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Abschied von Jakob SchüllerVom Dozenten zum Leiter der Volkshochschule

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Jakob Schüller, scheidender Leiter der VHS, in seinem Büro

Jakob Schüller, scheidender Leiter der VHS, in seinem Büro

Jakob Schüller, 66, seit zehn Jahren Leiter der Volkshochschule Köln, geht in den Ruhestand. 

Herr Schüller, nach 33 Jahren verlassen Sie die VHS zum Jahresende. Das Jahresthema für 2024 haben Sie noch festgelegt: Zusammenhalt. Wo brauchen wir den besonders?

Es ist beängstigend, wie stark der Antisemitismus angestiegen ist und was sich in Deutschland und gerade in Großstädten abspielt. Es ist bedrohlich und bedrückend, dass Juden in Deutschland wieder Angst haben müssen, ihre Religion frei zu leben. Wir kooperieren schon lange mit der Synagogengemeinde und haben uns bewusst noch mal klar positioniert. Da passt das Thema „Zusammenhalt“ ganz besonders gut.

Sie haben sich seit Beginn Ihrer Laufbahn immer für das Thema Weiterbildung stark gemacht. Warum?

Zuerst einmal ist es ein großes Privileg, eine berufliche Tätigkeit zu haben, die sinnstiftend ist und mit der man was für die Menschen in dieser Stadt tun kann. Ich habe es bereits zum 100-jährigen Jubiläum der VHS im Jahr 2019 gesagt: Bildung ist das Fundament der Demokratie. Demokratie braucht Bildung, sie braucht aber auch Orte des Einübens und Lernens. Und die Volkshochschule ist ein solcher Ort.

Wie kamen Sie an die Volkshochschule?

Ich habe Lehramt studiert und anschließend ein Referendariat gemacht. Dann wurde ich wie viele andere Mitte der 80er Jahre in die Arbeitslosigkeit entlassen.  Der damalige Fachbereichsleiter in Porz hat damals zu mir gesagt: ‚In der VHS tut sich jetzt eine ganze Menge. Aber wenn du eine Chance haben willst, eine feste Anstellung zu finden, dann musst du erst mal bei mir als Dozent anfangen.‘ Und das habe ich dann auch getan. Ich habe politische Bildung und EDV unterrichtet. Wobei es damals bei uns noch gar keine PCs gab, die Programmiersprache wurde nur theoretisch auf dem Papier gelernt. Das kann man sich kaum noch vorstellen.

Wie ging es dann für Sie weiter?

1989 wurde eine Stelle ausgeschrieben als pädagogischer Mitarbeiter für politische Bildung im Haus Balchem in der Südstadt. Das Projekt für junge Auszubildende war eine Kooperation mit dem DGB und politisch damals umstritten. Im Rat wurde gemutmaßt, wir würden da eine linke Kaderschmiede aufbauen. Aber wir haben es trotzdem gewagt. Dann wurde eine Zweigstelle der VHS im Stadtbezirk Kalk gegründet und ich ging dorthin.  Das war eine tolle Zeit. Wir konnten unter guten Bedingungen Weiterbildungen entwickeln. Kalk war damals ein Industriestandort wie Mülheim, aber schon im Wandel.  Wir haben versucht, diesen Umbruch mitzugestalten.

Die Dezentralisierung der Weiterbildung - Sie haben selbst oft gesagt, das sei Ihr Lieblingsthema. Nach wie vor?

Ja. Köln war damals bundesweit Vorreiter in der Weiterbildungslandschaft. Wir hatten Anfang der 90er Jahre das, was man heute Sozialraumorientierung nennt, also wohnortnahe Weiterbildungen direkt vor Ort. Ich bin damals zu Konferenzen auf Bundesebene eingeladen worden und habe dort das Kölner Modell vorgestellt. Die VHS hatte zu der Zeit viele Standorte: Mülheim, Porz, Ehrenfeld, Lindenthal, Rodenkirchen und Kalk. Erst 2005/2006 gab es die sogenannte Aufgabenkritik in der Stadtverwaltung und es wurde entschieden, die Mehrzahl der Standorte aufzugeben. Es gab damals auch eine stadtweite Bildungsberatung. Davon träumen wir heute nur.

Das war ein riesiger Einschnitt damals.

Das hat man auch an den Teilnehmerzahlen gemerkt. Die sind natürlich heruntergegangen. Als ich 2013 Leiter der VHS wurde, habe ich gesagt: Wir müssen unbedingt wieder in die Veedel zurück. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, weil die Gebäude von damals anders genutzt werden. Aber zum Beispiel ist es in Mülheim, Porz und Chorweiler gelungen, wieder ein wohnortnahes Angebot anzubieten und Ansprechpartner vor Ort zu haben. Da geht es auch um Alphabetisierung, Lesen und Schreiben lernen.

