Unkompliziert und unbürokratisch: Mit der Kindergrundsicherung soll es leichter werden für Familien, die Leistungen vom Staat zu bekommen. Doch trotz Kabinettsbeschluss könnte das Gesetz noch scheitern.
Rundschau-Debatte des TagesWas man jetzt zur Kindergrundsicherung wissen muss

Die sogenannte Kindergrundsicherung ist eines der größten sozialpolitischen Vorhaben der Ampel.
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Das Bundeskabinett hat am Mittwoch in Berlin die Einführung einer Kindergrundsicherung beschlossen. Sie soll ab 2025 ausgezahlt werden. Ziel ist, die Kinderarmut in Deutschland zu senken und die Beantragung und Auszahlung der staatlichen Leistungen für Kinder zu vereinfachen.
Was ändert sich für die Familien?
Das Kindergeld, der Kinderzuschlag für Eltern mit geringen Einkommen sowie Bürgergeld und Sozialhilfe für Kinder und die Zuschüsse für Schulsachen und Freizeitaktivitäten werden in der Kindergrundsicherung zusammengefasst. Das Kindergeld von derzeit 250 Euro im Monat für 18 Millionen Kinder wird auch künftig als „Garantiebetrag“ automatisch ausgezahlt. Neu ist, dass der Betrag regelmäßig an die Preisentwicklung angepasst werden soll. Kinder, die erwachsen sind, aber noch studieren oder in der Ausbildung sind, sollen diesen Garantiebetrag außerdem direkt bekommen – anders als das Kindergeld heute, das an die Eltern geht.
Der heutige Kinderzuschlag und die Sozialleistungen werden künftig im „Zusatzbetrag“ gebündelt. Die Summe für das einzelne Kind richtet sich nach dem Einkommen der Eltern und dem Alter des Kindes. Zuständige Stelle wird der „Familienservice“, zu dem die heutigen Familienkassen bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgebaut werden. Dafür müssen neue Einheiten aufgebaut und Personal eingestellt werden.
Die Familienservice-Stellen sollen anhand ihnen vorliegender Daten die Familien informieren, wenn sie möglicherweise Anspruch auf Leistungen haben (Kindergrundsicherungs-Check). Die Eltern müssen dann aber selbst einen Antrag stellen; dieser soll indes vereinfacht werden. So sollen möglichst alle Kinder die Unterstützung bekommen, die ihnen zusteht.
Wie viele Kinder werden die Kindergrundsicherung erhalten?
Mit dem Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung sollen Familienministerin Paus zufolge 5,6 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erreicht werden, darunter 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche, die heute Bürgergeld beziehen. Ausgenommen werden Kinder von Asylbewerbern.
Wer profitiert besonders von den Neuregelungen?
Armutsgefährdete Alleinerziehende sollen bessergestellt werden: Unterhaltszahlungen für Kinder bis sieben Jahre werden auf die Kindergrundsicherung nur zu 45 Prozent angerechnet statt, wie bisher beim Bürgergeld, in vollem Umfang. Die Mütter oder Väter können also in der Regel 55 Prozent der Unterhaltszahlung behalten, außer wenn diese sehr hoch ist. Bei Kindern über sieben Jahren gilt das nur, wenn die Eltern wenigstens 600 Euro im Monat selbst verdienen. Das soll sie dazu anreizen, erwerbstätig zu sein.
Steigen die Leistungen für Kinder und Jugendliche?
Inwiefern die staatlichen Leistungen für Kinder und Jugendliche steigen, hängt von ihrem Alter ab und von der Neuberechnung des soziokulturellen Existenzminimums. Das Existenzminimum ist die Summe, die für Essen, Kleidung und Wohnen ausreichen muss und auch, um trotz relativer Armut am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. In Kürze wird eine Neuberechnung erwartet, die zu einer geringfügigen Erhöhung der Leistungen für Kinder unter 14 Jahren führen könnte – laut Familienministerin könnten es bis zu 28 Euro monatlich mehr sein.
Außerdem werden laut Familienministerium die Leistungen für Jugendliche und junge Erwachsene steigen, die heute den Kinderzuschlag beziehen: für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren um rund 60 Euro im Monat und für junge Erwachsene voraussichtlich um 42 Euro.
Was kostet die Grundsicherung den Staat zusätzlich?
Für 2025 sollen 2,4 Milliarden Euro mehr im Haushalt des Bundesfamilienministeriums eingestellt werden. Familienministerin Paus geht davon aus, dass bei einer Inanspruchnahme von 80 Prozent im Jahr 2028 die Kindergrundsicherung insgesamt knapp sechs Milliarden Euro kostet.
Und wann kommt die Kindergrundsicherung nun?
Im Gesetzentwurf ist die Rede von einem Start zum 1. Januar 2025. Ob der ehrgeizige Zeitplan von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) eingehalten werden kann, muss sich noch zeigen. Denn die Bundesagentur für Arbeit hatte zuvor bezweifelt, dass dieser Startzeitpunkt realistisch ist. Eine Vorlaufzeit des Gesetzesvorhabens von mindestens 12 Monaten sei erforderlich, um allein die Umstellung der IT erfolgreich umzusetzen. Der Deutsche Landkreistag fürchtet ein „Verwaltungs-Desaster“. Im überarbeiteten Gesetzentwurf heißt es nun, das Vorhaben sei besonders eilbedürftig. „Das Gesetzgebungsverfahren muss schnellstmöglich abgeschlossen werden.“ (epd/dpa)