Ein unbekannter Künstler-Soldat schuf auf der Île de Porquerolles kraftvolle Altarbilder aus Walnussholz, eine eindrucksvolle Mahnung gegen Gewalt und für Mitgefühl.
Wort zum SonntagMitgefühl zeigt den Weg in eine bessere Zukunft

Jesus Christus
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Im Urlaub lohnt schon mal der Umweg zu Zielen, die nicht zu den Top-10 im Reiseführer gehören. Ich stehe in einer kleinen Pfarrkirche auf der Île de Porquerolles im Süden Frankreichs. Die Insel war bis 1971 im Privatbesitz und zuvor nur militärisch genutzt. In Hochsommertagen überschwemmen inzwischen täglich viele hunderte Besucher das Eiland mit seinen traumhaften Stränden und einem großartigen Museum zeitgenössischer Kunst.
In der kleinen Kirche St. Anne, ehemals Militärkapelle, finde ich abseits der Massen für einen Augenblick wohltuende Ruhe. Besonders berühren 14 Darstellungen des Leidenswegs Christi. Ein Soldat und zugleich Künstler hat sie auf Bitte des Pfarrers vor 150 Jahren gestaltet. Ein Wandbild pro Monat soll der Soldat, der in einem Militärlazarett Genesung suchte, nur mithilfe eines Messers aus massivem Walnussholz geschnitzt haben.
Die Bilder wirken wie eine schreiende Anklage gegen jede Form von Tod und Gewalt. Filigran herausgearbeitet: Neben Jesus bekommen alle Menschen, die mitleiden, ein persönliches Gesicht, auch einzelne Soldaten sind dabei. Ein Kreuzweg mit der Botschaft: Habe Mitgefühl mit Deinem Nächsten, gerade wenn es hart wird, das ist der Auftrag an den Betrachter und zeigt den Weg in eine bessere Zukunft.
Nach Gesundung sollte der Künstler zu seinem Bataillon zurückkehren, wird in einer kleinen Schautafel erklärt, doch er desertiert, wird gefasst und vor ein Kriegsgericht gestellt. Er entgeht der Höchststrafe, weil sich der Pfarrer der Inselkirche für ihn einsetzt. Diese Information macht den Besuch noch wertvoller. Ich wandere weiter über die Insel und spüre, wie die Geschichte nachwirkt. Wie gut es tut, dass ich diesen Umweg gegangen bin.