Eine Volkshochschule ist ja quasi wie ein Gemischtwarenladen. Neben Koch- und Zeichenkursen gibt es Veranstaltungen zu politischer Bildung oder berufliche Qualifikationskurse. Hat das alles eine Berechtigung, nebeneinander zu existieren?

Auf jeden Fall. Wir sind gemeinwohlorientiert, das heißt nicht gewinnorientiert. Und unser Bildungsverständnis ist ein ganzheitliches. Also Bildung besteht nicht nur aus politischer Bildung oder aus Fremdsprachen lernen, sondern dazu gehört das ganze Spektrum, auch im Bereich Freizeit und Kultur. Auch wenn dort gerne und am ehesten gekürzt wird - das ist in der Vergangenheit schon vorgekommen. Allerding berufen wir uns auch auf das Weiterbildungsgesetz in NRW, da ist der ganzheitliche Bildungsauftrag verankert. Ich war auch insgesamt zwölf Jahre im Vorstand unseres VHS-Landesverbandes und habe dort versucht, auch bildungspolitische Themen voranzutreiben.

Aktuell steht der Fachkräftemangel im Fokus der VHS.

Wir haben eine große Abteilung, die beschäftigungsfördernde Weiterbildung. Das heißt, wir akquirieren ganz viele Projekte und Maßnahmen, um Leute wieder in Arbeit zu bringen oder ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln, damit sie ihren Arbeitsplatz erhalten können. Wir bieten viele Integrationskurse an, aber auch berufsbezogene Sprachförderung, also für bestimmte Gruppen, etwa im kaufmännischen Bereich oder für Mediziner. Bei dem Projekt Integration und Qualifizierung bieten wir zum Beispiel eine Beratung an, in der es um die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen geht.

Vor Corona hatte die VHS im Jahr mehr als 70.000 Anmeldungen, diese Zahlen konnten seitdem nicht mehr erreicht werden. Für welche Einschnitte ist die Pandemie verantwortlich?

Es war eine heftige Zeit. Zum einen, weil wir natürlich viele Teilnehmende verloren haben, zum anderen, weil es einfach unheimlich anstrengend war. Alles, wo Menschen näher in Kontakt kommen, beispielsweise Tanz oder Gymnastik, durfte gar nicht mehr stattfinden. Alle anderen Angebote mussten unter Abstandsregelungen oder nur mit Maske durchgeführt werden. Es war schwierig, immer wieder neue Verordnungen umzusetzen.  Das hat hier schon ganz schön vielen und auch mir persönlich zugesetzt. Positiv ist, dass viele digitale Angebote geblieben sind. Die Pandemie hat das Thema digitale Bildung gut vorangebracht. 

2015 sind sie in das neue Studienhaus am Neumarkt gezogen. Das war sicher ein Highlight Ihrer Karriere?

Ja, und es hatte lange gedauert. Nach dem Archiveinsturz war dort zuerst das Friedrich Wilhelm Gymnasium eingezogen, da sie ihr Gebäude verlassen mussten. Aus ein paar Wochen bis zu den Sommerferien wurden damals vier Jahre. Noch mal zwei Jahre später konnten wir nach der Sanierung einziehen. Es war nicht einfach, den Betrieb in der Zwischenzeit aufrechtzuerhalten. Da war die Freude beim Wiedereinzug groß, der Standort im Herzen der Stadt ist einfach unschlagbar. Viele Volkshochschulen beneiden uns um das Studienhaus. In der Corona-Zeit war zeitweise auch die Kontaktverfolgung des Gesundheitsamtes bei uns untergebracht.

Was werden Sie am meisten vermissen?

Den Kontakt und den Austausch mit anderen. Mit Kolleginnen und Kollegen in der VHS, aber auch in der Weiterbildungslandschaft Köln.  Was ich nicht vermissen werde, sind die teilweise schwierigen Verhandlungen innerhalb der Stadtverwaltung und die teilweise zähen Abstimmungsprozesse. Leute davon zu überzeugen, dass Bildung und auch Weiterbildung wichtig ist. 

Was haben Sie sich für den Ruhestand vorgenommen?

Ich kann nicht ganz von der Weiterbildung lassen. Ich will mich ehrenamtlich beim Projekt „Lesementor Köln“ engagieren. Es ist für Grundschulkinder, bei denen oftmals zu Hause nicht gelesen wird, die oft gar keine Bücher kennen. Sie werden dort gefördert. So eine Aufgabe kann ich mir gut vorstellen. 

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