Veggie-Produkte sollen künftig nicht Wurst, Schnitzel oder Steak heißen, zum Schutz der Verbraucher. Das ist bigott, mindestens borniert, auf jeden Fall aber bürokratischer Unfug.
Veggie-SchnitzelEuropa braucht keine neue „Wurstnamenregel“ – das ist bürokratischer Unfug

Ein veganes Schnitzel auf Sojabasis liegt in einer Verpackung auf einem Küchentisch
Copyright: Marijan Murat/dpa
Im Supermarkt-Wurstregal gibt es Bauernwurst und Matrosenwurst und Bärchenwurst, es gibt Seeluftschinken und Alpenschinken und die Pommersche. Es gibt Wurst mit Salatbildern und Tomatenfotos und Spiegeleizeichnungen, mit Leuchttürmen und Alpenpanoramen und Landkarten.
Was es kaum gibt, das sind Tiere auf der Wurst, aus denen ja die Wurst gemacht wird. Bärchen gibt es zwar, groß und bunt, obwohl die ebenso wenig in der Wurst sind wie Bauern oder Matrosen. Aber Schweine und Rinder und Puten finden sich allenfalls als Skizze auf der Verpackung: Vereinzelte Hinweise, eher niedlich als realistisch. Es gibt Hunderte Wurstverpackungen im Supermarktregal, aber auf keiner einzigen sind Tiere im Foto zu sehen, schon gar nicht im Stall auf Spaltböden.
Ältere Wurstkäufer erinnern sich noch an den Einkauf in der Fleischerei, in der Schweinehälften hinter der Ladentheke hingen und Mitarbeiter blutbefleckte Kittelschürzen trugen. Mittlerweile sind Tierhaltung und -verarbeitung weitgehend aus dem öffentlichen Raum verschwunden, während gleichzeitig Diskussionen um Tierwohl und Hygienestandards zunahmen. Lebensmitteleinzelhandel und Werbeindustrie haben seither viel dafür getan, die bunt verpackten Fleischprodukte vom Tier zu entkoppeln.
Wie wäre es mit Vertrauen in mündige Bürger?
Und jetzt, wo der Markt für vegane Fleischersatzprodukte zart, aber beständig wächst, erinnert sich die Mehrheit der EU-Parlamentarier plötzlich wieder ans Tier in der Wurst. Veggie-Produkte sollen künftig nicht Wurst, Schnitzel oder Steak heißen, zum Schutz der Verbraucher, der Landwirte, der „kulinarischen Tradition“; solche Namen sollen im Sinne einer „ehrlichen Etikettierung“ dem „tierischen Fleisch“ vorbehalten bleiben, andernfalls drohe Verwechslungsgefahr.
Das ist bigott, mindestens borniert, auf jeden Fall aber bürokratischer Unfug. Europa braucht keine neue Wurstnamenregelung, überprüft möglicherweise durch eine neue Wurstnamenkontrollbehörde. Es braucht Vertrauen in den mündigen Verbraucher.
Das klappt bei anderen Produkten auch, zum Beispiel beim alkoholfreien Bier. Ob es schmeckt oder nicht, darüber streiten Biertrinker seit Markteinführung. Aber Klagen darüber, dass jemand versehentlich nüchtern geblieben sei, gab es nicht.