ChorweilerWarum Schüler im Kölner Norden auf die Barrikaden gehen

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Köln: Schüler aus fünf verschiedenen Schulen demonstrieren auf dem Pariser Platz in Chorweiler.

Köln: Schüler aus fünf verschiedenen Schulen demonstrieren auf dem Pariser Platz in Chorweiler.

Um auf Mängel in den Schulen im Kölner Norden aufmerksam zu machen, haben am Mittwoch rund 2000 Schülerinnen und Schüler, sowie Eltern und Lehrpersonal demonstriert.

Marode Klassenräume, kaputte Heizanlagen und verdreckte Toiletten ohne Spülung: Das Heinrich-Mann-Gymnasium in Chorweiler ist kein Wohlfühlort – ganz im Gegenteil. Und das Gymnasium befindet sich in „bester Gesellschaft“. Viele Schulen im Kölner Norden sind in katastrophalem Zustand. Um auf diese erheblichen Mängel aufmerksam zu machen, demonstrierten am Dienstag rund 2000 Schüler und Schülerinnen, sowie Eltern und Lehrpersonal von fünf Schulen aus der Umgebung. Sie zogen von ihren Schulen zu einer Kundgebung vor das Bezirksrathaus Chorweiler am Pariser Platz.

„Die Toiletten sind abartig“

„Uns stinkt’s gewaltig“ steht auf dem Demo-Plakat eines Grundschülers. Und es ist nicht der einzige Spruch bezogen auf mangelhafte Schulklos, der auf dem Platz zu lesen ist. Der prekäre Zustand von Sanitäranlagen betreffe leider alle Schulen im Kölner Norden, berichtet die Mit-Organisatorin der Demo und, die sich auch in der Schulpflegschaft des Heinrich-Mann-Gymnasiums engagiert, Melanie von Vegesack. „Die Toiletten sind abartig“, fasst sie es zusammen. „Manche haben keine Abspülfunktion.“ Diese würden abends mit Chemikalien „entstopft“. Statt eines Pissoirs gebe es in einer Toilette eine einfache Rinne im Boden an der Wand. „Manche Schüler trinken und essen deshalb absichtlich wenig und bekommen Kopfschmerzen.“ Andere werden mittags abgeholt und wieder zurückgebracht, um zu Hause auf die Toilette gehen zu können. „Unsere Schule wurde vor 50 Jahren gebaut und seitdem hat sich hier nichts geändert“, ärgert sich Philipp Meise, ebenfalls aus der Schulpflegschaft des Gymnasiums. Er spricht von einer „kaputt-gesparten Infrastruktur“.

Explodierende Lampen

Vor allem in den naturwissenschaftlichen Räumen gebe es große Mängel, die teilweise den Unterricht verhinderten. Experimente im Chemieunterricht? Die könnten Schüler oft nur über Youtube-Videos erleben. Ein Experiment sei ab nächstem Jahr auch Teil des Abiturs: „Wenn man das vorher nie richtig gelernt hat, ist das natürlich schlecht für die Note“, erklärt Meise. Die Mängelliste hört bei herkömmlich Klassenzimmern jedoch nicht auf. Lehrer berichten von ihrem alltäglichen Kampf mit „explodierenden Lampen, kaputten Steckdosen eiskalter Zugluft durch Fenstern, die aus dem Rahmen brechen.“Meise: „Das sind Umstände die an Nachkriegszeiten erinnern.“ Gerade der Sportunterricht könnte ein Ort sein, um aufgestauten Frust abzulassen. Aber auch der muss an vielen Schulen im Kölner Norden ausfallen. Dem Heinrich-Mann-Gymnasium fehlen zwei Turnhallen für den Normalbetrieb. „Dann wundert man sich, dass unsere Kinder alle nur am Handy daddeln und Bewegungsdefizite haben“, sagt Meise.

„Mangelware“ Turnhallen

An einer Grundschule gibt es erst gar keine Turnhallen. In dieser Situation ist auch die Heinrich-Böll-Gesamtschule: Hier findet die Stadt seit über einem Jahr keine Lösung für eine marode und deshalb gesperrte Mehrfachturnhalle (die Rundschau berichtete). „Das Schlimme ist, dass es überhaupt kein Interesse von der Stadt gibt“, so Meise. Der Fokus von Investitionen liege klar auf Schulen im Süden Kölns. Das Gefühl, vom Rest der Stadt abgehängt zu werden, kommt seit Jahren auf, so auch bei Schülersprecher Garij Maruntselu. Er wünscht sich, die Stadt würde sich vor Ort selber ein Bild von den Zuständen machen. „Ich weiß von meinem Schulleiter, dass viele Anträge gestellt wurden“, erzählt der 17-Jährige. Eine Aussicht auf Besserung gebe es trotzdem nicht. „Wir müssen schon Witze darüber machen, um damit klarzukommen, dass die Stadt einfach gar nicht reagiert.“ Bei der Kundgebung gibt er sich kämpferisch: „Ich glaube an euch und euer Potentzial“, ruft Maruntselu den laut jubelnden Schülerinnen und Schülern zu. So etwas würden sie auch gerne mal aus dem Rathaus hören.

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