„Aggressive Stiernacken“Max Mutzke über Rassismus in Deutschland

Max Mutzke ist im Februar 2019 im Kölner Gloria zu Gast.
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Wenn ein Junge aus dem tiefen Schwarzwald große Hip Hop-Hits aus den 80er und 90er Jahren covert und aus Songs wie „Men In Black“ von Will Smith oder „Augenbling“ von Seeed ganz eigene Versionen erschafft, dann ist das vor allem ein Statement. Genau das ist das neue Album „Colors“ von Max Mutzke. Steffen Rüth sprach mit dem 38-jährigen Ex-ESC-Teilnehmer.
Max, was ist das Konzept von „Colors“?
Hip Hop back to Soul. Hip Hop entstand ja seinerzeit aus dem Soul heraus, das war ja fast eine Revolution, plötzlich nicht mehr zu singen, sondern zu sprechen. Und wir drehen das jetzt um. Wir nehmen Hip Hop als Grundlage und machen daraus Soulmusik.
Ihr habt das Album in einem Hamburger Studio namens „Granny“s House“ aufgenommen. Warum heißt das so?
Weil es eingerichtet ist wie das Haus der eigenen Oma. Und auch so riecht, nach Kaffee und Kuchen. Man nimmt wirklich im Wohnzimmer auf. Wir haben nur Instrumente benutzt, die in der Zeit von Motown und anderen in den Sechzigern und Siebzigern auch verwendet wurden, Hammond-Orgeln, ein Moog-Klavier, wie Stevie Wonder es immer benutzt hat. Wir wollten ein Album machen, dem man anhört, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben.
Habt ihr in dem Haus auch gewohnt?
Ja. Ich habe jeden Tag frische Brötchen geholt, eingekauft und abends gekocht. Wir alle waren von Anfang bis Ende an dabei, mit Pausen ein ganzes Jahr lang. Wir haben dieses Album mit einer ganz, ganz großen Portion Liebe aufgenommen.
Eine größere Entfernung als von deinem Wohnort Waldshut-Tiengen nach Hamburg ist kaum möglich.
Das ist wahr. Zum Glück hat mir niemand ein schlechtes Gewissen gemacht, auch meine Familie nicht. So konnte ich die Zeit total genießen. Eine Produktion, bei der sich alle wohlfühlen, war mir total wichtig.
Ist „Colors“ dein Bekenntnis zu einer bunten, weltoffenen, toleranten Welt?
Zunächst mal bezieht sich der Titel auf die Stimmfarben, die ich als Sänger präsentiere. Ich klinge mal nach Al Green, mal nach Stevie Wonder, mal nach James Brown. Und dann soll „Colors“ auch bedeuten, dass die Stilrichtungen sehr bunt sind. Alles ist Soul, aber innerhalb des Genres sind die Farben und Facetten sehr mannigfaltig. Und ganz klar, letztlich symbolisiert „Colors“ auch meine politische Einstellung.
Wie sieht die aus?
Ganz egal, in welcher Besetzung ich auf der Bühne stehe - mindestens die Hälfte der Musiker kommt nicht aus Deutschland, viele sprechen kein Deutsch, nicht alle sehen klassisch deutsch aus. Für mich gab es nie einen Zweifel daran, dass Begegnungen aller Art mich viel reicher machen. Und die Musik noch geiler.
Du appellierst bei jedem Konzert gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit, Was denkst du angesichts des grassierenden Rechtspopulismus im Land?
Es widert mich an. Ob diese aggressiven Stiernacken mit Bomberjacken wohl Fernsehen gucken, sich sehen und dann schämen? Oder ob sie sich gar geil finden und denken „Guck„ mal, da sind wir, ein Haufen fetter asozialer Schweine„? Ich frage mich, wie viele dieser Nazis wohl 2014 bei der WM „Auf uns„ von Andreas Bourani mitgesungen haben. Also das Lied eines Schwarzen mit Migrationshintergrund, der zusätzlich noch adoptiert wurde. Aber das größere Problem sind natürlich diejenigen, die stillschweigend zustimmen, wenn die Rechten aufmarschieren.
Was läuft aus deiner Sicht falsch?
Wir sind deshalb so unzufrieden, weil es uns so unglaublich gut geht. In unserem komfortablen Leben haben wir Zeit, uns irgendwelche „Hier stimmt was nicht“-Gefühle einzureden und dann nach Schuldigen zu suchen. Das sind in unserem Land die Migranten. Ich habe noch von keinem Menschen gehört, der einen Euro weniger bekommt, weil wir so vielen Menschen helfen. Im Gegenteil. Wir brauchen die Zuwanderung, sonst macht keiner mehr unsere Arbeit. Ich bin mit Tim Mälzer befreundet, er erzählt, dass er große Probleme hat, Servicepersonal für sein Restaurant zu finden. Und wenn du in unserer Wohlstandsgesellschaft jemanden fragst, was er macht, und der sagt „Schreiner“, dann denken doch viele „Ach, nur Schreiner? Hat wohl nicht zum Youtuber oder Influencer gereicht“. Handwerksjobs gelten bei vielen als Loser-Jobs, was für eine erbärmliche Ansicht. Ich bin überzeugt, dass wir noch arg von den Menschen profitieren werden, die bei uns Zuflucht suchen. Denn irgendjemand muss die Arbeit machen.
Dein Kollege Samy Deluxe sagt, er erlebe jeden Tag Rassismus. Deine Frau stammt aus Eritrea. Wie ist das bei euch?
Überhaupt nicht so. Rassismus resultiert daraus, dass die Leute gegenüber Fremden Angst haben. Wir kennen hier im Dorf alle, und alle kennen uns. Wir erleben keinen Rassismus, weil es keine Ressentiments gibt. Ich habe meinen Kindern erklärt, dass Rassisten einem leidtun müssen, weil sie dumm sind. Einmal hat beim Schulfest ein anderes Kind „Neger“ zu einem meiner Kinder gesagt. Ich wollte mir sofort den Schuldirektor schnappen, doch mein Kind blieb ganz lässig und meinte nur „Ich habe gar nicht reagiert. Die ist doch dumm.“
Zwei der Songs auf „Colors“ hast du selbst geschrieben, darunter „Zu dir komm ich heim“. Ein Liebeslied an die Heimat?
Ja, das ist eine absolute Schwarzwaldhymne, am Ende wird sie zu einem richtigen Gospelsong. Mein Verhältnis zum Schwarzwald ist sehr eng, man kann wirklich „Liebe“ dazu sagen. Für mich gibt es keinen Grund, irgendwo anders zu leben. Ich bin oft unterwegs, aber die fünf, sechs Tage im Monat, an denen ich daheim bin, die sind mir heilig.
Max Mutzkes neues Album „Colors“ ist Ende September erscheinen. Am 7. Februar 2019 ist er im Rahmen seiner „Colors“-Tour im Kölner Gloria Theater zu Gast.