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Service-Wüste AusländeramtWieso das Warten auf einen Termin in Köln mehr als ein Jahr dauert

Lesezeit 8 Minuten
Wer als Geflüchteter den deutschen Pass erhalten möchte, muss sich häufig auf Jahre lange Bearbeitungszeiten einstellen.

Wer als Geflüchteter den deutschen Pass erhalten möchte, muss sich häufig auf Jahre lange Bearbeitungszeiten einstellen.

Die Stadt Köln stellt Antragstellern bei der Einbürgerung lange Geduldsproben – Geflüchtete fühlen sich schlecht behandelt. Wieso das Warten auf einen Aufklärungstermin in Köln mehr als ein Jahr dauert und warum dies bei den Betroffenen zu Frust über deutsche Verwaltungsarbeit führt. Ein Fallbeispiel.

Seine Termin-Anfrage zur Antragstellung auf Einbürgerung sandte Omar A. (Name geändert) im Februar 2024 zu. Noch am selben Tag erreichte ihn die Antwort der Behörde per automatischer E-Mail. Das Schreiben liegt der Rundschau vor. Darin heißt es, dass seine Anfrage, inklusive der mitgesandten erforderlichen Unterlagen, an die zuständigen Sachbearbeitenden weitergeleitet werde und die „Bearbeitung einige Zeit in Anspruch nehmen kann“. Die erforderlichen Unterlagen habe er beisammen. Das Problem: Eine Termin-Zusendung für das Aufklärungsgespräch und der dann folgenden Antragstellung ist laut Omar A. bis heute, also nach mehr als 15 Monaten, noch immer nicht erfolgt.

Besonders erzürnt ist er über einen weiteren Passus in der automatischen Mail-Antwort, nämlich dass man von „weiteren Anfragen absehen soll, da es unter Umständen zu einer Verzögerung der Bearbeitung führen kann“. Da wage keiner anzurufen oder nachzufragen, wie es denn aussehe mit dem Termin, sagt er frustriert. Was ihm und den anderen bleibe? Kopfschütteln und abwarten, bis das Einbürgerungsamt endlich den Termin zusende.

Betroffene fühlen sich von Kölner Behörde schlecht behandelt

Omar A. sagt, dass er, seine Frau und seine Tochter sowie andere bekannte oder verwandte aus Afghanistan Geflüchtete sich von den Kölner Behörden schlecht behandelt fühlen. „Wir leben seit vielen Jahren in diesem Land, ich in Köln seit über zehn Jahren. Wir haben Arbeit, Familie und möchten gerne Deutsche werden – und müssen dann Jahre auf einen Termin warten. Wie kann das sein?“

Wir haben Arbeit, Familie und möchten gerne Deutsche werden – und müssen dann Jahre auf einen Termin warten. Wie kann das sein?
Omar A. (Name geändert), Antragsteller auf Einbürgerung

Die Stadt Köln antwortete auf Nachfrage der Rundschau, dass die Wartezeit zu dem erforderlichen Aufklärungstermin im Einbürgerungsamt „etwa elf bis zwölf Monate“ betrage. Omar A. muss lachen, als er das sieht. „Ein Bruder meiner Frau wartet auch seit über einem Jahr auf seinen Termin. Die Aussage stimme also schon in zwei Fällen in seiner Familie nicht.“ Die Stadt selber hat in einer Antwort auf eine SPD-Anfrage im Rat von Anfang Mai mitgeteilt, dass in den ersten Monaten das Ausländeramt die Zahl der abschließend bearbeiteten Anträge auf Einbürgerung gegenüber dem Vorjahr von weniger als 300 auf über 500 pro Monat erhöhen konnte. Weiter heißt es, dass aktuell noch rund 9000 Anträge in der laufenden Bearbeitung seien. Also selbst mit dieser Erhöhung wäre rein mathematisch die Einhaltung von maximal zwölf Monaten in vielen Fällen nicht machbar. Dass Köln nicht allein Probleme bei der Abarbeitung der Anträge hat, steht auf einem anderen Blatt.


Wie sieht es in den Kreisen aus? Die Rundschau hat in den benachbarten Kreisen Kölns nachgefragt, wie dort die Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen läuft. Rhein-Sieg-Kreis: Laut den Angaben des Kreises gingen in 2024 insgesamt 2495 Einbürgerungsanträge ein, von denen weniger als die Hälfte (1647) bearbeitet wurden. Das sind weniger als 140 Anträge im Monat. Rhein-Erft-Kreis: In 2024 sind laut dem Kreis 1966 Anträge eingegangen. Im Jahr werden rund jedoch nur 600 Fälle bearbeitet – also im Schnitt 50 im Monat.

