Interview„Neues sollte man in Köln zeigen“

Kristian Jarmuschek ist Galerist und Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler.
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Kristian Jarmuschek ist Galerist und Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler. Mit ihm sprach Ina Henrichs über den Wandel in der Kunstwelt.
Herr Jarmuschek, die Art Cologne präsentiert junge Galerien unter dem Begriff „Cutting Edge Art“. Was verbirgt sich dahinter?
Hinter dem Begriff stecht ja vielmehr eine Verheißung als irgendein Trend. Die Messe gibt in diesem Sektor jungen Galerien die Möglichkeit, sich der internationalen Kunstwelt zu präsentieren. Es sind Vertreter einer Generation dabei, die den Mut hat, auf noch unbekannte Künstler zu setzen, von denen wahrscheinlich nur wenige richtig erfolgreich werden. Die Bezeichnung „Cutting Edge“ kennt man eher im Zusammenhang mit Spitzentechnologie. In der Kunst kommt er für mich einer interessanten Behauptung gleich. Nämlich einer Behauptung, die im Zeigen einer neuen künstlerischen Position Gestalt annimmt.
Was haben Sie denn an Neuheiten entdeckt?
Ich beobachte derzeit zwei Phänomene: Die Zahl der Künstler, die nach großer Aufmerksamkeit streben, ist gestiegen. Sie orientieren sich an Vorbildern wie Baselitz, Polke und Richter, also den Besten von Wenigen, die ihr Leben ganz dem Künstlerdasein gewidmet haben. Einen solchen Weg einzuschlagen, ist heute schwierig. Das führt unter anderem dazu, dass nicht jeder Galerist versucht, seinen eigenen Künstler zu protegieren, sondern dass sich Galerien zusammenschließen, sich auf einen Künstler verständigen und ihn gemeinsam aufbauen.
Und die zweite Beobachtung?
Sammler reisen weniger. Vor einigen Jahren noch war es üblich, dass die Kunstwelt zu allen Messen gepilgert ist. Deswegen hat man dort auch immer dieselben Menschen gesehen. Viele Sammler tun das heute nicht mehr. Für einige Galerien ist es daher notwendig geworden, mehr zu reisen, um Sammler vor Ort kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen. Eine reizvolle Adresse ist und bleibt das Rheinland mit seiner qualifizierten Sammlergemeinde, die man aber jetzt vorwiegend nur in ihrer Region antrifft. Dass die Art Basel jetzt einen Ableger in Düsseldorf etablieren will, hat sicher auch damit zu tun.
Was bedeutet das für unbekannte Künstler?
Ihnen auf der Art Cologne eine Plattform zu geben ist das Beste, was man tun kann. Nichts ist langweiliger als immer nur das Gleiche zu sehen. Es wurde bei der Art Basel immer angemahnt, dass dort nur die gleichen Markenkünstler auftauchen. Andererseits ist dies natürlich die Konsequenz eines Systems, das viel Geld für einen Messestand verlangt. Bei diesen Preisen gehen weniger Galeristen das Risiko ein, mit einem unbekannten Künstler auf Messen zu gehen. Niemand präsentiert einen jungen Absolventen der Kunstakademie Düsseldorf auf der Art Hongkong. Das Interesse am Markt etablierter Kunst ist dafür viel zu groß. Das war vor einiger Zeit noch anders. Da suchte man in irgendeinem Berliner Hinterhof noch nach unentdeckten Künstlern.
Gilt das auch für Köln?
Es ist eine globale Stimmung. Aber ich würde in der Tat eine Lanze für Köln brechen. Wer neue Positionen zeigen will, sollte es hier tun. Hier gibt es ein erfahrenes und offenes Publikum, das sich mit der Rhetorik der Kunst sehr gut auskennt und auch unentdeckte Kunst zu schätzen weiß.
Ist das ein Grund, weshalb Köln als Kunststadt international wieder mehr wahrgenommen wird?
Ich erlebe das so. Es gibt heute Messen in jeder größeren Stadt und es kommen auch Menschen mit Geld. Aber das heißt nicht automatisch, dass sie auch mit der nötigen Expertise ausgestattet sind. Es braucht Gespür und Selbstbewusstsein, um eine Entscheidung zu treffen: Ist das gute Kunst und will ich sie wirklich kaufen? Hier im Rheinland trifft man auf ein kauffreudiges und gebildetes Publikum. Das ist eine Stärke, die für Kunstschaffende im Ausland immer attraktiver wird.
Was kann die Stadt Köln leisten, um einen solchen Elan noch mehr für sich zu nutzen?
Meiner Meinung nach können Städte generell nicht so spontan und schnell handeln wie sie es müssten, um Trends in der Kunst zu fördern. Entsprechende Maßnahmen greifen vielleicht nach fünf Jahren, aber es kann sein, dass nach drei Jahren Galeristen schon wieder aufgeben müssen, weil sie noch nicht genug verkauft haben. Künstlerischer Erfolg wird zu häufig an der Rendite gemessen.
Wieso ist das so?
Viele Menschen lassen sich noch von spektakulären Auktionsergebnissen blenden. Nach dem Motto: Galerien müssen richtig viel Geld machen. Und wenn es die einen können, andere aber nicht, müssen Letztere schlicht etwas falsch machen. Das ist natürlich nicht richtig. In den Medien ist erstens nur die Rede von Ausnahme-Künstlern, die sechzig Jahre lang Zeit hatten, erfolgreich zu werden. Und das sind immer wenige einer Generation. Zweitens: Wer in der Kunst die Sinnhaftigkeit des Handelns nur an der Rendite festmacht, zerstört Kreativität. Der Gewinn besteht ja eher darin, Künstler zu fördern, Menschen den Zugang zur Kunst zu ermöglichen und einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.
Apropos gesellschaftlicher Beitrag: Ist die junge Kunst politischer geworden, wie viele sagen?
Tatsächlich gibt es eine Sehnsucht nach Auseinandersetzung mit der Realität über die Kunst. Aber sie verfängt nicht so sehr in der bildenden Kunst. Da beobachte ich eher eine Tendenz zur Abstraktion. Wir sehen Kunst, die sich die Freiheit nimmt, nichts mit der Reflexion der Realität zu tun zu haben. Ihr geht es darum, die individuelle Kreativität in der Realität einer eigenen Bildwelt zu entfalten.