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Blick hinter die KulissenFahrzeuge des Rettungsdienstes bieten Hightech-Medizin

Lesezeit 4 Minuten

Die Retter und ihre Geräte.

Köln – Ihr Markenzeichen: Knalliges Neon-Orange, Blaulicht, Martinshorn. Äußerlich gilt für die Fahrzeuge des Rettungsdienstes: Auffallen um jeden Preis. Schließlich müssen sie sich auf der Straße Respekt verschaffen, ihr Ziel auch im größten Stau binnen acht Minuten erreichen. Doch am Einsatzort zählen die inneren Werte. Dann zeigen die mehr als 50 Rettungstransportwagen (RTW) und die neun Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) in Köln, was alles in ihnen steckt.

80 verschiedene Medikamente

Mit diversen medizinischen Hightech-Geräten an Bord und mehr als 80 verschiedenen Medikamenten vom Schmerzmittel über Kreislaufpräparate bis zum Gegenmittel bei Vergiftungen sind die rollenden Ambulanzen für unterschiedlichste Notfälle ausgerüstet. Gut verstaut in Koffern, Taschen, Fächern und Schubladen lagern Apparate zur Überwachung der Vitalfunktionen, Beatmungs- und Absauggeräte, Messinstrumente für Blutdruck, Blutzuckergehalt oder Blutgasanalyse und ein Automat für Herzdruckmassagen.

„Seit zwei Jahren haben wir auch ein Ultraschallgerät, so groß wie ein Smartphone. Damit können wir zum Beispiel innere Verletzungen besser beurteilen“, erklärt Oberarzt Dr. Martin zur Nieden (49). Sogar kleine Plüschtiere haben die Retter dabei, um ihre jüngsten Patienten zu trösten.

Im Vergleich dazu war der erste Notarztwagen von 1957 spartanisch ausgestattet. Seitdem hat sich vieles verändert. „Der technische Fortschritt macht es möglich, dass wir heute Patienten transportieren können, die vor 20 Jahren als nicht transportfähig galten“, betont Dr. zur Nieden.

Dabei bezieht er sich weniger auf den erhöhten Komfort durch die Luftfederung der RTW oder die verstellbare Krankentrage, sondern vor allem auf die medizinische Ausstattung an Bord. Die wird laufend modernisiert.

Im Juli hat der Rat grünes Licht für die Beschaffung von 161 Multifunktionsgeräten für das Patienten-Monitoring gegeben. Kosten: Rund fünf Millionen Euro. „Wir hoffen, ab Ende 2017 die ersten Altgeräte austauschen zu können. Die neuen sind leichter, bieten bessere Bildschirme und Möglichkeiten zum Datentransfer mit Kliniken“, erklärt Dr. Ralf Blomeyer (56), stellvertretender Ärztlicher Leiter des Kölner Rettungsdienstes.

Im „Rendezvous-Verfahren“

Seit einigen Wochen neu an Bord der RTW und NEF sind auch spezielle blutstillende Verbände. „Ein neues Produkt aus dem militärischen Bereich“, erklärt Dr. zur Nieden.

Voll ausgestattet kostet ein RTW rund 140.000 Euro, ein NEF knapp 100.000 Euro. Wenn der Rettungsdienst über den Notruf 112 alarmiert wird, entscheidet die Leitstelle in Weidenpesch je nach Lage, welches Fahrzeug aus welcher Wache ausrückt. Standardbesetzung ist ein RTW mit zwei Rettern. Bei schwereren Verletzungen, größeren Unfällen oder lebensbedrohlichen Situationen wie Schlaganfällen schickt die Leitstelle zusätzlich einen Notarzt samt Rettungsassistenten mit separatem Fahrzeug (NEF) los. Im „Rendezvous-Verfahren“ treffen sie sich am Einsatzort. Der Vorteil: Ist nach der Erstversorgung keine ärztliche Hilfe mehr erforderlich, kann der Arzt zum nächsten Einsatz weiterfahren, während der RTW den Verletzten in die Klinik bringt.

Arbeitsweise hat sich verändert

Im Vergleich zu früher habe sich die Arbeitsweise der Notärzte verändert, erklärt Dr. Blomeyer. „Als ich anfing, wurden schwer verletzte Patienten oft bereits während des Transports im RTW in Narkose versetzt und mit mehreren Infusionen versorgt. Das ist heute seltener der Fall. Wir können im RTW vieles leisten, aber bei schweren inneren Blutungen zum Beispiel gehört der Patient schnellstmöglich in eine Klinik. Dafür sorgen wir.“

Angesichts der zunehmenden Spezialisierung der Krankenhäuser werde es heute immer wichtiger zu entscheiden, wo der Patient am besten versorgt werden kann, ergänzt Dr. zur Nieden. „Wir benötigen eine möglichst präzise Diagnose. Und dann kann es lebensrettend sein, statt der nächstgelegenen Notaufnahme eine andere Klinik anzusteuern, die für diesen speziellen Fall bessere Möglichkeiten bietet.“

Im Einsatz haben RTW und NEF mit Blaulicht zwar freie Fahrt an roten Ampeln. Nach Belieben rasen dürfen sie aber nicht. „Wir dürfen niemanden gefährden, daher müssen auch wir uns meist an das ausgeschilderte Tempolimit halten“, so Notarztassistent Michael Dirkes (34). Eines liegt ihm und seinen Kollegen besonders am Herzen: „Dass Autofahrer beim Parken in der Stadt mehr darauf achten, die Fahrwege frei zu halten. Wer als Falschparker im Weg steht, kann Leben gefährden.“

Zahlen zum Rettungsdienst

Mehr als 1000 Beschäftige arbeiten beim Rettungsdienst der Stadt Köln. Organisiert wird er von der Berufsfeuerwehr.

Für Notarzteinsätze rund um die Uhr stehen rund 30 fest angestellte und von Kliniken abgeordnete Ärzte sowie 100 freiberufliche Notärzte bereit. Aktuell sind in Köln mehr als 50 Rettungstransportwagen (RTW) und neun Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) verfügbar. Gut die Hälfte davon gehört der Stadt Köln, die anderen werden von den Hilfsorganisationen DRK, MHD, JUH und ASB betrieben. Zudem gibt es zwei Hubschrauber.

Die Zahl der Notrufe in Köln nimmt zu. 2016 wurde 149.582 Mal ein RTW alarmiert (plus 4,1 Prozent), dies führte zu 123 243 Patienten-Transporten. Macht im Schnitt 410 Fahrten am Tag. Die Notärzte rückten 33.918 Mal aus (93 Mal pro Tag) und mussten dabei 24.616 Mal medizinisch tätig werden.