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Wetter-Phänomene„Häufiger hohe Niederschläge“

6 min

Das Radarbild zeigt den Niederschlag von Dienstag zwischen 22 und 23 Uhr. Bonn und die Region weisen dabei mit die höchsten Werte auf.

Guido Halbig kennt sich gut mit Phänomenen wie dem Starkregen am Dienstag aus. Moritz Rosenkranz sprach mit dem Diplom-Meteorologen über das Wetter - ohne Smalltalk.

Wo kommt dieses ganze Wasser her, das in den vergangenen Tagen vom Himmel gefallen ist?

Wir haben im Moment eine Wetterlage, in der sich feuchte, warme Luft über Deutschland hält. Die führt immer wieder zu Gewittern. Das ist an sich nichts ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist, dass diese Lage über mehrere Tage anhält und mit sehr starken Unwetterereignissen verknüpft ist, so wie in Münster, wo in wenigen Stunden 300 Liter pro Quadratmeter runterkamen. Das war rekordverdächtig.

Müssen wir uns darauf einstellen, dass so etwas in Zukunft häufiger stattfindet?

Wir haben Berechnungen, wie sich das Klima in den nächsten 100 Jahren in Deutschland entwickeln wird. Diese Modelle zeigen, dass man bis Mitte des Jahrhunderts mit der Zunahme von solchen Starkniederschlagsereignissen rechnen muss. Auch danach deutet einiges auf eine weitere Zunahme bis Ende des Jahrhunderts hin.

Was bedeutet das konkret?

Diese Entwicklung verläuft nicht linear. Das Wetter ist jedes Jahr anders. Es wird aber häufiger wärmere Sommer geben und immer häufiger auch Sommer wie dieses Jahr, wo es zu hohen Niederschlägen kommt.

Hitzewellen drohen

Sind andere Extreme denkbar?

Ja. Ein Beispiel sind Hitzewellen, die besonders Städte betreffen. 2003 hat es in ganz Europa mehrere 10 000 Hitzetote gegeben. Das ist eine große Bedrohung, vor allem für ältere und kranke Menschen. Was Stürme angeht, zeigen die Modelle noch keine eindeutigen Ergebnisse.

Wie belastbar sind die Modelle?

Das ist, als würden Sie die Wirtschaftsweisen heute fragen, wie in drei Jahren das Bruttoinlandsprodukt ist. Es beruht zwar auf wissenschaftlichen Gleichungen, da man aber sehr lange in die Zukunft rechnet, ist es mit großen Unsicherheiten verbunden. Man rechnet aber mit einer Vielzahl von Modellen und schaut dann, in welcher Bandbreite sich die verschiedenen Ergebnisse bewegen. Relativ sicher können wir sagen, dass die Durchschnittstemperatur weiter ansteigen wird, die Sommer sehr trocken werden, aber punktuell diese hohen Niederschläge zu erwarten sind.

Wie vorhersehbar sind solche Extremwetterlagen?

Großwetterlagen wie etwa ein Elbhochwasser ist ein bis zwei Wochen im Voraus zu erkennen. Diese extremen Gewitter haben nur etwa eine Vorlaufzeit von einer Stunde, weil die Lebensdauer von Gewitterwolken nicht viel länger ist. Man weiß nie genau, wo die entstehen. Ich empfehle, unsere ständig aktualisierten Warnkarten im Internet zu nutzen.

Schwere Unwetter mit Starkregen fluten die Keller - oder die Kanalisation schafft die Wassermassen nicht, und es drückt durch die Abflussrohre nach oben in das Haus. Nach dem Abpumpen müssen Betroffene die Wasserschäden schnellstmöglich beheben - aber vorher diese noch für die Versicherung dokumentieren. Was ist beim Aufräumen wichtig und wann sollte Hilfe vom Experten eingeholt werden?

Vor dem Aufräumen - möglichst sogar noch vor dem Abpumpen - muss die Situation für die Versicherung dokumentiert werden, am besten mit Fotos. Außerdem wird eine Liste der beschädigten Gegenstände erstellt. Schäden direkt am Gebäude zahlt die Wohngebäudeversicherung - aber nur, wenn extra eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen wurde. Für alle Schäden am Wohnungsinventar ist die Hausratversicherung zuständig, ebenfalls mit Elementarschadensklausel in den Verträgen.

Komplett aufräumen darf man erst, wenn der Versicherer dem zustimmt. Das bedeutet: Zerstörte Gegenstände sollten erst nach Rücksprache entsorgt werden. Aber Gefahrenquellen dürfen beseitigt und so abgesichert werden, dass kein weiterer Schaden entsteht. Die gefluteten Räume dürfen also getrocknet werden - denn das muss schnell geschehen, damit sich kein Schimmel bildet und damit noch mehr Schaden entsteht.

