Al Nassma, ein Pionier im Kamelmilch-Schokoladengeschäft, wurde von einem Kölner Ehepaar in Dubai gegründet und genießt globalen Erfolg mit einzigartigen Produkten.
„Camelicious“Dieser Kölner stellt in Dubai Schokolade aus Kamelmilch her

Martin van Almsick hat die Araber auf den Geschmack von Schokolade gebracht.
Copyright: Constantin von Hoensbroech
„Wenn de rin küss, siehste de Kamele: Nä, wat sin die jross. Un die Buckele op ihrem Rögge, die sin unwahrscheinlich jross.“ Besucher aus dem Rheinland fühlen sich unweigerlich an die erste Strophe des Karnevalsklassikers „Ene Besuch im Zoo“ von Hans Knipp aus dem Jahre 1969 erinnert. Nur, dass sie jetzt über 50 Jahre weiter und nicht im Zoo sind. „Camelicious“ (zusammengesetzt aus dem Englischen für Kamel und deliziös) ist die Einfahrt auf die große Kamelfarm überschrieben. Auf dem unwahrscheinlich großen Areal, dessen Grenzen noch nicht einmal am Horizont inmitten der spröden Wüstenlandschaft enden, leben nahezu 10.000 Kamele. Zwischen sechs und acht Liter Milch liefert ein Kamel am Tag. Wenn ab dem späten Nachmittag die Sonne untergeht und vom Persischen Golf her die Brise (arabisch: al Nassma) ins Landesinnere weht, entfaltet sich eine wohltuende Kühle über der kargen Landschaft. Das ist besonders für die Mitarbeiter der Farm eine dankbare Erfrischung.

Eine der Verkautsstellen in Dubai
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Frische Brise als Geschäftsgrundlage
„Das ist der Grund für unsere Existenz“, erklärt Martin van Almsick beim Blick auf die Höckertiere und weist mit dem ausgestreckten Arm in die Richtung, wo sich in etwa 30 Kilometern Entfernung die markante Hochhaussilhouette von Dubai abzeichnet. Die Regierung der aus sieben Emiraten bestehenden Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hat im Jahr 2006 auf der riesigen Farm die erste hochmoderne Kamelmilchmolkerei des 21. Jahrhunderts gegründet. Das aus der Kamelmilch entstehende Kamelmilchpulver ist Basis für das Schokoladenunternehmen, das der gebürtige Kölner mit seiner Frau Hanan Ahmed Saad im Umfeld der Millionenmetropole aufgebaut hat. Rund zehn Liter Kamelmilch werden für ein Kilogramm Pulver benötigt. Das wiederum wird in der Fabrik in Umm Al Quwain zu feinster Schokoladenmasse für die weitere Herstellung von Blöcken, Tafeln, Pralinen und natürlich Kamelen verarbeitet.

Martin van Almsick mit einem seiner Kamele.
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Rückblende: Kölner Südstadt, Karsamstag 2004. Das Ehepaar sitzt vor dem Fernseher in der heimatlichen Wohnung und schaut einen Reisebericht. Dabei geht es um das Melken von Kamelen und die seit Jahrtausenden als hochwertiges Nahrungsmittel verwendete Kamelmilch. „Schokolade aus Kamelmilch?“, schoss es Martin durch den Kopf und sagte es seiner Frau. Sie entgegnete: „Wir sollten es einfach mal probieren!“ Der damalige Mitarbeiter des Kölner Schokoladenmuseums verließ mit seiner Familie die Domstadt und wechselte in den Nahen Osten. Dort präsentierte er mit seiner aus dem Sudan stammenden Frau sowie österreichischen Partnern den Mitarbeitern des Emirs von Dubai erfolgreich ein Konzept für die Herstellung von Schokoladenprodukten aus Kamelmilch.
Umsetzung brauchte zwei Jahre
Rund zwei Jahre hatte das Ehepaar für die Umsetzung des Vorhabens geplant. Heute, 18 Jahre später, sind sie immer noch in Dubai und mit ihrer 29 Jahre alten Tochter Marrah für rund 70 Mitarbeiter verantwortlich. Sie stellen in vier Hallen auf insgesamt 2000 Quadratmetern die Produktpalette von „Al Nassma“ her und beliefern Kunden in der ganzen Welt. Ein neues Gebäude steht kurz vor der Fertigstellung. Dann werden Anlieferung, Produktion, Lager, Logistik sowie Verwaltung auf 4000 Quadratmetern unter einem Hallendach vereinigt sein.

