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Art DatingSingles können im Kölner Wallraf-Richartz-Museum jetzt den Partner fürs Leben finden

Lesezeit 4 Minuten

Premiere beim Art Dating im WRM.

Kunst gucken und den Partner fürs Leben finden - Art Dating könnte es möglich machen. Ein Besuch der Premiere.

Kurz vor 19 Uhr schenkt Dr. Stephanie Sonntag, Leiterin Bildung und Vermittlung im Wallraf-Richartz-Museum, Prosecco in Sektgläser. Im Atelier des Museumsdienstes im Erdgeschoss des Museums sind Stehtische aufgebaut. LED-Kerzen flackern, Knabbergebäck steht bereit. Sogar ein paar bunte Spotlights sind aufgebaut. „Wir haben uns Mühe gemacht, eine schöne Atmosphäre herzustellen“, sagt Sonntag. Eigentlich ist sie Kunsthistorikerin. Doch heute, bei der Premiere des neuen Angebots Art Dating, ist sie auch Gastgeberin für romantische Momente.

32 Menschen haben sich angemeldet. 16 Männer, 16 Frauen. „Wir haben darauf geachtet, dass es hinkommt“, sagt Sonntag, selbst ganz in Orange gekleidet, und schon ein bisschen aufgekratzt vor dem großen Moment. Ob die Idee, Kunst und Begegnung zu verknüpfen, aufgeht, wird sich am Ende des Abends zeigen. Immerhin: Mit Angelika Jung vom Institut für Visuelle Bildung begleitet die kunstinteressierten Singles eine erfahrene Moderatorin. 

„Zeigen Sie eine Seite von sich“

„Zeigen Sie eine Seite von sich, wenn Sie auf das Bild reagieren“, ermutigt Jung die Damen und Herren, die noch ein bisschen ratlos mit ihrem Sektglas in der Hand im Atelier stehen. Die meisten von ihnen sind zwischen 40 und Mitte 50. Es gibt auch Ausrisse nach unten und oben. Ein buntes Trüppchen, leger bis ausgefallen gekleidet. 

„Freie Interpretation, freies Denken, alles ist möglich“, schwärmt die Österreicherin Jung über die Methode, mit der sie während des Abends die Menschen animieren möchte, sich zu zeigen. Der Name der Methode: Visual Thinking Strategies. Erlernt hat sie Jung in den USA. Die Methode regt eigenständiges Beobachten, selbstbewusstes Sprechen und freies Denken an. Und zwar während einer intensiven Bildbetrachtung.  

„Was sehen Sie?“, fragt Jung ganz einfach, als sich die Gruppe vor einem großflächigen Ölgemälde, das ein Familienkonzert darstellt, zusammenfindet. Minutenlang vertieft sich jeder aus der Gruppe in das Bild. Dann werden die ersten Beobachtungen geteilt. Bewertet wird nicht. Immer mehr Details tragen die Frauen und Männer zusammen. „Das ist eine schöne unbeschwerte Familienszene“, meint ein etwa 30-Jähriger. „Der Rabe passt nicht ins Bild. Ich nehme da Dissonanz wahr“, sinniert ein Mann im Rentenalter. „Der Hund sieht den Raben nicht, ich glaube, der Rabe ist gar nicht wirklich da“, sagt eine Frau. Gut eine halbe Stunde tauscht sich die Gruppe aus, einer hört dem anderen zu, ergänzt, stellt infrage, findet neue Einsichten. „Unheil gehört zum Leben“, sagt ein Mann mittleren Alters, bezogen auf den Raben. Mit dem, was sie sehen und sagen, zeigen sich die individuellen Charaktere. Es macht Spaß, gemeinsam auf Entdeckungsreise zu gehen.

Dieser Spaß wird jäh gebremst, als die Gruppe auf dem Weg zum zweiten Kunstwerk im Lastenaufzug stecken bleibt. „Wir sollten möglichst wenig sprechen und uns auf den Atem konzentrieren“, sagt eine Frau im Ringel-Shirt. Sie wisse das, weil sie Yoga-Lehrerin sei. Eine andere Frau verteilt Emser Pastillen. Von den Männern spricht kaum jemand. Als der Aufzug nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit von einem Mitarbeiter von außen geöffnet wird, hat sich die Dating-Gruppe auf eine Art kennengelernt, die so nicht beabsichtigt war.

Eine besondere Atmosphäre

Beim zweiten Kunstwerk, über das man sich austauscht, ist die Atmosphäre eine andere. Die Beobachtungen und Interpretationen schießen aus den Menschen geradezu heraus. Besucherinnen und Besucher, die eigentlich nicht zur Gruppe gehören, bringen sich ein. Jede Sichtweise bereichert neu. Fast alle wollen sich mitteilen. „Es war schön. Es war schön, zuzuhören und es war auch schön, selbst zu entdecken“, sagt eine Frau in kurzem Karorock am Ende des Events.

Beim Weg zurück ins Atelier nehmen fast alle lieber die Treppe. Nach gut zwei Stunden Art-Dating und dem Aufzug-Intermezzo fühlt man sich verbunden. Fast selbstverständlich bedient man sich im Atelier mit Getränken, steht in Grüppchen zusammen und spricht. Eine romantische Zweierkonstellation ist erst einmal nicht zu entdecken. Aber es gibt gezückte Handys, in die Nummern getippt werden, interessiertes Nicken, direkte Blicke. Namen werden ausgetauscht.  

Premiere beim Art Dating im WRM

Kennenlernen. Das gab es reichlich an diesem Abend. Ist einem der Mensch näher, der ein Bild nach Lichteinfall untersucht oder der, der sich nicht beherrschen kann und unbedingt auf die Beschriftung schaut oder der, der seine eigenen Gefühle formuliert? Auch über sich selbst erfährt man beim Art Dating einiges, während man die eigene Wahrnehmung entdeckt. „Man kann das so sehen, dass man mit der Kunst das Date hat, aber man kann sich auch kennenlernen“, hatte Jung zu Anfang gesagt. Oder beides. Gelungen ist das Format auf jeden Fall.

Jeweils am ersten Donnerstag des Monats beim Kölntag findet Art Dating statt im Wallraf-Richartz-Museum. Der Museumseintritt ist frei. Es wird eine Pauschale von 12 Euro für Getränke erhoben, die bar vor Ort zu zahlen ist. Eine vorherige Anmeldung ist notwendig.