Elektrogeräte dürfen erst wieder an das Stromnetz, wenn sicher ist, dass sie nicht durch Feuchtigkeit Schaden genommen haben. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) rät sogar dazu, sie vom Fachmann überprüfen zu lassen. Nasse und kaputte Möbel müssen ausgeräumt werden. Werden sie entsorgt, dürfen sie genauso wie verdorbene Lebensmittel nicht in den Hausmüll kommen. Sie werden extra entsorgt.

Böden, Wände und eventuell auch Dämmmaterialien sind nass. Wenn das Wasser nur kurz im Keller gestanden hat, reicht es oft schon aus, über mehrere Tage kräftig durchzulüften. Insbesondere moderne Betonkeller trocknen gut aus. Schwieriger ist es, wenn Gipskartonwände verbaut wurden: Diese saugen sich vergleichsweise schnell voll und müssen entweder mit einem Luftentfeuchter getrocknet oder sogar ersetzt werden.

Entsteht beim Lüften nicht genügend Durchzug, bleibt nur der Gang in den Baumarkt: Diese vermieten Trocknungsgeräte, mit denen sich der Keller innerhalb weniger Tage trockenlegen lässt. Ein Hygrometer zeigt, wie der Trocknungsprozess voranschreitet. Liegt die Luftfeuchtigkeit unter 65, besser 60 Prozent, ist der Keller im Prinzip wieder trocken.

Etwa dann, wenn eine Dämmung aus natürlichen Materialien wie Schafswolle oder Algen feucht wurde. Hier bildet sich leicht Schimmel, wird sie nicht fachmännisch trockengelegt. Gleiches gilt für gedämmte Estrichböden: Im Zweifel müssen sie aufgebohrt und ausgetrocknet werden. Das ist allerdings keine Aufgabe für Hobby-Heimwerker.

Böiger Wind kann Regen gegen die Schwerkraft nach oben und unter die geschlossene Ziegeldecke des Dachs drücken, erläutert der Verband Privater Bauherren (VPB). Nach einem Sturm sollten Hausbesitzer daher ihr Gebäude von oben bis unten auf solche Wasserschäden kontrollieren.

Bilden sich hässliche Flecken an den Dachschrägen, muss das baldmöglichst repariert werden. Denn nasser Dämmstoff isoliert nicht mehr. Und an nassem Holz wachsen Pilze, es fault. Außerdem kann sich Schimmel im Dachstuhl bilden, der über die innere Wandverkleidung in die Raumluft gelangt, was gesundheitsgefährdend ist. Ist Wasser an der Hauswand heruntergelaufen, kann es ebenfalls zu Schäden kommen. (dpa/js)

Was können Städte und Gemeinden tun, um sich vor Hochwasser zu schützen?

Wichtig ist es, Versickerungsflächen zu schaffen. Das größte Problem ist, dass die Kanalisation diese großen Wassermengen in kurzer Zeit nicht aufnehmen kann. Ein Ausbau wäre zu teuer. Es braucht eine Reihe von kleineren Maßnahmen: Begrünte Flachdächer als Zwischenspeicher etwa. Ich appelliere auch an die Leute, ihre Vorgärten nicht komplett zuzupflastern, sondern so zu gestalten, dass für Auto und für Grün Platz ist. Es braucht Rasenflächen.

Entsiegelung nötig

In Städten wie Bonn ist ein Großteil der Fläche aber versiegelt. Was kann man hier tun?

Da gibt es neue Modelle, die etwa Sportplätze oder Kinderspielplätze als Zwischenspeicher vorsehen und diese überfluten. Oder auch ganze Straßenzüge. bei denen man die Bordsteine höher legen könnte. Entsiegeln ist ganz wichtig, zum Beispiel bei riesengroßen Parkplätzen von Baumärkten. Da könnte man Rasensteine pflastern, die das Wasser versickern lassen. In kleineren Städten gibt es oft außen herum Flächen, die für den Hochwasserschutz ausgewiesen werden müssen.

Kann man in Deutschland denn von anderen Ländern noch etwas lernen?

Wir lernen derzeit viel von den Holländern, die ja von Anbeginn mit der Gefahr leben, total überflutet zu werden, wenn die Deiche brechen. Auch aus Ländern in tropischen Bereichen gibt es sicherlich Ideen, die wir nutzen könnten.

Meine Wetter-App auf dem Handy sagt jetzt bis zum Wochenende Sonnenschein voraus in Bonn. Ist das glaubwürdig?

Im Moment stabilisiert sich die Wetterlage, die Niederschlagswahrscheinlichkeit nimmt ab. Aber es scheint so, dass es Anfang nächster Woche wieder losgeht. Die Labilität steigt, sprich die Möglichkeit für Gewitter nimmt dann wieder zu.