Die Fertigung der Schokolade
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Anders als bei herkömmlicher Schokolade aus Kuhmilch ist der Anteil von Mineralien und Spurenelementen bei Kamelmilch um ein Vielfaches höher. Sie enthält fünfmal so viel Vitamin C, halb so viel Fett: Unverträglichkeiten sind nicht bekannt. Dabei darf die Kamelmilchschokolade von Al Nassma mit Fug und Recht beanspruchen, tatsächlich die erste Schokolade aus Dubai zu sein. Ende 2008 erlangte eines der innovativsten Schokoladenprodukte weltweit seine Marktreife. Vier Jahre dauerte die Entwicklung der Rezeptur. „Der Geschmack bleibt am Gaumen“, beschreibt die im Severinsklösterchen geborene Marrah van Almsick und bringt damit das Geheimnis des unverwechselbaren Geschmackserlebnisses auf den Punkt. Es reicht ein kleines Stück, um den schokoladigen, geschmeidigen Genuss und den Hauch des salzig-mineralischen Geschmacks im Rachenraum lange zu spüren.

Eine exklusive Verkaufsstelle
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Und was ist mit dem Hype um die Dubai-Schokolade, bei der es in erster Linie um die mit Schokolade umhüllte Füllung aus Pistaziencreme und Kunafa, ein in Fett geröstetes und in feine Fäden aufgelöstes Weizenmehl („Engelshaar“) geht? Der 59-Jährige stellt klar: „Unsere Dubai-Schokolade besteht aus Kamelmilch und nicht aus Kuhmilch.“ Das lässt sich auch schmecken: Nach dem an und für sich genommen schon wunderbaren Crunch-Effekt beim ersten Zubeißen entfaltet sich unmittelbar ein intensives Geschmackserlebnis. Dabei überlagert nicht der Geschmack von Schokolade alles andere, sondern es entfaltet sich gleichberechtigt und nachhaltig die eigentlich beabsichtigte Wirkung, eben die der Füllung.
Wer in den VAE durch die vielen exklusiven Malls und Basare läuft, wird ständig mit Dubai-Schokolade gelockt. Doch das Wenigste davon ist tatsächlich Dubai-Schokolade. Es ist vielmehr ein ziemlicher Wildwuchs, weil oftmals keine echte Pistaziencreme verwendet wird. Mindeststandards wie etwa Hinweise auf die Bestandteile oder die Adresse des Herstellers sowie Angaben zu Zusätzen oder möglichen Intoleranzen fehlen weitgehend.
„Vor 15 Jahren interessierte Schokolade hier niemanden“, erinnert sich Martin van Almsick, der das rasante Wachstum der unbedeutenden Wüstenstadt Dubai hin zu einer der international gefragtesten Metropolen hautnah erlebt hat. Seit seiner Gründung folgt Al Nassma bei der Auswahl seiner Zutaten sowie im Verlauf der gesamten und größtenteils von Hand durchgeführten Produktion höchsten Qualitäts- und Hygienestandards, die den EU-Vorgaben entsprechen. „Wir verzichten auf jegliche Zusatzstoffe und lassen unsere Produkte kontinuierlich in deutschen Lebensmittellaboren überprüfen“, sagt Marrah van Almsick, die neben Patrick Dorais für Kundenbetreuung und Vertrieb verantwortlich zeichnet.
Aufbruchstimmung und Herausforderung
„Die Aufbruchsstimmung und die unternehmerische Herausforderung dieser aufstrebenden Firma haben mich gereizt“, sagt der erfahrene Warenhausexperte über seinen Wechsel im Jahr 2012 zu Al Nassma. Zuvor hatte der damals in Dubai tätige Franko-Kanadier auf der in Köln stattfindenden Anuga, der internationalen Leitmesse für die Lebensmittelindustrie, sich mit Martin van Almsick getroffen. Kakaobohnen in Togo einkaufen oder Kamelmilchschokolade in Vietnam auf den Markt bringen, gehörten zu den ersten Aufgaben des Vertriebsmanagers, der aufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit für Schweizer Großhandelskonzerne „fließend Schweizerdeutsch, aber schlecht Hochdeutsch spricht“.