Stadt korrigiert Zeitangaben nicht

Die Stadt Köln führte weiter aus, dass nach dem Aufklärungsgespräch die Bearbeitung des Antrags dann nochmals bis zu acht Monaten dauern würde. Unter anderem werden die jeweiligen Akten an die Sicherheitsbehörden des Landes und des Bundes gemäß den Vorgaben zur Abwehr von Kriminalitäts- und Terrorgefahren weitergeleitet, was die Bearbeitungszeit entsprechend verlängere. Ob die Anforderungen bei bestimmten Staatsangehörigkeiten in den vergangenen Monaten erhöht wurden, konnte die Stadt nicht beantworten. Insgesamt aber dauere es daher von der Terminanfrage bis zur möglichen Einbürgerung je nach Bearbeitungstempo zwischen zwölf und 20 Monaten.

Verblüffend ist beim oben beschriebenen Thema der Erst-Terminzusendung jedoch: Auch nach erneuter Nachfrage der Rundschau – mit Anführung der genannten beiden Fälle – blieb die Stadt bei ihrer Zeitangabe von maximal zwölf Monaten, in der das Aufklärungsgespräch zur Einbürgerungsbeantragung durchgeführt werde. Unabhängig davon stellt sich grundsätzlich die Frage: Was sind die Gründe für derartig lange Wartezeiten, die mit einem Servicegedanken einer städtischen Behörde eher wenig zu tun haben? Eine Erklärung ist sicher, dass die Lage in den Einbürgerungsämtern nicht nur in Köln, sondern bundesweit je nach Standort seit längerem angespannt ist. Großstädte wie Köln kommen mit der Bearbeitung der Anträge nicht mehr hinterher, wie die Stadt Köln bereits letztes Jahr im Mai gegenüber dem WDR eingestand. Damals hatte das Ausländeramt wegen der hohen Arbeitsbelastung die Möglichkeit, einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen, gerade ausgesetzt. Erst im September 2024 war eine Antragstellung wieder möglich.

Neues Einbürgerungsgesetz 2024 belastete Behörde zusätzlich

Ein Hauptgrund für die damalige Flut an Anträgen sei das „Gesetz zur Vereinfachung der Einbürgerung“ der damaligen Ampelregierung gewesen, das im Juni 2024 in Kraft getreten ist, erläuterte die Stadt damals. Insbesondere die Möglichkeit der Mehrfachstaatsangehörigkeit für alle Antragstellenden habe das Einbürgerungsinteresse deutlich erhöht. Konkret: 2023 lag die Zahl der Antragsteller in Köln bei rund 3800. Im folgenden Jahr 2024 stieg diese auf über 4600 an, allerdings seien schätzungsweise 7000 E-Mail-Zusendungen an die Einbürgerungsbehörde noch gar nicht gesichtet worden, so die Stadt weiter. Die Zahl der Anträge für 2024 dürfte sich somit zum Vorjahr mindestens verdoppelt haben, da man davon ausgehen muss, dass viele Zusendungen Anfragen zur Einbürgerung sind.

Zielmarke der Stadt: Bearbeitung von 800 Anträgen im Monat

Die Stadt reagierte im letzten Jahr auf den starken Anstieg der Fallzahlen und kündigte an, die Zahl der Beschäftigten in der Einbürgerungsabteilung deutlich zu erhöhen. Gegenüber der Rundschau teilte die Stadt Köln jüngst mit, dass ab dem 1. Juni 2024 von knapp 30 Vollzeitstellen die Belegschaft bis zum 1. Juli 2025 voraussichtlich auf mehr als 70 Stellen aufgestockt werde.

Die bis dato vorgenommene Aufstockung zeige laut Angaben der Stadt bereits Wirkung: Die bereits oben erwähnten gesteigerten Bearbeitungszahlen wurden Anfang Juni auch dem Integrationsratsausschuss vorgelegt. Ziel sei es gemäß dieser Vorlage, die aktuelle Zahl der bearbeiteten Anträge zur Einbürgerung von monatlich über 500 im Laufe dieses Jahres auf die Marke von rund 800 zu steigern. Diese Zahl soll nach Abschluss der vollständigen Mitarbeiterbesetzung und deren gründlichen Einarbeitung erreicht werden, teilte die Stadt weiter mit. Dann sei auch die Bearbeitung von rund 10.000 Anträgen auf Einbürgerung möglich.

