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Zwischen Hoffen, Bangen und TrotzEin Blick von Köln auf den Iran-Konflikt – Betroffene berichten

6 min
Ein Mann hält eine iranische Flagge während einer Kundgebung mit der Forderung, den Krieg zwischen Israel und dem Iran zu beenden

Ein Mann hält eine iranische Flagge während einer Kundgebung mit der Forderung, den Krieg zwischen Israel und dem Iran zu beenden

Iranische Exilanten in Deutschland, wie Farzad und Amir, erleben die Konflikte im Iran aus unterschiedlichen Perspektiven mit Sorge.

Lena Ghareh Baghery ist zurzeit Mitarbeiterin der Rundschau in der Redaktion Köln. Ihre Familie hat iranische Wurzeln. Sie selbst ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft. Einige ihrer Verwandten und Bekannten leben in Teheran, andere im Kölner Raum. Für die Rundschau hat sie mit ihnen gesprochen und ein Stimmungsbild zur Auseinandersetzung zwischen Israel und Iran gezeichnet. Die Namen aller der im Artikel zitierten Personen wurden zu deren Schutz geändert.

Farzad lebt seit Jahrzehnten im Raum Köln und besucht in der Regel einmal im Jahr den Iran. Anfang Juni machte er sich wieder auf den Weg. Der Angriff Israels auf die iranischen Atomanlagen war da noch nicht absehbar. Er war rund eine Woche in der islamischen Republik, als er von den Bombardements überrascht wurde. Der Rückweg nach Deutschland wurde ihm dadurch vorerst versperrt. „Mit dem Angriff haben sich die Straßen schlagartig geleert. Die Basare wurden geschlossen“, berichtet er aus Teheran. Farzad selbst hörte Geschosse einschlagen, er sah Rauch aufsteigen. Angst habe er dennoch nicht verspürt. Die Stimmung in der Stadt sei gespalten gewesen. Einige Bewohner machten sich Sorgen und verließen fluchtartig Teheran. Dabei habe es ich laut Farzad vor allem um Iraner gehandelt, die dem Regime der Mullahs kritisch gegenüberstehen und „die sich von den exiliranischen Sendern aus dem Westen beeinflussen lassen“. Alle anderen sollen ausgeharrt haben. So wie Farzad selbst. Denen, die die Stadt verlassen wollten, seien keine Steine in den Weg gelegt worden. Busse und Bahnen konnten während der Angriffe kostenlos genutzt werden.

Eines nachts ging einer meiner dortigen Nachbarn auf seinen Balkon und schrie: Tod Chamenei!
Farzad, Eindrücke aus Teheran

In Teheran beobachteter er dennoch spontane und subversive Protestaktionen. „Eines Nachts ging einer meiner dortigen Nachbarn auf seinen Balkon und schrie: Tod Chamenei!“. Ein ähnlicher Vorfall soll sich ereignet haben, als Farzad einmal U-Bahn fuhr „Plötzlich schaltete jemand sein Handy laut, auf dem ein ausländischer Sender über die Auseinandersetzung berichtete“, die anderen Fahrgäste sollen den Mann aufgefordert haben, das Video auszuschalten. Größere, organisierte Proteste gegen das Regime habe er nicht mitbekommen „Es gab allerdings viele Anti-Israel und Anti-USA Demonstrationen“, so Farzad. Was die Zukunft Irans und ein endgültiges Ende des Konflikts mit Israel angeht, ist Farzad pessimistisch. Die Fronten seien zu verhärtet.

Flucht zum Schutz der Kinder

Azadeh ist Lehrerin in Teheran. Als die Angriffe begonnen haben, seinen alle Schulen in der Stadt geschlossen worden. Sie ist mit ihrer Familie in den Nordwesten des Landes nahe an die Grenze zu Aserbaidschan gereist, wo ein Teil ihrer Familie lebt. „Viele meiner Bekannten und Freunde haben die Stadt verlassen. Einige sind in den Süden geflohen, andere in den Norden. Andere wiederum haben gleich das Land verlassen und sind in die Türkei ausgereist“. Aber auch im Nordwesten des Landes hat sie die Bombenangriffe mitbekommen. Denn Teheran ist nicht die einzige Stadt im Land, die angegriffen wurde. „Wir konnten noch Bomben hören, die 100 bis 150 Kilometer von uns entfernt explodiert sind“, erzählt Azadeh. Dennoch habe sie keine Angst gehabt. „Ich bin im Iran-Irak Krieg groß geworden und habe von klein auf gelernt, immer auf den Krieg vorbereitet zu sein. Krieg ist nichts Neues für mich“. Bei viele Iranerinnen und Iraner hat der Iran-Irak Krieg in den 1980er Jahren Spuren hinterlassen. Gepflogenheiten, die für die Kriegszeit üblich waren, werden nach wie vor von vielen Iranerinnen und Iranern verfolgt. Wie etwa das Hamstern von Vorräten. „Wir haben immer einen großen Lebensmittelvorrat im Haus, mit dem wir für eine ganze Weile zurechtkommen würden“, erzählt Azadeh. Sie soll Teheran lediglich ihren Kindern wegen verlassen haben, weil diese Angst bekommen haben.

