Hermann-Josef Esser stand acht Jahre an der Spitze der Gemeinde Kall. Seine Kollegen wird er vermissen. Aus der CDU ist er ausgetreten.
Abschied aus der PolitikKaller Ex-Bürgermeister blickt auf eine Amtszeit voller Krisen zurück

Seinen Schreibtisch im Kaller Rathaus hat Hermann-Josef Esser geräumt. Vermissen werde er die Kollegen, nicht aber die Bürokratie.
Copyright: Wolfgang Kirfel
„Es war keine leichte Zeit, aber trotzdem sind die acht Jahre als Bürgermeister an mir wie im Zeitraffer vorbeigerauscht“, sagt Hermann-Josef Esser, der bis Ende Oktober Bürgermeister in Kall war. Er blicke ohne Bedauern auf die Zeit als Verwaltungschef zurück: „Trotz Corona und der Flut haben wir viel erreicht. Doch diese und andere Ereignisse haben auch Spuren hinterlassen.“
Seine politische Laufbahn hat Esser vor 26 Jahren in Blankenheim begonnen. Dort engagierte er sich als Sachkundiger Bürger im Ausschuss für kommunale Betriebe. Fünf Jahre später wurde er Ratsmitglied, weitere fünf Jahre später Fraktionsvorsitzender der CDU. Die Erfahrungen aus dieser Zeit seien auch in Kall hilfreich gewesen.
Corona, Flut, Abwahlverfahren – Esser blickt auf bewegte Zeiten zurück
„Die Zeiten als Bürgermeister waren nicht einfach. Corona 2020 und das Hochwasser im Juli 2021 waren einschneidende Ereignisse“, so der 61-Jährige. Hinzu seien die Bemühungen um ein Abwahlverfahren Ende 2021/Anfang 2022 und die Anzeigen gegen seine Person gekommen. Mit der Ampel, die sich 2022 gebildet hat, habe er stets sachorientiert zusammengearbeitet.
„Man sieht ja, dass sich in Kall viel getan hat“, so Esser. Die Bahnhofstraße sei kaum wiederzuerkennen. Zum einen sei die Straße neu gestaltet worden, zum anderen seien die Wohn- und Geschäftshäuser errichtet und der Bahnhofsvorplatz umgestaltet worden. Auch das sanierte Rathaus trage zu dem neuen Bild bei.
Das Verhältnis zur CDU kühlte nach der Wahl recht schnell ab
Im Bereich Wiederaufbau habe man schon einiges erreicht: Die Sanierung der Grundschule in Kall und der Neubau der Brücke am Weiherbenden seien Kraftakte gewesen. Die seit Jahren andauernde Sanierung des Rathauses sei auf einem guten Weg. Um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, müsse die Gemeinde moderne Büros anbieten.
Schwer verändert hat sich in den vergangenen Jahren Essers Verhältnis zur CDU. Schon relativ schnell nach seiner Wahl zum Bürgermeister kühlte das Verhältnis zur Fraktion merklich ab. Immer wieder kam es vor, dass Esser und die Christdemokraten im Rat unterschiedlich abstimmten.
In Teilen der CDU gibt es die Meinung, dass die Bürgermeister an der kurzen Leine gehalten werden müssen.
„Ich sehe meinen Fall in einer Reihe mit mehreren anderen, die davor lagen“, so der Sötenicher. „Angefangen hat die Entwicklung 2009, als man Günter Rosenke nicht mehr als Landrat haben wollte. Seitdem hat die CDU nicht mehr den Landrat gestellt.“ Ohnehin war dies das Seuchenjahr der CDU: In Blankenheim stellte sich die Union gegen ihren Bürgermeister Rolf Hartmann, der trat aus der Partei aus und wurde zweimal wiedergewählt. Und in Hellenthal stand die Partei nach langen Querelen ohne Bürgermeisterkandidat da.
Bereits aus 2004 datiert die Klatsche des damaligen CDU-Bürgermeisters Christoph Lorbach gegen den parteilosen Ralf Hergarten in Schleiden. 2016 folgte das auch von der Weilerswister CDU angestrengte Abwahlverfahren gegen die eigene Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst. Sie trat aus der Partei aus, überstand das Abwahlverfahren, wurde 2020 wiedergewählt.
Nach mehr als 20 Jahren verließ Hermann-Josef Esser die CDU
„In Kall meinte man jemand gefunden zu haben, der es besser macht“, so Esser. Der habe sich dann aber aus nachvollziehbaren Gründen relativ schnell zurückgezogen. Erkennbar sei das immer gleiche Muster. „In Teilen der CDU gibt es die Meinung, dass die Bürgermeister an der kurzen Leine gehalten werden müssen“, so Esser. „Das war vielleicht früher mal so, aber die Zeiten sind vorbei.“
Neben der Gemengelage in Kall seien es dann die Avancen gewesen, die Friedrich Merz im Januar auf Bundesebene der AfD gemacht habe. „Wir brauchen eine Verschärfung der Asylregelungen, aber so hätte ich es nicht eingestielt“, sagt Esser. Das sei für ihn das Ende der Brandmauer gewesen. Und das hat ihn bewogen, nach mehr als 20 Jahren aus der CDU auszutreten.
Da wurde mit großem Einsatz Schutt, Müll und Dreck beseitigt.
Überrascht sei er darüber gewesen, dass die Menschen nach der Flut die Bürgermeister mehr draußen sehen wollten: „Es war aber die Aufgabe des Allgemeinen Vertreters Michael Heller und von mir, das abgesoffene Rathaus wieder ans Laufen zu bringen. Und es war ja auch immer noch Corona.“ Offensichtlich werde die Außenwirkung aber immer wichtiger. In gewisser Weise entwickele man sich zurück zu einer Doppelspitze, wie es sie früher gegeben habe: „Damals haben die Stadt- und Gemeindedirektoren den Laden geschmissen, und der ehrenamtliche Bürgermeister hat repräsentiert.“ In den heutigen Verwaltungen müsse den Bürgermeistern oft der Rücken frei gehalten werden, damit sie repräsentieren können.
Positiv bleibe ihm in Erinnerung, wie die Mitarbeiter der Gemeinde nach der Flut im Rathaus angepackt haben: „Da wurde mit großem Einsatz Schutt, Müll und Dreck beseitigt.“ Auch die Hilfs- und die Spendenbereitschaft nach der Flut sei toll gewesen. Der Lichterzug sei eine schöne Aktion in dunklen Zeiten gewesen.
Langweilig wird es Esser auch nach dem Abschied aus dem Rathaus nicht: „Im Privaten ist in den vergangenen Jahren einiges auf der Strecke geblieben.“ So müsse er sich dringend um sein vermietetes Haus in Blankenheim und sein Domizil in Sötenich kümmern. Außerdem wolle er sich mehr sportlich betätigen. „Vielleicht kann ich auch mal einen längeren Urlaub machen. Das war bislang kaum möglich.“ Im nächsten Sommer werde er sich dann nach einem neuen Job umschauen: „Ob man da mit 61 noch einmal unterkommt, wird man sehen.“ Er interessiere sich für den öffentlichen Dienst und die Energiewirtschaft.
Vermissen werde er die Kollegen, mit denen er viel Zeit verbracht habe. „Nicht vermissen werde ich die Bürokratie, die einem den letzten Nerv raubt.“