Mit Al Nassma haben das Ehepaar, ihre drei Kinder und Partner aus den VAE sowie aus Österreich einen treffenden Namen gefunden, der mit dem Firmenlogo des goldenen Kamels korrespondiert. „Kamelmilch ist ein Luxusgut“, sagt die Ehefrau und ergänzt: „Zudem ist das Kamel das Wappentier der Region, es hat seine Würde, und es wird ihm von den Menschen hierzulande auch der gebührende Respekt und damit eine überhöhte Bedeutung entgegengebracht.“ Die Marke Al Nassma genießt als immer stärker Identität schaffendes Produkt in den Vereinigten Arabischen Emiraten und darüber hinaus einen hervorragenden Ruf. Zu zahlreichen einflussreichen Familien und Unternehmen haben die Kölner belastbare Geschäftsbeziehungen aufgebaut. Immer wieder erreichen sie Bestellungen aus den regionalen Palästen. Die Scheichs ordern die Produkte für den Eigenbedarf oder als Gastgeschenke.
Glühender FC-Fan mit guten Arabischkenntnissen
Ein goldenes Kamel auf einer elegant geschwungenen, an Wüstensand erinnernde Linie ist das Logo der Firma. Der glühende FC-Fan, der sich gut auf Arabisch verständigen kann, selbst regelmäßig im Trikot mit dem springenden Geißbock kickt und kaum eine Live-Übertragung eines Spiels seines Vereins auslässt, hat damit ein unverwechselbares arabisches Produkt sowie Konzept etabliert. Über 40 Läden und Duty-Free-Shops in der Welt vertreiben inzwischen die Produkte von Al Nassma, darunter das Delikatessengeschäft Julius Meinl in Wien, das KaDeWe in Berlin oder in Köln bei Hernando Cortez in der Gertrudenstraße. In Abu Dhabi, der Hauptstadt der VAE, gibt es in der dortigen Mall einen Al Nassma-Verkaufsshop. Eine kleine Produktionsstrecke simuliert anschaulich den Herstellungsprozess von Kamel-Schokoladenhohlkörpern. Al Nassma-Produkte gibt es sogar in Dubai im Shop vom Burj Khalifa, dem mit 828 Metern höchsten Gebäude der Welt.
In ihrem Laden in der Dubai-Mall – mit über 1200 Einzelhandelsgeschäften die größte Einkaufsstraße der Welt – ist Familie van Almsick oft selbst anzutreffen. In dem mit dunkler Holzvertäfelung ausgekleideten Raum kommen die elegant verpackten Produkte, insbesondere die Schokoladenkamele in ihrer goldgelben Verpackung, besonders zur Geltung. Gerne serviert die Familie für Kunden und Geschäftspartner einen selbst zubereiteten hundertprozentigen Kamelmilchkakao. Auch die von weißer, brauner oder dunkler Kamelmilchschokolade umhüllten und wie Bonbons eingewickelten Datteln, gefüllt mit Haselnuss, Pistazie oder Mandel, sind hier erhältlich. Bei den Datteln handelt es sich um eine sehr hochwertige Sorte. Diese ebenfalls erfolgreichen Produkte werden unter dem eigens kreierten Markennamen „Samha“ (arabisch für schön) vertrieben.
Heimweh noh Kölle und dem Rheinland? „Kölle haben wir immer em Hätze, das ist und bleibt unsere Heimat“, sagt Martin van Almsick, der ohnehin mit der Familie immer wieder in der Domstadt und bei den Verwandten im Bergischen oder im Rhein-Erft-Kreis weilt. Doch der Lebensmittelpunkt ist und bleibt die Millionenstadt auf der arabischen Halbinsel, denn: „Do sin m'r Dubai.“