„Scoring Girls“Tugba Tekkal erhält den Ehrenamtpreis für ihr Integrationsprojekt
Köln – Am Anfang waren Tugba Tekkals Eltern gar nicht davon begeistert, dass ihre Tochter Fußball spielen wollte. „Die fanden: Mädchen sollten nicht mit Schrammen an den Beinen nach Hause kommen. Sowas gehört sich einfach nicht“, sagt Tekkal. Aber das hielt sie nicht vom Spielen ab. „Ich habe heimlich mit den Jungs auf der Straße gekickt.“ Anfangs nahmen ihre Brüder sie mit zum Fußballspielen. Aber das änderte sich schnell. „Als die gemerkt haben, was ich am Ball kann, haben die Freunde meiner Brüder nur noch mich angerufen, wenn sie auf den Bolzplatz gegangen sind“, erzählt sie.
Als sie 17 war, verlor sie eine Wette gegen einen ihrer Brüder. Beim Länderspiel setzte sie auf Deutschland, ihr Bruder auf Italien – und damit lag er richtig. Vorher hatten sie abgemacht, dass er sie im Fußballverein anmeldet, wenn sie verliert. Die Eltern durften davon nichts wissen. „Meine Klamotten haben manchmal etwas gestunken“, sagt Tekkal. „Weil ich sie mehrmals angezogen habe. Sonst wäre meiner Mutter beim Wäschewaschen vielleicht was aufgefallen.“ Fast ein Jahr lang wussten die Eltern nicht, dass ihre Tochter beim TSV Havelse spielte. Irgendwann bekam sie ein Angebot vom Hamburger SV. 2009 wechselte Tekkal dann zum 1. FC Köln.
Tugba musste Eltern von Flüchtlingskindern überreden
Letztes Jahr startete sie das Projekt „Scoring Girls“, für das sie jetzt mit dem Ehrenamtspreis ausgezeichnet wird: Einmal pro Woche trainiert sie mit Mädchen aus Flüchtlingsfamilien. „Die Idee hatte ich schon lange“, sagt sie. „Als Mädel mit Migrationshintergrund habe ich mich gefragt: ,Was kannst du tun?’“ Also ging sie in Flüchtlingsheime und suchte Mädchen, die Lust hatten, Fußball zu spielen. Zuerst musste sie aber die Eltern überzeugen. „Mädchen spielen doch kein Fußball!“, fanden die etwa. Viele der Sorgen kannte Tekkal schon von ihren jesidisch-kurdischen Eltern, die aus der Türkei nach Deutschland geflohen waren. Jetzt musste sie sich wieder damit auseinander setzen. „Ein wenig hat das schon genervt“, sagt sie. „Andererseits kann ich es aber auch verstehen. Dort ist es halt nicht normal, dass Mädchen Fußball spielen.“
Zwischen 15 und 20 Mädchen kommen zu den Trainingseinheiten. Sie stammen aus dem Irak, Syrien, Iran oder Afghanistan. Die Mädchen aus den Flüchtlingsfamilien bleiben aber nicht unter sich – auch deutsche Mädchen dürfen mitmachen. „Integration funktioniert nirgendwo so gut wie im Sport“, sagt Tekkal. „Hier kommt es nicht drauf an, wo du herkommst, sondern nur, ob du Fußball spielen kannst.“
Vor Kurzem hat „Scoring Girls“ ein Sommerfest gefeiert. Die Eltern der Mädchen waren mit dabei – und aus den Sorgen scheint Stolz geworden zu sein. „Die kamen und haben gefragt: Meine Tochter ist doch gut, oder?“ Wie es aussieht, spielen Mädchen also doch Fußball. „Wenn es dieses Umdenken gibt, finde ich das super“, sagt Tekkal. Auch das hat sie selbst alles schon erlebt. „ Meine Eltern haben damals gesehen, was der Fußball mit mir macht“, sagt sie. „Wie ich aufblühe.“ Noch heute hängt ihre erste Autogrammkarte bei den Eltern zu Hause an der Pinnwand.