Cholera im 19. JahrhundertWie eine Seuche das Leben in Köln veränderte

Enge und schmutziges Wasser – die Cholera aus Sicht des Künstlers Ludwig Meidner. Die Tuschezeichnung gehört zur Grafischen Sammlung des Museum Ludwig.
Copyright: Abbildung: Rheinisches Bildarchiv
- Mehr als 1000 Kölner fielen der ersten Cholera- Welle Mitte des 19. Jahrhunderts zum Opfer.
- Die bis dato noch unbekannte Krankheit und der Kampf gegen sie sollten das Leben in der Stadt für immer verändern.
- In der Serie „Seuchen in Köln“ werfen wir einen Blick auf diese Zeit.
Köln – Tausende von Menschen kommen im September 1849 zum Melaten-Friedhof: Die Beerdigung des Arztes und Arbeiterführers Andreas Gottschalk wird zu einer politischen Demonstration. Gottschalk hatte sich nicht nur als Vorsitzender des Kölner Arbeitervereins für die Armen eingesetzt, sondern auch als Arzt bei der besonders unter den geschwächten Arbeitern wütenden Cholera.
Er ist ein prominentes Opfer der bis vor einigen Monaten noch unbekannten Krankheit, deren erste Welle mehr als 1000 Kölner das Leben kostet. Und deren Bekämpfung die Stadt verändern wird: von beengten und unhygienischen Wohnverhältnissen hin zu moderner Trinkwasserversorgung und Kanalisation.
Adolph Kolping leistete Beistand im Hospital
Als die Cholera 1849 Köln zum ersten Mal trifft, weiß die Medizin erst wenig über die Verbreitung von Infektionskrankheiten. Das Mikroskop und die damit erkennbaren Erreger sind noch unbekannt. Man glaubt, dass Krankheiten entweder über den Boden weiterverbreitet werden oder durch die Luft von Mensch zu Mensch. Behandelt wird mit Aderlass und Brechmitteln – dabei ist, wie man heute weiß, das Hauptproblem bei der Cholera der große Flüssigkeitsverlust.
Umso wichtiger ist der geistliche Beistand: Adolf Kolping, heute vor allem bekannt als Gründer des Kolpingwerkes, wohnt und arbeitet als zweiter Anstaltsgeistlicher im neu errichteten Bürgerhospital. Das ist das einzige Krankenhaus der Stadt und wird von der Armenverwaltung betrieben. Zwei Cholerastationen mit insgesamt 90 Betten werden geschaffen, doch sie reichen nicht aus.
Im September wird eine nächtliche Notfallbereitschaft, bestehend aus zwei Ärzten und einem Chirurgen, etabliert. Nur acht Träger standen insgesamt zur Verfügung, um die Neuerkrankten aus dem gesamten Stadtgebiet zum Bürgerhospital zu bringen. „Mochte man es ihnen verdenken, dass sie auch schon mal auf einen Schluck an einer Kneipe Halt machen?“, fragt Monika Frank vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, die diese Fakten zum Umgang mit der Cholera in Köln ausgegraben hat.
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Viele Patienten fürchten das Hospital. „Mitte des 19. Jahrhunderts war ein Krankenhaus alles andere als ein sicherer Ort für Patienten“, sagt Monika Frank. Wer es sich leisten kann, lässt sich zu Hause behandeln. Im Bürgerhospital übernehmen die Schwestern der Augustinerinnen die Pflege. Viele von ihnen sterben selbst an der Cholera. Noch heute erinnert das Ehrengrab auf Melaten an ihren Einsatz während der Epidemie 1849.
Auch wenn die Menschen die Übertragungswege des schweren Brechdurchfalls noch nicht durchschauen, wird eines immer offensichtlicher: Besonders die durch Hunger und harte Arbeit geschwächten Körper sind anfällig. Die Märzrevolution von 1848 ist gescheitert, doch im immer noch aufgeheizten politischen Klima fordern die Kämpfer für Demokratie und Rechte der Arbeiter, angesichts der Cholera die hygienischen Zustände der Wohnungen zu verbessern.
Umfassende Maßnahmen in der Stadt
Als 1866/67 die Cholera zum zweiten Mal Köln trifft, kommt der Kölner Arzt Eduard Lent immer mehr zu der Überzeugung, dass verunreinigtes Trinkwasser der Überträger des Krankheitskeimes ist. In seinem „Bericht über die 2. Choleraepidemie in Köln 1867“ stellt er seine Forschungen auf der internationalen Cholerakonferenz in Dresden vor. Er geht von einem spezifischen Keim aus, kann das aber nicht beweisen. Zwar werden in Köln die Brunnen untersucht und beängstigende Ergebnisse zu Tage gefördert – allerdings sind das nur chemische Untersuchungen. Erst 1884 entdeckt Robert Koch unter dem Mikroskop das Bakterium, dass die Cholera verursacht.
Cholera
Der Brechdurchfall Cholera, verursacht durch das Bakterium Vibriocholerai, ist eine schwere Infektionskrankheit des Darmes. Sie wird vor allem über verunreinigtes Trinkwasser übertragen.
1817 breitete sich die erste Pandemie (bis zum Jahr 1824) über Asien und Russland bis nach Europa aus. Der erste Fall in Deutschland wurde 1831 dokumentiert. Auf dem indischen Subkontinent gab es die Erkrankung schon lange, aber nur mit lokal begrenzten Ausbrüchen. Vor dem 19. Jahrhundert war die Cholera in Europa unbekannt.
Als beste Vorbeugung gilt die Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Deshalb kommt sie in fortschrittlichen Ländern heute kaum noch vor. Der größte bekannte Choleraausbruch aller Zeiten begann 2016 im Jemen mit fast zwei Millionen Verdachtsfällen und vielen tausend Toten.
Eduard Lent wird zum Vorkämpfer der hygienischen Bewegung und der öffentlichen Gesundheitspflege. Die Brunnen im Stadtgebiet werden geschlossen und Aborte in den Häusern armer Leute desinfiziert. 1867 übernimmt die Stadt diese Desinfektionsmaßnahmen, weil sie sich als sehr sinnvoll erwiesen haben. „Überhaupt führt die Auseinandersetzung mit den Choleraepidemien zur Bedeutungssteigerung der wissenschaftlichen Hygiene und zur baulichen Sanierung der Städte“, sagt Monika Frank. Auch die Stadt Köln nimmt immer mehr umwelthygienische Maßnahmen in ihre Verantwortung: 1872 schafft sie eine zentrale Trinkwasserversorgung und schafft mit der Stadterweiterung von 1888 auch gleichzeitig eine zentrale Schwemmkanalisation.
Die Maßnahmen zeigen Wirkung. Die in den 1880er Jahren noch einmal erwartete Choleraepidemie trifft etwa Hamburg mit aller Härte. In Köln bleibt sie aus.