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Mahtob Mahmoody schreibt BuchDie berühmteste Tochter der Welt

Lesezeit 5 Minuten

Nicht ohne meine Mutter: Mahtob und Betty Mahmoody stellen Mahtobs Buch gemeinsam in Köln vor. (Foto: Hanano)

Als Mahtob Mahmoody 1996 dem IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch vorgestellt wurde, begrüßte dieser sie als "die berühmteste Tochter der Welt". Denn Mahtob ist das Mädchen aus "Nicht ohne meine Tochter" - dem Bestseller, den Betty Mahmoody 1987 über ihre gemeinsame, abenteuerliche Flucht aus dem Iran geschrieben hatte, nachdem sie dort von ihrem Ehemann, Mahtobs Vater, gefangen gehalten worden waren. Nun hat Mahtob ihre Kindheitserinnerungen und vor allem die Erlebnisse in den Jahren danach in ihrem Buch "Endlich frei" niedergeschrieben.

"Mutters Buch war ein großer Teil meiner Kindheit, Herausforderung und Erfahrung gleichermaßen, zum Beispiel konnte ich zusammen mit ihr um die ganze Welt reisen", erzählt die 34-Jährige, als sie ihre Autobiografie jetzt bei ihrem Kölner Verlag Lübbe vorstellt. "Und jetzt können wir das alles noch einmal zusammen erleben." Mutter und Tochter sind ein eingeschworenes Team, ihre Ähnlichkeit ist verblüffend. Und während Mahtob spricht, schaut die Jüngere immer wieder die Ältere an, als wolle sie sicher gehen, dass diese auch einverstanden ist mit dem, was sie sagt - ein unausgesprochenes "Das siehst du doch auch so, oder?".

Denn interessanterweise haben die beiden sich zwar über die Erlebnisse ausgetauscht, aber nicht über die Bücher. "Ich war zu jung, als Mutters Buch herauskam, und habe es bis heute nicht gelesen." Den Anstoß dazu gab die mittlerweile verstorbene Lübbe-Lektorin Anja Kleinlein, die Bettys Buch betreut hatte. "Sie sagte immer, Mahtob solle das Buch nicht lesen, denn es wäre toll, wenn sie eines Tages selber schreiben könne", erzählt die heute 69-Jährige Betty Mahmoody, die sich auch nicht in den Schreibprozess der Tochter eingemischt hat. Beim Lesen habe sie einiges entdeckt, was nicht ganz stimme, "aber ich habe es ihr nicht gesagt. Denn es ist ihr Buch, ich wollte immer, dass es auf ihren Erinnerungen basiert."

Und diese Erinnerungen sind geprägt von Angst - von der Angst, während der Zeit im Iran, als der Vater sie nicht außer Landes reisen lassen will. Und von der Angst um das Leben der Mutter.

Sayed Bozorg Mahmoody war erfolgreicher Arzt in den USA, nach dem Sturz des Schahs radikalisierte er sich. Trotz der Warnung ihrer Familie fuhr Betty mit ihm und der damals Vierjährigen in den Iran. Und Mahtob schildert, wie der Vater die Mutter drangsaliert, prügelt, einsperrt. Wie sie selbst in der Schule auf die US-Flagge spucken muss. Und wie beide schließlich fliehen können. Doch in den USA ist die Bedrohung durch den Vater nicht vorbei. "Ich lebte ständig in der Angst, dass er mich irgendwann zurück in den Iran bringen könnte." Beide, Mutter und Tochter, lebten in ständiger "Alarmbereitschaft" - und Mahtob beschreibt, wie sie etwa in der Bibliothek über die Notausgänge Bescheid wissen muss, in Cafés am liebsten mit dem Rücken an der Wand sitzt und ihr Auto eher unter freiem Himmel als in einem Parkhaus abstellt - zu schlechte Fluchtmöglichkeiten.

Irgendwann meldet sich der Vater, versucht über einen Dokumentarfilmer ein Wiedersehen arrangieren zu lassen. Doch Mahtob weigert sich, mit Vater oder der Produktionsfirma zu kommunizieren. "Es hätte ja nicht zu dem Resultat geführt, das er gewollte hätte. Und ich wusste ja, wie zornig er werden konnte und wie gefährlich, wenn er zornig war", erzählt sie.

Und sie beschreibt, wie immer wieder jemand in ihre Wohnung eingedrungen sein muss. "Es wurde nichts gestohlen, nur Spuren hinterlassen, um zu demonstrieren, dass jemand da war." So wurde zum Beispiel der Toilettendeckel heruntergelassen - oder auch nicht abgezogen. Doch für die Polizei gab es keine verwertbare Spuren. "Ich kann es nicht beweisen, aber in meinem Herzen bin ich überzeugt, dass mein Vater damit zu tun hatte!"

Nachdem Betty und Mahtob wieder heil in den USA waren, wendete sie sich dem christlichen Glauben zu. "Er war eine Zuflucht für mich: Denn selbst wenn mein Vater mich wieder zurück in den Iran bringen würde, wäre ich nie zu weit von Gott entfernt." Und Mutter Betty ergänzt, dass Gott sie schon bei der Flucht aus dem Iran beschützt habe. Und auch bei Mahtobs Kampf gegen die Autoimmunerkrankung Lupus zur Seite stehe.

Doch der Glaube hat für sie auch mit dem Recht auf Meinungsäußerung zu tun. "Ich glaube an Kreationismus ", bekräftigt sie im Gespräch unumwunden und bezieht sich auf eine Szene im Buch, in der sie in einem Seminar an der Uni auf die Frage einer Professorin antwortet, dass die Welt von Gott geschaffen sei - und nicht etwa durch Urknall und Evolution. "Ich wusste, welche Antwort damals von mir erwartet wurde", aber nach der - gut 20 Jahre zurückliegenden - Erfahrung im Iran, nur bestimmte Dinge sagen zu dürfen, besteht sie auf ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung.

Ihr Vater starb im Jahr 2009. "Jetzt ist es endgültig vorbei", dachte sie damals zunächst. Doch erst mit dem Abschluss des Buches sei eine schwere Last von ihr abgefallen. "Ohne es zu merken, hatte ich mich all die Jahre als Bewahrerin der ganzen Erinnerungen gefühlt - was mich sehr viel Energie gekostet hat."

Mahtob Mahmoody: Endlich frei. Deutsch von Heide Horn und Rita Seuß. Lübbe Ehrenwirth, 416 S., 19,99 Euro