Bergmann setzt auf Kamelprodukte wie Milch und Kosmetik und sieht Kamele als nachhaltige Alternative im Klimawandel.
Nachhaltige LandwirtschaftWie ein blinder Deutscher in Australien Kamel-Farmer wurde

Kamele im Outback
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Die ersten drei Kamele hießen Elke, Petra und Rita – benannt nach den Nachbarinnen aus seinem Heimatdorf in der Nähe von Hannover. Heute ist aus der kleinen Herde des deutschen Agrarwissenschaftlers Max Bergmann in Westaustralien eine beeindruckende Farm mit rund 100 Kamelen geworden.
Dabei war der Weg dorthin alles andere als einfach. Der Hannoveraner leidet an Retinitis Pigmentosa, einer genetisch bedingten Augenkrankheit, die ihn fast vollständig erblinden ließ. Doch anstatt sich davon aufhalten zu lassen, hat Bergmann gelernt, lösungsorientiert zu denken. „Ich wurde schon als Kind darauf vorbereitet, mich auf das zu konzentrieren, was geht – nicht auf das, was nicht geht“, erzählte er im Interview.

Kamelfarmer Max Bergmann zeigt Zuneigung zu einem seiner „sanften Riesen“, die er als „unglaublich kuschelig und faszinierend“ beschreibt.
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Mit diesem Motto überkam Bergmann schon einige Hürden in seinem Leben. An der Universität riet ihm ein Professor beispielsweise, sich von der Pflanzenphysiologie fernzuhalten – „Das wird nichts mit dem Mikroskop“, hieß es. Doch Bergmann ließ sich nicht beirren und promovierte genau in diesem Fach. „Nicht, um es ihm zu beweisen, sondern weil es mich einfach interessierte“, sagte er.
Moderne GPS-Technik macht vieles möglich
Auch das Farmleben bringt Herausforderungen mit sich. „Ich kann natürlich keinen Traktor auf der Straße fahren, aber moderne GPS-Technik macht vieles möglich.“ Mittlerweile bewirtschaftet er neben der Kamelfarm auch größere Anbauflächen im Inland. „Ein Knopfdruck – und die Maschine fährt millimetergenau geradeaus. Das könnte ein Sehender kaum besser.“
Wahrscheinlich ist es genau diese „Geht nicht gibt“s nicht“-Mentalität, die Bergmann mit gerade einmal 39 Jahren eine beeindruckende Karriere beschert hat: Zwei Teilnahmen an den Paralympischen Spielen als Mittelstreckenläufer, eine Promotion in Agrarwissenschaften – und schließlich die Gründung seiner eigenen Kamelfarm außerhalb von Perth in Westaustralien.
Doch wie kommt man überhaupt auf die Idee, Kamele zu züchten? „Der Anstoß kam tatsächlich von meiner Frau Ronja“, berichtete Bergmann. „Sie hatte einen Bericht gesehen, dass Australien die größte wildlebende Kamelpopulation der Welt hat, und meinte: Warum machst du nicht damit was?“
Anfangs erntete er skeptische Blicke – ein blinder Mann als Kamelfarmer? Doch für Bergmann war schnell klar: „Warum eigentlich nicht?“ Er fing mit drei Kamelen aus der Wildnis an, wenig später kamen fünf tragende Tiere hinzu – und so nahm die Farm langsam Gestalt an. Heute hält er rund 100 Kamele, und die Herde wächst weiter.
Kamele wurden ursprünglich im 19. Jahrhundert für den Eisenbahnbau nach Australien gebracht. Als man sie nicht mehr brauchte, wurden sie in die Wildnis entlassen – und vermehrten sich dank ihrer Widerstandsfähigkeit rasant. Heute gibt es mehr als eine Million wilde Kamele.
Viele Farmer sehen sie als Schädlinge, da sie riesige Mengen Wasser verbrauchen, Zäune zerstören und die im Outback ohnehin karge Vegetation überweiden, was zu Bodenerosion führen kann.
Ich wurde schon als Kind darauf vorbereitet, mich auf das zu konzentrieren, was geht – nicht auf das, was nicht geht.
Bergmann sieht die Dinge pragmatisch: „Natürlich können sie Schäden anrichten. Aber anstatt sie als Plage zu betrachten, sollte man sie sinnvoll nutzen.“ Seiner Meinung nach sind Kamele perfekt an das australische Klima angepasst und eine nachhaltige Alternative zu klassischen Nutztieren: „Sie liefern Milch, Fleisch und Wolle – damit könnten sie eine Antwort auf den Klimawandel sein.“
Bergmann liebt „seine“ Kamele über alles – das merkt man sofort. Und obwohl er zugibt, dass sie auf den ersten Blick störrisch wirken können und „interessante“ Geräusche von sich geben – „Man könnte fast denken, der Soundtrack für „Jurassic Park„ stammt von Kamelen“ – sagte er: „Sie sind wirklich sanfte Riesen – unglaublich kuschelig und faszinierend.“
Jedes Tier habe dabei seinen eigenen Charakter. „Manche sind extrem anhänglich, legen dir den Kopf auf die Schulter und wollen stundenlang gestreichelt werden. Andere sind etwas distanzierter, aber genauso freundlich.“ Dennoch betont er: „Wir sind eine Farm, kein Streichelzoo. Am Ende muss sich das wirtschaftlich lohnen.“
Trotzdem arbeitet er so nachhaltig wie möglich und versucht zudem, stets das Wohlergehen der Tiere an erste Stelle zu stellen. Dazu gehört auch, beim Melken Muttertier und Junges beispielsweise nicht zu trennen.
Nahrhaftes, aber teures Superfood aus der Wüste
Bergmanns Farm DromeDairy konzentriert sich vor allem auf Kosmetikprodukte aus Kamelmilch – Seifen, Cremes, Lotionen und Shampoos. Doch auch Lebensmittel stehen auf seiner Innovationsliste: „Wir arbeiten an Joghurtdrinks, Müsliriegeln und sogar Kamelmilch-Wodka.“
Kamelmilch gilt als besonders gesund: Sie enthält mehr Vitamin C und Eisen als Kuhmilch und wirkt entzündungshemmend. Aus diesem Grund helfen Kamelmilch-Produkte oft Menschen mit Neurodermitis. Auch Menschen mit Laktoseintoleranz vertragen sie oft besser.
Geschmacklich beschreibt Bergmann die Milch als „ein bisschen süßer und leicht salzig – wie eine fettarme Kuhmilch.“ Der Nachteil? Kamele produzieren nur zwei bis fünf Liter Milch pro Tag – Kühe dagegen bis zu 25 Liter. „Deshalb ist Kamelmilch in der Herstellung teurer“, erklärte Bergmann.
Übrigens soll schon Kleopatra in Kamelmilch gebadet haben – zumindest besagt das die Legende. Vielleicht ein Zeichen dafür, dass die Milch vor Jahrtausenden bereits geschätzt wurde.