Pharma-Experte rät zu älteren Präparaten„Neue Pillen sind risikoreicher“
Herr Glaeske, müssen sich Mädchen und Frauen, die die Pille nehmen, heute Sorgen machen?
Ja und nein. Die Pille ist ein sehr sicheres und angenehmes Verhütungsmittel, das seit 1961 viel dazu beigetragen hat, dass Frauen freier mit ihrer Sexualität umgehen können. Aber es wird oft vergessen, dass jedes Arzneimittel, das wirkt, unerwünschte Nebenwirkungen hat. Und die neueren Pillen der dritten und vierten Generation sind nachweislich risikoreicher als ältere Präparate.
Was heißt das genau?
Studien haben gezeigt, dass bis zu 14 von 10 000 Frauen, die diese Pille nehmen, eine Thrombose entwickeln. Das sind doppelt so viele Krankheitsfälle wie bei den Präparaten der ersten und zweiten Generation. Die älteren Pillen sind nachweislich sicherer.
Warum gibt es dann die neuen Pillen auf dem Markt überhaupt?
Die Pharmahersteller haben herausgefunden, dass die meisten Frauen ihrer Pille sehr lange sehr treu sind. Der Pillenmarkt ist also lukrativ und deswegen hart umkämpft, im Wesentlichen wird er von Bayer und Jenapharm beherrscht. Bei vielen älteren Präparaten ist inzwischen der Patentschutz ausgelaufen und Nachahmerprodukte sind günstiger geworden. Das bedeutet: Obwohl die Pillen der zweiten Generation gut wirksam und verträglich sind, werden kontinuierlich neue Produkte auf den Markt gebracht, um noch mehr Umsatz zu generieren. Die neueren Pillen wie Yasmin, Yasminelle und Yaz versprechen laut Werbung vor allem schönere Haut und Haare, die Internetseiten suggerieren Wohlfühlen und Wellness. Doch es steht fest, dass diese Pillen ein höheres Risiko für Thrombosen und auch Lungenembolien mit sich bringen.
Einige der geschädigten Frauen gehen inzwischen an die Öffentlichkeit, auch in Deutschland. Sie berichten von lebensgefährlichen Thrombosen und Embolien, die sie wegen der Pille erlitten haben. Sind das Einzelfälle?
Nein, aus meiner Sicht eher nicht. In den USA hat Bayer den Geschädigten bereits 1,9 Milliarden Dollar ohne Gerichtsbeschluss gezahlt, das können alles keine Einzelfälle mehr sein. Diese Nebenwirkungen hängen meiner Meinung nach mit dem Typ der Pille zusammen. Drospirenon, ein Wirkstoff vieler neuer Pillen, könnte möglicherweise das Blut verdicken. Alle Risiken zusammengenommen gäbe es sogar gute Gründe, die Verfügbarkeit der Pillen der dritten und vierten Generation einzuschränken und einige ganz vom Markt zu nehmen.
Was raten Sie Frauen, die die Pille nehmen?
Vor allem zu Beginn der Einnahme sollten sie sich ausführlich mit ihrem Arzt zu besprechen. Besonders, wenn unerwünschte Wirkungen auftreten. Auch wenn das Risiko nach längerer Einnahmezeit geringer sein mag: Wir empfehlen Frauen, die eine der neueren Pillen nehmen, auf eine ältere umzusteigen. Wir dürfen nicht vergessen, hier geht es um gesunde Frauen und jede Erhöhung des Risikos kann zum Problem werden. Für mich ist es unbegreiflich, dass aktuell immer noch zwei von drei Frauen die risikoreicheren Pillen verschrieben bekommen.