Gegen AntisemitismusKölns Synagogen-Vorstand Abraham Lehrer fordert: „Alles muss auf den Prüfstand“

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An der Synagoge in der Roonstraße hängt ein Plakat auf dem die Rückkehr der Hamas-Geiseln gefordert wird.

Die Synagoge in der Roonstraße.

Dem Erstarken rechter Parteien, Antisemitismus und  Rassismus soll mit Bildung entgegengewirkt werden. VHS Köln und Synagogen-Gemeinde ziehen dabei an einem Strang.

„Wir müssen uns an einen großen runden Tisch setzen, Menschen zusammenführen und überlegen, was man gegen Antisemitismus tun kann. Und auch, was gegen Fremdenfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit und Rassismus zu tun ist. Das hängt alles ganz, ganz eng zusammen.“ Abraham Lehrer, Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln und stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, sieht dringenden Handlungsbedarf angesichts der gesellschaftlichen und politischen Situation in Deutschland. Das machte er bei einem Termin mit dem Leiter der Volkshochschule Köln am Montag deutlich.

Jakob Schüller, langjähriger Leiter des Amts für Weiterbildung und damit auch der VHS, teilt Lehrers Einschätzung. „Die Demokratie steht unter Druck. Das hat Ausmaße angenommen, die wirklich beunruhigend sind“, sagt Schüller. Seine Schlussfolgerung: „Zusammenhalt gewinnt in gesellschaftlich und politisch unruhigen Zeiten immer mehr an Bedeutung. “ Der Themenschwerpunkt für das VHS-Programm 2024 könnte deshalb nicht passender gewählt sein. Er heißt: Zusammenhalt.

VHS reagiert mit Veranstaltung auf aktuelle Situation

Das Jahresthema ist zwar bereits lange vor dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober gewählt worden, es hat jetzt aber noch einmal zusätzliche Bedeutung erlangt. Auf die aktuelle Entwicklung hat die Weiterbildungseinrichtung reagiert, indem sie den Gründer des Londoner Holocaust Research Center, den Historiker Professor Peter Longerich, zu einem Vortrag eingeladen hat. Am 18. April findet der Vortrag, der das Verhältnis der Deutschen zum Judentum beleuchtet, sowohl in Präsenz als auch als Livestream statt.

„Auch die VHS Köln möchte ein Zeichen des Zusammenhalts und gegen Antisemitismus setzen sowie ihre Solidarität und Verbundenheit mit Mitbürgerinnen und Mitbürgern jüdischen Glaubens zum Ausdruck bringen“, unterstreicht Schüller. Bereits seit 2015 gibt es zwischen der VHS Köln und der Synagogen-Gemeinde eine enge Kooperation, in der regelmäßig gemeinsame Führungen durch die Synagoge und zum jüdischen Friedhof in Deutz realisiert werden.

Lehrer berichtet von Angst unter Jüdinnen und Juden

„Die VHS hat einen Weg eingeschlagen, der richtig und bedeutsam ist. Ich bin der VHS sehr dankbar“, lobt Lehrer. Er berichtet erneut von den großen Sorgen vor Übergriffen in der jüdischen Gemeinschaft. Obwohl es seit dem Angriff der Hamas keine gravierenden Vorfälle in Köln gegeben habe, sei Angst und Vorsicht bei vielen jüdischen Familien allgegenwärtig. Viele verzichteten auf Unternehmungen oder nähmen ihre Kinder nicht mit zu Veranstaltungen der Gemeinde.

Frauenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sowie das Erstarken rechtspopulistischer Parteien sehen sowohl der VHS-Leiter als auch Abraham Lehrer als drängendes Problem. „Wir müssen alles auf den Prüfstand legen“, regt Lehrer an. „Auch wir als jüdische Gemeinschaft haben das Problem latentem Antisemitismus bei rund 20 Prozent der Bevölkerung nicht ernst genommen.“ Laut Lehrer liege ein Großteil der Problematik bei arabisch-stämmigen Migranten, die in ihrem Heimatland „damit gefüttert wurden, dass man Juden eliminieren muss“.

Abraham Lehrer (l.) und Jakob Schüller.

Abraham Lehrer (l.) und Jakob Schüller in der Synagoge an der Roonstraße.

„Ich bin der Meinung, man kann Werte verändern“, unterstreicht Lehrer. Das allerdings sei eine Frage, um die sich in Integrationskursen und über Bildungsangebote verstärkt gekümmert werden müsse. „Orientierungskurse müssen nachjustiert werden.  Demokratische Werte müssen mehr in den Blickpunkt gerückt werden“, räumt Schüller ein. Im VHS-Verband werde darüber diskutiert.

Wichtig sei aber vor allem, Bildung vor Ort anzubieten. Das mache die VHS. „Unser Bestreben ist es, in die Veedel zu gehen, gerade auch in Stadtteilen, wo die Zustimmung für rechtspopulistische Parteien besonders hoch ist“, sagt Schüller. Von den Bildungsangeboten verspreche er sich viel, sagt Lehrer: „Vor allem junge Menschen müssen imprägniert werden, so dass sie nicht den rechten Rattenfängern auf den Leim gehen. “


Noch nicht Vor-Corona-Niveau

70.000 Kursanmeldungen jährlich verzeichnete die VHS-Köln vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Dieses Niveau ist während der Pandemie erheblich gesunken. 

Auch 2023 liegt die Zahl der Kursanmeldungen mit rund 52.400 noch deutlich unter Vor-Corona-Niveau. 

4.800 Veranstaltungen wurden bei der VHS Köln 2023 angeboten. Davon waren 2.000 Sprachkurse. Es wurden 2.700 Einbürgerungstests gemacht und rund 550 Tests mit dem Titel Leben in Deutschland.

2024 plant die VHS im ersten Halbjahr 2800 Veranstaltungen. Davon sind 420 Online-Veranstaltungen.

1220 Kurse entfallen auf die Bereiche politische und kulturelle Bildung und Gesundheit. Rund 1000 Sprachkurse sind im Angebot. 280 unterschiedliche Angebote gibt es als Bildungsurlaub, der jedem Arbeitnehmer zusteht.

Zum Jahresthema „Zusammenhalt “hebt die VHS einige Veranstaltungen besonders hervor. Am 21. Februar 2024 findet ein Diskussionsabend Die Demokratie in der Krise statt. Am 16. Mai 2024 gibt es einen Talk mit Jürgen Domian am Vorabend des Internationalen Tages gegen Homo-,Bi- und Transphobie. Hilfen und Netzwerke für seelische Gesundheit in Kalk und  Mülheim stellen sich am 22. Februar vor. Einen Info-Abend über Angebote gegen Einsamkeit gibt es am 23. Mai..

Zwei Wettbewerbe richtet die VHS 2024 aus: einen Kreativwettbewerb zur Gestaltung der Semestermotive sowie  einen Schreibwettbewerb zum Thema Zusammenhalt.

Das Programm 2024 ist online und in einem Heft. Kurse können ab sofort gebucht werden. 

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