Optifast-Programm65 Kilo mit einem Programm der Uniklinik verloren

Freude am neuen leichten Leben: Lydia Zährl (43) aus Bergisch Gladbach nahm 65 Kilo ab.
Copyright: Martina Goyert Lizenz
Köln – Lydia Zährl war keine unglückliche Dicke, haderte nicht mit ihrem Gewicht. "Ich habe mich auch bewegt, Wandern zum Beispiel. Die Hügel im Bergischen kam ich zwar nur keuchend hoch, aber glücklich." Schon als Kind war sie dick, auch als Jugendliche, aber sie litt nicht, ging ihren Weg, beruflich wie privat. Sie heiratete, zog ihr Jura-Studium durch, arbeitet Vollzeit bei einem internationalen Logistik-Unternehmen als Anwältin und Steuerberaterin.
Schlüsselerlebnis im Sommer 2013
Dennoch war sie auf dem besten Weg krank zu werden. Zu Höchstzeiten brachte sie 160 Kilo auf die Waage, das entspricht einem Body-Mass-Index von knapp 50. Von Adipositas, krankhaftem Übergewicht, spricht man ab einem Wert von 30. "Bei mir wurde eine Insulinresistenz festgestellt, was der erste Schritt zur Typ-2-Diabetes ist. Außerdem hätte mein Bluthochdruck demnächst medikamentös behandelt werden müssen." Hätte - wenn die 43 Jahre alte Bergisch Gladbacherin nicht im Sommer 2013 ihr Schlüsselerlebnis gehabt hätte: Im Rahmen eines Achtsamkeitsseminars standen Yoga-Übungen auf dem Programm. Die Teilnehmer sollten sich ganz in ihren Körper hineinfühlen. "Auf einmal stellte ich fest, dass ich nur negative Gefühle hatte, da war ein richtiger Ekel vor mir selbst."
Daraufhin begann Zährl zu recherchieren. Zwar hatte sie in Eigenregie immer wieder bis zu 30 Kilo abgenommen. Es gelang ihr aber nie, das Gewicht zu halten. "Deshalb suchte ich damals gezielt eine Gruppe." So stieß sie auf das Optifast-Abnehm-Progamm. An der Uni-Klinik wird der einjährige Kurs angeboten, der unter ärztlicher Betreuung stattfindet. Im Januar 2014 startete sie mit dem Programm."Der Vorteil ist, dass die Teilnehmer von einem Team aus Ernährungsberatern, Psychologen, Ärzten und Sportwissenschaftlern betreut werden", sagt Sara Manssuri, die sich als Psychologin um die zwölf Teilnehmer starke Gruppe um Lydia Zährl kümmerte.
Das Programm beginnt mit einer dreimonatigen Fastenphase, in der die Teilnehmer Nahrung nur in Form eines Nährstoffdrinks zu sich nehmen. "Von dem Pulver, das es in Geschmacksrichtungen von herzhaft (Kartoffel-Lauch) bis süß (Vanille oder Schokolade) gibt, werden am Tag fünf Portionen verzehrt, meist dreimal am Tag", erklärt Heike Güdelhöfer von der Uni-Klinik, die die Teilnehmer als Diätassistentin betreut. Durch die klare Rationierung ist eine tägliche Aufnahme von 800 Kalorien gewährleistet.
In der ersten Woche sieben Kilo
In den ersten drei Monaten nehmen die Teilnehmer am meisten ab. "Bei mir waren es schon in der ersten Woche sieben Kilo", erinnert sich die Bergisch Gladbacherin. Einladungen zu Familienfeiern lehnte sie in dieser Zeit ab.
Im Schnitt nehmen die Teilnehmer 20 bis 30 Kilogramm ab. "Männer in der Regel mehr als Frauen, und je höher das Ausgangsgewicht ist, desto höher die Gewichtsabnahme", sagt Michael Faust, der das interdisziplinäre Programm an der Uni-Klinik betreut. Dass die Krankenkassen die Kosten für das Programm noch nicht übernehmen, bedauert er. Zumal das Risiko für Folgeerkrankungen wie hohen Blutdruck, Gelenkerkrankungen und Diabetes hoch ist. "Außerdem wissen wir, dass hohes Übergewicht auch ein Risikofaktor für Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer ist", so Faust.
Für Lydia Zährl waren die 3200 Euro "die beste Investition meines Lebens". Das einjährige Programm wurde zu einer echten Bewährungsprobe: "Wenn ich das schaffe, wird das eine echte Kehrtwende in meinem Leben", sagte sie sich in dieser Zeit und vollzog parallel zum Diät-Programm gleich noch die Trennung von ihrem langjährigen Lebenspartner. "Mir war einfach klar geworden, dass ich seit Jahren nicht glücklich war und das mit Essen kompensierte." Der Hunger war kein physiologischer, sondern ein emotionaler. Das zu unterscheiden und andere Strategien zu finden, um vermeintlichem Hunger zu begegnen, lernte sie in der Verhaltenstherapie. "Wenn ich Trost brauche, brauche ich eben keinen Riegel Schokolade, sondern ein Gespräch mit einer Freundin."
Halt gab ihr in dieser Zeit auch und vor allem das wöchentliche Treffen mit der Gruppe. Auch nach Ende des Programms treffen sich die Teilnehmer weiterhin zum Sport. "Wir haben eine Whats-App-Gruppe eingerichtet. Immer, wenn ich schwach werde, funke ich das in die Gruppe und bekomme dann stärkendes Feedback", erzählt Zährl. Kleinere Rückfälle kommen immer mal vor, aber sie hat gelernt damit umzugehen. Außerdem weiß sie jetzt, dass ein Teelöffel Öl auch reicht, wenn sie Fleisch anbrät, und dass eine ihrer größten Essfallen der Käse war. "Von Cola und Fast Food hatte ich mich schon immer ferngehalten, mein Problem waren eher die Portionsgrößen. Ich hatte irgendwie das Maß verloren", sagt Zährl rückblickend.
Auch wenn das Verlangen nach Süßem immer noch da ist, weiß sie inzwischen, dass sie ihre Esslust unter Kontrolle hat. "Ich bin und bleibe ein Junkie, erst vor kurzem musste eine ganze Tafel Luftschokolade dran glauben, aber ich kann das heute besser ausgleichen."
Auch mit Sport. Sie besucht Tanzkurse und geht in die Disco. Außerdem joggt sie - regelmäßig und ohne zu keuchen. Immerhin hat sie 65 Kilo abgenommen. Interessante Begleiterscheinung ihres neuen Körpergefühls: "Die Männer in der Firma haben mich früher überhaupt nicht wahrgenommen, heute halten sie mir die Tür auf."