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Tipps zur ErziehungÜber den Sinn und Unsinn von Klassenfahrten

Lesezeit 4 Minuten

Eltern, die ihre Kinder zu einer Klassenfahrt bringen

Torben Danielzik ist einer von den Eltern, die ihr Kind nicht mit auf Klassenfahrt fahren lassen. Zumindest damals nicht, vor vier Jahren. Sein Sohn war acht und besuchte die zweite Klasse einer Grundschule im sozialen Brennpunkt von Gelsenkirchen.

"Schon in der Pause gab es laufend Raufereien, viele schwierige Kinder, die Lehrerinnen hatten die Schüler einfach nicht im Griff", sagt Danielzik, der im Internet den christlichen Blog zeltmacher.eu betreibt. Für zwei Übernachtungen sollte es auf einen Bauernhof gehen, doch der Familienvater hat die Einverständniserklärung nicht unterschrieben. "Ich habe den Lehrerinnen nicht vertraut und wollte nicht, dass mein Sohn auf der Fahrt durch Gruppenzwang in eine ungute Situation kommt, ob als Opfer oder Täter. Wir fanden ihn mit acht Jahren zu jung und zu wenig objektiv dafür."

Besuch der Parallelklasse

Und das Kind selbst? "Er hat nicht groß über die Fahrt nachgedacht, uns dann aber verstanden, als wir erklärten, warum wir nicht wollten, dass er mitfährt." Dann bat die Lehrerin den Vater zum Gespräch. "Zwischen Tür und Angel argumentierte sie mit der bestehenden Schulpflicht." Danielzik blieb bei seiner Meinung, unterschrieb immer noch nicht. Von der Möglichkeit, dass sein Sohn während der Klassenfahrt auch in die Parallelklasse gehen kann, hat er erst später von der Direktorin erfahren. Die Lehrerin hatte nichts davon gesagt.

Danielziks Sohn ist damals zu Hause geblieben. "Probleme im Nachhinein gab es deswegen in der Klassengemeinschaft nicht. Bereut haben wir unsere Entscheidung auch nicht. Wir hatten sogar das Gefühl, dass andere Eltern denselben Wunsch und ähnliche Gedanken hatten wie wir, und diese nur nicht geäußert haben, vielleicht auch, weil sie ihre Rechte gar nicht kennen."

Der Sohn von Torben Danielzik geht inzwischen auf ein Gymnasium, in der sechsten Klasse hat er an der Klassenfahrt teilgenommen. Ohne Probleme. Seine jüngere Schwester besucht eine andere Grundschule, sie wird in der dritten Klasse ebenfalls mit auf Klassenfahrt fahren. "Ich habe nichts Generelles gegen Klassenfahrten, doch damals an dieser Schule war es einfach eine spezielle Situation", sagt der Familienvater rückblickend. "So lange die Aufsichtspflicht tatsächlich gewahrt ist, ist es für uns in Ordnung."

Die berühmte Aufsichtspflicht, sie ist der Job der Lehrer auf diesen Fahrten. Und meistens ist es kein leichter. In einem anonymen Online-Lehrerforum schreibt eine Internet-Nutzerin zum Thema Klassenfahrten: "Für die Kollegen ist es eine unglaublich, unfassbar anstrengende Angelegenheit, ich kenne überhaupt kaum Berufe, wo man fünf bis acht Tage lang 24 Stunden im Dienst ist. Für Kollegen mit Kindern, pflegebedürftigen Eltern oder Krankheiten ist es zum Teil eine organisatorische Katastrophe. Wenn man wiederkommt, ist man so fertig, wie es sich nicht in Worte fassen lässt."

Wieviel Sinn macht eine Klassenfahrt?

Auch am Sinn der Fahrten zweifelt sie: "Meiner Beobachtung nach gehen auf einer Klassenfahrt genau so viele zwischenmenschliche Beziehungen kaputt, wie aufgebaut werden. Es gibt schüchterne oder komplexbeladene Schüler, für die das enge Aufeinander die Hölle ist. Es gibt Klassen, die hinterher gespaltener sind als vorher."

Ein weiterer Schreiber im Forum pflichtet ihr bei: "Als älterer Kollege, der kurz vor der Pension steht und jahrzehntelang Klassenfahrten unternommen hat, kann ich nur mitteilen, dass die Verbesserung der Sozialgemeinschaft durch eine Klassenfahrt überschätzt wird. Oft habe ich im Gegenteil erlebt, dass sich ungute soziale Strukturen in der Klasse weiter verfestigt haben und auch sehr oft die Leistungsbereitschaft danach eher nachgelassen hat."

Ralf Hoffmeister, Leiter der Albert-Schweizer Grundschule in Köln-Weiß, kann diese Einstellung nicht nachvollziehen. Er hält Klassenfahrten für absolut sinnvoll, seiner Meinung nach sind sie ein Muss, auch in der Grundschule. "Auf den Fahrten entsteht ein Wir-Gefühl, das anders ist als auf einem Tagesausflug. Die Schüler bleiben abends ein bisschen länger auf, der Lehrer liest vielleicht noch etwas vor, das ist ein Spaß, den man ohne eine Fahrt schlichtweg nicht hat."

Jede Klassenfahrt verfolge Ziele und sei auch im Unterricht Thema. "Alle erzählen davon. Wenn ein Kind nicht dabei war, ist es in diesem Moment raus." Auch Hoffmeister hat an seiner Schule schon mit einigen Eltern diskutiert, die ihre Kinder nicht mitfahren lassen wollten. Das häufigste Argument: Die Grundschüler seien zu jung für den mehrtägigen Ausflug. "Aber das sind sie nicht. Wir fahren ja meist am Ende des dritten oder am Anfang des vierten Schuljahrs. Da haben die Kinder ihr Rüstzeug schon mitbekommen. Ich sehe das Problem eher bei den Eltern. Viele können nicht loslassen, aber genau das müssen sie lernen."