsätzlich offen für einen zeitlich befristeten „Brückenstrompreis“, mit dem auch der industrielle Mittelstand von hohen Energiepreisen entlastet werden könnte.
Im Entwurf einer „Sauerländer Erklärung“, hieß es, für die energieintensive Industrie in Deutschland seien die hohen Energiekosten ein besonders massiver Wettbewerbsnachteil. Um diesen auszugleichen, erwarte man von der Bundesregierung ein durchgerechnetes Konzept für einen zeitlich begrenzten, auch für den industriellen Mittelstand wirksamen Brückenstrompreis. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte mit Blick auf die Klausur des Ampel-Kabinetts in Meseberg: „Der Therapiesitzung von Meseberg stellen wir die Tatkraft von Schmallenberg entgegen.“ (dpa)