Zwischen christlichem Anspruch und der neuen Realität der Grenzkontrollen entdeckt unsere Autorin einen Riss, der tiefer geht als jeder Schlagbaum. Eine Sonntagsbetrachtung über Vertrauen, Misstrauen und die Frage, wo wir als Menschen Grenzen ziehen.
Wort zum SonntagGrenzen des Vertrauens - Was Kontrollen über unsere Gesellschaft aussagen

Bundespolizei bei Grenzkontrollen
Copyright: Bundespolizeidirektion Sankt Augustin
Urlaub in den Niederlanden. Möwen, Strand, Stroopwafels und ein offener Himmel. Auf der Rückfahrt nach Deutschland dann das neue Souvenir der Bundesregierung: eine Grenzkontrolle. Pass vorzeigen, kurzes Nicken, weiterfahren. Für mich eine Sache von Sekunden – und gleichzeitig ein Schlag ins Bewusstsein: Diese neue Normalität der Grenzkontrollen ist kein harmloses Ritual, sondern ein politisches Statement. Man nennt es „Sicherung der Außengrenzen“, „Schutz vor Asylmissbrauch“. Dabei ist es aber vor allem ein sichtbares Zeichen dafür, dass Misstrauen offenbar ein gesellschaftliches Leitmotiv geworden ist: Wir vertrauen dir nicht, bevor du uns das Gegenteil beweist. Ich sehe neben mir Autos, in denen dunklere Haut oder fremd klingende Namen offenbar Grund genug sind, länger festgehalten zu werden.
Als Christin glaube ich an einen Gott, der sagt: „Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen“ (Matthäus 25,35). Diese Politik sagt das Gegenteil: „Ich war fremd, und ihr habt mich kontrolliert.“ Sonntags wird im Sommerinterview von christlichen Werten gesprochen – montags werden sie am Schlagbaum mit System gebrochen. Ja, Sicherheit ist wichtig. Aber wenn wir Menschen an der Grenze wie potenzielle Gefahren behandeln, bevor wir ihre Geschichten hören, säen wir Angst statt Frieden. Die Bibel kennt keine Obergrenze für Mitgefühl. Ich fahre weiter. Dabei wird mir wieder einmal bewusst: die eigentliche Grenze verläuft längst nicht mehr nur zwischen Staaten. Sie verläuft mitten durch die Herzen von immer mehr Menschen. Und genau dort beginnt die Frage, welche Politik wir zulassen. Vielleicht braucht unser Land gerade weniger Schlagbäume – und mehr offene Herzen.