Aktuelle StudienLow Carb ist doch nicht der Königsweg zum Schlanksein
Köln – Egal, ob als Paleo, Steinzeit, Atkins, Dukan, South-Beach- oder Low Carb: Kohlenhydratarme Diäten sind im Trend. Weil sie angeblich gegen Unverträglichkeiten, Bluthochdruck, Diabetes und vor allem gegen Übergewicht helfen und dadurch das Leben verlängern können. Bücher wie "Weizen-Wampe" und "Dumm wie Brot" sind Bestseller, und sie haben in ihrem Kampf gegen Kohlenhydrate vor allem das Brot als Feind Nr.1 ausgemacht. Immer mehr Menschen verzichten auf Morgensemmel und Abendbrot. Doch tun sie sich damit wirklich etwas Gutes? Eine australische Studie lässt jetzt jedoch Zweifel daran aufkommen.
Wunder-Eiweiß
Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die Entdeckung von US-Forschern, wonach man einer Substanz namens FGF21 geradezu Jungbrunnen-Effekte zuschreiben kann. Es handelt sich dabei um ein Eiweiß, das nicht nur die Immunabwehr stabilisiert, sondern auch eine zentrale Rolle im Stoffwechsel des Menschen spielt. So werden etwa unter seinem Einfluss mehr Fette verbrannt, um den Zuckerspiegel konstant zu halten, und man verspürt weniger Appetit auf Süßes. Als man Mäusen FGF21 verabreichte, steigerte sich ihre Lebenserwartung um 40 Prozent. Was man vermutlich nicht Eins zu Eins auf den Menschen übertragen sollte. Doch der wäre ja schon mit einem Zehntel der Quote zufrieden, denn das würde bei einem 80-Jährigen immerhin 3,2 Jahre mehr Leben bedeuten.
Hauptproduktionsstätte für FGF21 ist die Leber, von der bekannt ist, dass sie ihre Arbeit stark nach der Ernährung ausrichtet. So produziert sie beispielsweise weniger Cholesterin, wenn davon große Mengen über die Nahrung zugeführt werden. Ähnliches kann man auch für FGF21 vermuten - doch was genau muss man essen, um seine Produktion in der Leber anzuregen? Die Antwort darauf suchten Samantha Solon-Biet und ihr Forscherteam vom Charles-Perkins-Centre in Sydney abermals im Labor - und man vertraute dabei wieder auf die Mitarbeit von Mäusen, die zwar zoologisch zu den Nagern gehören, doch wie der Mensch schon lange als Allesfresser unterwegs sind.
Diäten verglichen
Man unterzog die Tiere 25 unterschiedlichen Diäten und beobachtete dabei, wie sich ihr FGF21-Level entwickelte. Die Speisepläne variierten zwischen fünf bis 60 Prozent Eiweiß und jeweils fünf bis 75 Prozent Kohlenhydraten und Fett. Das Ergebnis: Das meiste FGF21 fand man bei den Mäusen, die sehr viele Kohlenhydrate und sehr wenig Eiweiß verzehrten. Ihre Low-Carb-ernährten (wenige Kohlenhydrate und viel Eiweiß) Artgenossen zeigten hingegen relativ niedrige Werte des Leber-Proteins. "Eiweißreiche Kost wie die Paleo-Diät ist zwar derzeit sehr beliebt", betont Solon-Biet, "doch das genaue Gegenteil davon ist offenbar das Beste für uns und unseren Alterungsprozess".
Bleibt die Frage, warum wir für viele Kohlenhydrate und wenig Eiweiß mit dem Jungbrunnen-Protein belohnt werden. Der Schlüssel dafür liegt in der biologischen Tatsache, dass ein akuter Eiweißmangel von Menschen und Mäusen gleichermaßen als Bedrohung erlebt wird, weil er im wahrsten Sinne an die Substanz, nämlich an Muskel- und Organgewebe gehen kann.
Als Antwort darauf wird in jedem Falle viel FGF21 ausgeschüttet, doch dessen konkrete Wirkung hängt dann wesentlich vom Zuckerpegel im Blut ab. Ist er - wie im Falle von Low Carb - niedrig, schaltet FGF21 den Stoffwechsel auf Sparflamme, um unseren vom Eiweißmangel gestressten Körper zu schonen. Ist er jedoch hoch, schürt FGF21 den Stoffwechsel an, damit wir mit voller Kraft nach den dringend benötigten eiweißhaltigen Nahrungsquellen suchen können. Dieser Mechanismus half in früheren Paleo-Zeiten beim Überleben, um flexibel auf konkrete Nahrungsangebote oder -mängel reagieren zu können. Heute brauchen wir ihn eigentlich nicht mehr für diesen Zweck, aber bekanntlich verstreichen in der Evolution mitunter Jahrtausende, um den Körper den aktuellen Bedürfnissen anzupassen.
Problem: Einfachzucker
"High Carb" scheint also die eigentliche Paleo-Diät zu einem schlanken und langen Leben zu sein. Was schon als ein ziemlicher Widerspruch zu dem erscheint, was in jüngerer Zeit aus der Ernährungswissenschaft zu hören ist. Doch dort herrscht nach wie vor Einigkeit darüber, dass High Carb in Form komplexer, langkettiger Kohlenhydraten aus ungesüßten Vollkornwaren und Reis sowie Hülsenfrüchten und Nüssen verstanden werden sollte. Der versteckte Einfachzucker in industriellen Lebensmitteln hingegen bleibt ein großes Problem, weil er nicht nur die Kalorienzahl eines Nahrungsmittels erhöht, sondern es durch seine Süßkraft auch unwiderstehlich macht. "Wir können dann einfach nicht davon lassen", erklärt Robert Lustig von der University of California, der den Industriezucker sogar mit Zigaretten und anderen Drogen vergleicht.
Blick aufs Etikett
Wer dieser süßen Verführung entgehen will, braucht einen geschulten Blick auf die Verpackungsetiketten. Denn die Hersteller zuckern nicht nur Süß-Klassiker wie Schokolade, Marmelade und Nusscreme, sondern mittlerweile auch Fleisch, Wurst, Käse, Ketchup, Räucherlachs und Salzstangen. Und oft wird der Zucker dort mit Alternativbegriffen wie Süßmolkenpulver, Dextrose, Glucosesirup, Laktose, Fruktose und Maltodextrin getarnt. Verbraucherschützer kritisieren vor allem die gezuckerten Soft-Drinks, weil die trotz ihrer vielen Kalorien vom Kunden nicht als Speisen, sondern als Getränke mit entsprechend geringem Sättigungsgrad registriert werden. So enthält ein 0,5-Liter-Glas Cola 220 Kilokalorien- ähnlich viel wie ein Schweineschnitzel. Doch nur letzteres macht wirklich satt.
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