Die Flagge der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) weht in der Nähe eines Wandbildes mit einer Friedenstaube in Wien.

Die Flagge der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) weht in der Nähe eines Wandbildes mit einer Friedenstaube in Wien.

Seit dem bisher letzten Bombardement sind nun fast zwei Wochen vergangen. Azadeh und ihre Familie sind mittlerweile wieder in Teheran. Der Alltag sei in den Straßen Teherans zurückgekehrt, in denen es zuvor laut Azadeh „gespenstisch leer“ war. Auf die Frage hin, ob sie mit Sorge auf eventuell zukünftige Angriffe schaut, sagt sie: „Nein, weil ich zur Not die Mittel hätte, um Teheran zu verlassen oder sogar ganz aus dem Land auszureisen“, sie kenne aber Menschen, die diese Option nicht haben und entsprechend verängstigter in die Zukunft blickten.

Nostalgie aus der Ferne

Amir wohnt wie Farzad seit Jahrzehnten im Kölner Raum. Auch er reist regelmäßig in sein Heimatland und hatte ursprünglich geplant, auch in diesem Sommer seine Familie dort zu besuchen. Allerdings musste er diese Pläne aufgrund des Konflikts fürs Erste auf Eis legen. „Die Situation beunruhigt mich sehr. Es sind viele Menschen zu Schaden gekommen und wenn es so weitergeht, werden es noch mehr.“ Trotz seiner Sorgen sieht er in diesem Konflikt auch das Potential eines Regime-Wechsels, den er begrüßen würde. Denn anders als Farzad steht Amir dem iranischen Regime äußert kritisch gegenüber. Wie viele Diaspora-Iranerinnen und Iraner im Westen hegt er Nostalgie für das prä-revolutionäre Iran. Vor der islamischen Revolution im Jahr 1979 gab es im Iran eine Monarchie mit einem Shah an der Spitze. Viele Exil-Iraner sehen deshalb den in den USA lebenden und Israel wohlgesinnten Sohn des letzten Shahs von Iran, Reza Pahlavi,   als die Schlüsselfigur für einen Regimewechsel. „Er hat einen 100-Tage Plan entwickelt, in dem er genau durchgeplant hat, was er unmittelbar nach einem Regimesturz umzusetzen hat, um aus Iran eine Demokratie zu machen“, so Amir. Dass der Iran in Folge eines Regimesturzes in Chaos verfallen könnte, wie im Irak passiert ist, hält er für ausgeschlossen. Die Iraner seien zu gefestigt, um dieses Szenario zuzulassen.

Meine „fremde“ Heimat

Und was denke ich über den Iran, meine „fremde“ Heimat? In Deutschland geboren und hier aufgewachsen, habe ich die islamische Republik das letzte Mal vor über zehn Jahren besucht. Als Teenager musste ich bereits ein Kopftuch tragen. Die Atmosphäre bei meinen Verwandten war herzlich, die Atmosphäre im öffentlichen Raum fand ich befremdlich. Seit dem war ich nicht mehr in dem Land meiner Eltern, denn die Lage war dort oftmals angespannt.

Wann und ob ich von Köln aus den Iran wieder besuchen werde? Eine Frage, die ich zurzeit für mich selbst nicht beantworten kann.
Lena Ghareh Baghery über ihr Verhältnis zum Iran

Doch natürlich ist mir der Iran nicht gleichgültig. Einen Regimewechsel würde ich aus meiner Sicht befürworten. Doch mit dem Blick auf meine eigene Verwandtschaft und die ideologischen Risse in ihr, mache ich mir Sorgen, dass der Iran   nach einer erneuten Revolution ins Chaos verfallen könnte. Das Land ist gespalten. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass die Auseinandersetzungen mit Israel die Opposition im Land stärkt, zumal auch die Regimegegner sich untereinander nicht einig sind. Wann und ob ich von Köln aus   den Iran wieder besuchen werde? Eine Frage, die ich zurzeit für mich selbst nicht beantworten kann.