Vor allem in den USA und Frankreich, in Großbritannien und Spanien und inzwischen auch hierzulande wird von Erwachsenen farbig ausgestaltet, was auf den Seiten weiß geblieben ist.

Junge Illustratorinnen wie die 32-jährige Schottin Johanna Basford haben inzwischen Kultstatus erreicht und setzen immerhin Malbücher in Millionenauflage ab. Bislang in 28 Sprachen übersetzt und an die elf Millionen Mal verkauft ist ihr Titel "Secret Garden" einer der Bestseller. Angefangen hat aber auch sie traditionell. "Vor gut vier Jahren habe ich eine Reihe von Illustrationen auf meine Website gestellt, die man sich als Bildschirmschoner herunterladen konnte", erzählt sie. Ein Verlag hat daraufhin angefragt, ob sie daraus ein Kinder-Malbuch entwickeln wolle. Da kam ihr die Idee, auch eine Erwachsenen-Version zu entwerfen. Anfangs hat sich allerdings kaum jemand vorstellen können, dass sich das verkaufen würde.

Konzentration und Feinmotorik

"Auch bei uns sind Erwachsenenmalbücher, besonders Zentangle, abstrakte Zeichnungen mit wiederholenden Mustern, ein großes Trendthema. Aktuell bieten wir 50 bis 60 Titel", sagt Hugendubel-Sprecherin Verena Bürstl. "Inzwischen gibt fast jeder Verlag Malbücher für Erwachsene heraus", meint Mareike Kreß, Programmleiterin des Münchener Verlages Edition Michael Fischer, wo "Ausmalbücher" seit 2014 im Programm sind. "Bisher haben wir zwölf Titel auf den Markt gebracht. Neu sind Tisch- und Wandkalender sowie Sets mit Malheft und Buntstiften", sagt sie.

Mehr noch als bei Malbüchern für Kinder haben die Erwachsenen-Versionen Themen und Titel. "Bei uns sind es etwa Traumreise, Garten Eden, Happy Mandala und Happy Zen", so Kreß. Gerade letzteres erfreut sich verlagsübergreifend großer Beliebtheit. "Zencolor-Titel sind so erfolgreich, da hier für jeden etwas dabei ist", erklärt Anita Bauer vom Stuttgarter frechverlag. Filigrane Mandalas, Ornamente, Vögel, Schmetterlinge, Blumen stehen ganz oben auf der Lieblingsmotivliste.

Durch Kindermalbücher sollen Konzentration und Feinmotorik gefördert werden. Daran muss bei Erwachsenen in der Regel nicht mehr gefeilt werden. Wie also erklärt sich dieses Phänomen? "Zum einen besteht aktuell ein ganz allgemeiner Trend zum Selbermachen. Auch Nähen und Stricken erfreuen sich beispielsweise wieder großer Beliebtheit", sagt Michael Gilles, Vertriebsleiter des vom Kölner Parragon Verlag, der seine im August begonnene Reihe "Kreatives Ausmalen" um das Thema "Blumen" ergänzt. "Ausmalen ist für viele Menschen ausgesprochen entspannend. Man konzentriert sich auf eine Aufgabe und kann dabei seine Umwelt ausblenden. So wird das Malen zum Anti-Stress-Mittel und sorgt für Gelassenheit und neue Inspiration", führt er aus.

Kopf und Hände sind beschäftigt

Kopf und Hände sind beschäftigt und man kann, ein großer Vorteil gegenüber anderen Handarbeiten, nichts wirklich falsch machen. Selbst wenn man die vorgegebenen Linien übermalt: "Das passiert mir öfter", gesteht Johanna Basford. Was aber nicht weiter tragisch sei, gehe es doch beim Ausmalen nicht um Perfektion, sondern und Spaß und Entspannung. "Farbe rein, Stress raus", beschreibt Mareike Kreß diese "kleine hürdelose Form der Kreativität" kurz und knapp.

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"Wir haben verloren, etwas zweckfrei zu machen. Wir tun, arbeiten, kaufen, entertainen uns - statt zu einfach da sein, wie wir es auch in der Meditation erleben können", sagt Günter Hudasch, Achtsamkeitstrainer und Vorsitzender des Berufsverbands für Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Immer müsse es ein Ziel geben, immer bestünde ein Wettbewerb, immer soll es etwas sein, was uns aus dem einfachen Gewahrsein des gegenwärtigen Moments herausreißt, weil der für unseren süchtigen Geist zu langweilig erscheint. Beim Ausmalen hingegen, so Hudasch, können wir einfach in diesem Moment verweilen, sogar in eine Art "Flow-Zustand" kommen, weil es unkompliziert und schön ist.

"Es gibt ein hohes Bedürfnis, sich in hektischen Zeiten in Kreativität zu verlieren. Viele versuchen einen Rückzugsort zu finden, der im Gegensatz zu Fernsehen oder digitalen Medien nicht passives Abschalten bedeutet, sondern Entspannung in einer Art Schaffensprozess erzeugt. Und das ohne die Angst vor dem leeren Blatt Papier", so Steffi Brune, Pressereferentin des Potsdamer h.f.ullmann Verlags, der seine Kunst- und Städtereisen-Kompetenz bei Malbüchern etwa auf Titel wie "Die großen Meister" mit Motiven wie Franz Marcs Blauem Pferd und Van Goghs Iris oder einem "London"-Malbuch überträgt.

"Früher nannte man es Muße oder Meditieren im Schweigekloster, heute heißt es: Digital Detox - digitale Entschlackung", erklärt Dr. Alfred Gebert, Professor für Soziologie und Psychologie an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Münster, der das Vorwort für die Zencolor-Titel des frechverlages verfasst hat.

Gelungenes Bild - gutes Gefühl

"Die Ausmalbücher für Erwachsene bieten heute eine einmalige Chance, sich sofort überall intensiv auf uns selber zu konzentrieren und die Welt um uns herum auszublenden", so Gebert. "Es dürfen nicht zu einfache Bilder sein, zum Beispiel nur ein Smiley, eine Ampel oder ein Halbmond. Je filigraner und kleinteiliger das Bild ist, umso besser. Ein verwilderter Garten, ein Märchenschloss, eine komplexe Landschaft oder auch nur dekorative Ornamente und Motive. Die vorgegebenen Linien dürften auch nicht zu dick sein. Es muss eine gewisse Anstrengung und Achtsamkeit erfordern, die dünnen Linien nicht zu übermalen. Besonders diese Kleinteiligkeit bewirkt einen großen Teil der Entspannung", so der Soziologie- und Psychologie-Professor.

Dass Malen wie auch Kritzeln zur Entspannung beitragen und die Konzentration fördern, beleget auch eine Untersuchung der Psychologin Jackie Andrade von der Universität Plymouth. Gebert: "40 Probanden wurden zweieinhalb Minuten immer wieder acht Namen vorgelesen. Dabei kam heraus, dass Kritzler 29 Prozent mehr Informationen bei einem überraschenden Gedächtnistest behalten konnten als Nicht-Kritzler." Zurück zum Entspannungsmoment. Gebert verweist auf die amerikanische Kunsttherapeutin Virginia Minar, die zum Kritzeln beim Warten rät. Das sei ein verlässliches Mittel zum Stressabbau. Beim Ausmalen erzeugt auch die Wahl der Farben und das gelungene Bild für ein gutes Gefühl.