Ähnliche Probleme bei Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis

Die Erfahrungen von Omar A. bei seinen häufigen Besuchen in der Ausländerbehörde in Köln bestätigen jedoch, dass das offensichtlich monatelang überforderte Amt auch 2025 noch nicht normalen Ansprüchen hinsichtlich Terminvergaben oder zeitnaher Sachbearbeitung gerecht werde. Auch bei einem anderen wichtigen Thema, der regelmäßigen Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis per Beantragung eines neuen „elektronischen Aufenthaltstitels“ (eAT) für sich und seine Tochter, gebe es lange Wartezeiten von mehr als fünf Monaten. Die Nachfrage-Mail der Familie an die Kölner Behörde in dieser Sache liegt der Rundschau ebenfalls vor. „Es gibt vom Amt keine Info per Mail. Man geht morgens zum Bezirksamt, stellt sich in die bis zu 100 Meter lange Schlange, um zu erfahren, dass der eAT nicth da ist und wird dann von lustlosen jungen Sachbearbeitenden, die am Handy daddeln, auf die kommenden Wochen vertröstet“, erzählt Omar A. sein Leid.

Dienstagmorgens stehen regelmäßig Migranten vor dem Bezirksamt Köln-Nippes, um ihre verlängerte Aufenthaltserlaubnis (eAT) abzuholen. Oftmals jedoch vergeblich.

Dienstagmorgens stehen regelmäßig Migranten vor dem Bezirksamt Köln-Nippes, um ihre verlängerte Aufenthaltserlaubnis (eAT) abzuholen. Oftmals jedoch vergeblich.

Die Stadt Köln bestätigt auf Rundschau-Nachfrage, dass das bestehende Verfahren keine Mail-Auskunft an die Antragsteller ermöglicht. Dies wolle man bei künftigenSoftware-Anschaffungen und digitalen Erweiterungen aber in den Blick nehmen, so die Aussage. Seit März dieses Jahres laufezudem im Bezirk Kalk ein Pilotprojekt, dass eine Online-Terminbuchung für ausländerrechtliche Angelegenheiten ermögliche, um das Amt zu entlasten. Nach Auswertung der Ergebnisse des Piloten sollen bis Ende 2025 auch in den anderen acht Bezirken Kölns Online-Terminbuchungen in der Ausländerbehörde möglich sein, so die Stadt weiter.

Der Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrates, Claus-Ulrich Prölß, bestätigt gegenüber der Rundschau, dass der beschriebene Fall von Omar A. kein Einzelfall darstellt. Er plädiert daher dafür, dass in den Antwortmails in den Fällen der Einbürgerungsanliegen oder einer Verlängerung der eAT zumindest eine zeitliche Perspektive angeboten werde. Und zudem, falls der Termin in dem angegebenen Zeitrahmen nicht klappen sollte, ein Hinweis in der E-Mail enthalten sein müsse, was weiter zu tun sei und wohin man sich wenden könne. Kathrin Andreev, im Verdi-Bezirk Köln-Bonn-Leverkusen für den öffentlichen Dienst zuständig, bestätigt die Personalprobleme in der gesamten Verwaltung der Stadt. Unbesetzte offene Stellen und krankheitsbedingte Ausfälle verstärken die Probleme, so die Gewerkschaftssekretärin gegenüber der Rundschau. Genaue Zahlen zur Ausländerbehörde Köln habe sie jedoch nicht.

Zumindest die Hilfen der Beratungsstellen nutzen

Prölß fordert daher: „Wir verstehen nicht, warum die Behörde in den Fällen, in denen erfahrene Migrationsberatungsstellen bei den Einbürgerungsanträgen beteiligt sind, nicht auf den Termin des Aufklärungsgesprächs verzichtet. Das würde das Amt schon mal sehr entlasten.“ Zudem müsse die Kommunikation zwischen dem Ausländeramt, den Bezirksämtern und Antragstellern verbessert werden, damit wiederholtes Schlangestehen vor den Ämtern möglichst minimiert werde. Die Ausländerbehörde sei sicher überlastet, aber die Leute über Monate im Ungewissen zu lassen, könne nicht die Lösung sein.


Schritte zur Einbürgerung

Wie wird man Deutscher? Das entscheiden nach Antragstellung die Behörden in den zuständigen Kommunen. Landes- und Bundesbehörden überprüfen innerhalb dieses Verfahrens im Einzelfall mögliche Sicherheitsbedenken hinsichtlich begangener krimineller oder terroristischer Taten.

Anfrage für einen Aufklärungstermin beim Einbürgerungsamt stellen: Dies kann per E-Mail, Kontaktformular oder schriftlich erfolgen. Der Termin wird nach Sichtung und Bearbeitung der Anfrage in der Regel per E-Mail zugesandt.

Antragstellung bei einem zugewiesenen Gesprächstermin im Einbürgerungsamt: Geprüft werden zunächst die mitzubringende erforderlichen Unterlagen wie Identitätsdokumente, gültige Aufenthaltserlaubnis, Arbeitsnachweis sowie Nachweis der Deutschkenntnisse etc., um danach einzelne Punkte zu besprechen und letztlich den Einbürgerungsantrag zu stellen.